Sie wollen weder Showbikes noch megakrasse Umbauten. Dafür sind die zwei noch jungen Brüder dem Harley-Davidson Chopper, oder besser, Bobber- und Choppergospel, verfallen. Ihr Programm: Coole Geräte bauen und viele Kilometer machen.

Wenn auch die Anzahl ihrer Sprossen auf der Karriereleiter noch recht überschaubar ist, so wirkt es doch beeindruckend, auf was Axel Frohwerk und sein Bruder Robin – beide in ihren besten Zwanzigern – heute schon zurückblicken können. Jugend und Schaffenskraft sind ihnen dabei zwar hilfreiche Bausteine in einer Kette von Faktoren, aber sicher nicht ausschlaggebend für ihren Werdegang. Dass die Kerle gleich mit Harleys in die Motorradszene einsteigen, hat gewiss Gründe. Es liegt ganz bestimmt daran, dass ihnen das Harley-Davidson-Evangelium quasi seit der Muttermilch in inspirativer Dosis verabreicht wird und dass sowohl der Vater als auch die Mutter selbst Harley-Davidson fahren. Das werden jedenfalls diejenigen jetzt behaupten, die unsere Garagenstory gelesen haben.

Hyper-Breitreifen-Superlative? Nö!

»Bullshit«, wehren andere diese Spekulation ab. Die Sache scheint ihnen tiefgründiger. Weil – und das ist ihre feste Ansicht – die Jugend spätestens in der Pubertät alles ankotzt, was ihre Eltern für gut befinden – üblicherweise. Rebellion gegen die Alten ist Standard, das ist eben so – eigentlich. Und trotzdem stehen wir heute mit einer Situation da, wo der Nachwuchs sich stark an einer älteren Generation anlehnt, dabei jedoch gewöhnlich die Altersgruppe ihrer Eltern überspringt. Im weiteren Sinne sind das junge Leute, wie die Hipster, die das Tragen von Klamotten, Frisuren und Bärten, wie wir sie aus alten Zeiten kennen, glorifizierend zelebrieren.

Für den Anfang schwor Axel auf die Softail, baute sie zum Bobber um. Mittlerweile ist das nächste Projekt fast straßenreif, ein Seventies-Chopper auf Shovel-Basis

Auf Chopperfahrer appliziert führt das zu Fahrzeugen, die in den USA der 50er bis 70er Jahre von absoluten Freigeistern gebaut wurden. So auch bei Robin und Axel. Dass ihr Vater in die gleiche Kerbe schlägt, hat nichts mit einer allgemeinen Umbesinnung zu tun. Bei ihm hängt es damit zusammen, dass er von Anfang an nichts von kaum finanzierbaren Hyper-Breitreifen-Superlativen und dem damit verbundenen technischen Aufwand hält und den »Save the Choppers!«-Gedanken voll versteht.

Die Softail gedeiht zum Bobber

Sowohl Robin als auch Axel orientieren sich an den ganz alten Vorbildern. Wobei Axel seine Evo Softail erst mal ein Jahr im Serienzustand fährt. Er leistet sie sich mit Erreichen der Volljährigkeit. Es ist eine Gebrauchte, Baujahr ’91. Axel lässt seinen Umbauplänen ein gutes Jahr, um zu reifen. Erst dann wird losgelegt, ein Bobber soll es werden. Es ist das Schlichte, Reduzierte, das Urwüchsige, was ihm daran gefällt. Noch favorisiert er den Stil der Bob-Jobs, wie er seit dem legendären Hollister Bash in den Medien bekannt wurde: minimalistisch und sichtbar vom Gebrauch gezeichnet.

Fahrmaschine: Seit sieben Jahren bringt die Softail Axel zuverlässig quer durch Europa, das Gepäck gut verstaut an der Eigenbau-Sissybar oder in der seitlichen Ledertasche

Axels Softail ist allerdings noch viel zu geleckt, also bekommt sie einen Used-Look mit entsprechend behandelter Lackierung. Das Schwärzen der Felgen hilft ihm, diesen Stil weiterzutreiben. Die Trittbretter verdienen bei ihm diesen Namen wirklich, denn er fertigt die sonst aus Gummi bestehenden Fußstützen eigens aus Holz. Am Rahmen weichen beidseitig die hinteren Schutzblechhaltestreben der schneidenden Gewalt einer Flex. Dafür wird ein knapp am Reifen anliegendes Schutzblech angepasst.

Harley-Davidson Chopper mit Bobber-Elementen

»Ich bin dann aber immer mehr zum Chopperfan geworden«, versucht Axel den vorliegenden Stilmix zu erklären. »Als Erstes habe ich eine schmale Sportstergabel und eine handgebogene schwarze Sissybar mit Gartentorspitze montiert, danach kontinuierlich Kleinigkeiten verbessert oder manches aus einer Laune heraus wieder anders gemacht.« Der schmale Lenker bekommt eine Bandage mit schwarzem Tape und auch sonst hilft ihm das Schwärzen weiterer Bauteile dabei, dem Bike ein homogenes, ursprüngliches Aussehen zu geben. Fast alle Umbauten geschehen in überschaubaren Schritten, denn Axel behält das Fahren stark im Fokus. »Ziele sind der Ruhrpott, Belgien oder es führt uns nach Südtirol, mehrere Trips im Jahr.« Axel weiß deshalb die Zuverlässigkeit des Evo-Motors zu schätzen und nutzt sie auch ausgiebig.

Einige Teile am Motorrad sind geschwärzt, um den Used-Look zu unterstreichen, selbst der schmale Lenker trägt schwarzes Tape

Doch das Chopperthema lässt ihn nicht los, immer mehr verfällt nun auch er dem Mythos und überlegt, ob ein kompletter Neuaufbau nicht sinnvoller ist, als seine Evo ständig weiterzuentwickeln. »Mit dreiundzwanzig habe ich mir dann eine Shovelhead gekauft, Basis für einen Umbau zum stilechten Seventies-Chopper, der gerade fertig wird«, erzählt er. Ob sich Axel dafür von seiner Softail trennen wird, steht noch in den Sternen, denn die Frohwerks haben eine eigene private Werkstatthalle, wo sich die Evo zwischen sieben weiteren Harleys – von Panhead über Shovel bis zur Twin Cam – gut integriert hat. »Sie ist ein absolut zuverlässiger Alltagschopper, egal ob es zum Friseur geht, zum Chopperbash oder nach Sardinien«, lobt Axel seine Fahrmaschine, denn sie hat ihren Fahrer die letzten sieben Jahre überall hingebracht – oft vollbepackt.

Werkstattleben – Schrauben, feiern, trinken

Axels zwei Jahre jüngerer Bruder Robin hat einen ähnlichen Weg hinter sich. Nach Schrauberjahren auf Mofas und Mopeds beginnt auch er mit achtzehn Jahren auf einer Evo Softail. Er kauft sie damals dem Vater ab und auch Robins erste Harley mutiert zum Bobber. Der gelernte Kfz-Mechatroniker bestärkt die These derer, die denken, dass die starke Harley-Affinität den Brüdern quasi in die Wiege gelegt wurde. »Ich schraube schon immer gerne an Autos und Mopeds rum«, der Spielplatz war schon in der Kindheit die Garage. Hier versuchen sich die Frohwerks immer wieder an neuen Sachen. Außerdem ist das ihr Treffpunkt für Partys und für das Feierabendbier mit Freunden. »Wir nennen es Werkstattleben, dazu gehört das Schrauben, das Feiern und auch – grins – das Trinken; gemeinsam: einer für alle – grins –, alle für einen!«

Offene Technik beim Open Belt, dazu ein knorriger Schaltknauf. Die Shovel ist ein ehrliches Stück Chopper

Doch Robin wächst auch mit den Anforderungen und vieles hat er auf den Roadtrips mit der Clique erlebt und meistern gelernt. Dazu gehören auch die Pannen, von denen jede selbst reparierte das Selbstwertgefühl steigert. Und natürlich sammelt Robin Ideen auf Treffen, in Zeitschriften und das Internet bringt ihm auch die alten Idole näher. Robin ist offen, liest freilich immer auch zwischen den Zeilen. »Tom Fugle hat mich am meisten inspiriert.«

Die Shovel mutiert zum Harley-Davidson Chopper alter Schule

Gerade für den alten El-Forastero-Rocker, der einst zusammen mit dem legendären Easyriders-Szene-Zeichner David Mann fuhr, zeigt er mehr als Hochachtung. Beide zählen heute zu den prägenden Gestalten der Choppergeschichte. Was liegt bei einem solchermaßen voreingestellten Kerl also näher, als dass er sich mit einundzwanzig Jahren eine Shovelhead im 1955er Starrrahmen kauft und diese zu seinem eigenen Chopperideal umbaut. 

Schlank muss so ein Bike sein, der schmale NSU-Tank, die selbst gebogene Sissybar und die King-and-Queen-Sitzbank zitieren gern die Ideale von Vorbildern wie Tom Fugle oder David Mann

Dabei entstehen solche Goodies wie der Jockey-Shift-Hebel, die Kupplungsstange und etliche Halter und Kleinteile, die ein unbedarfter Betrachter gar nicht wahrnimmt. Auf den ersten Blick fällt der angepasste schlanke NSU-Quick-Benzintank auf, aber auch hier sind Umschweißaktionen im Tanktunnelbereich und bei der trickreichen Befestigung nötig.

Dem Rahmen bleibt jegliche Schneide- und Schweißaktion erspart

Offensichtliches Highlight ist die handgemachte Sissybar. Unsichtbar hingegen lässt er die vordere Bremsleitung ein Stück weit versteckt im Lenker verlaufen – viel Aufwand einer cleaneren Optik wegen. Dem Rahmen allerdings erspart er jegliche Schneide- und Schweißaktion. Der ist Bone Stock und so bleibt er auch. Und wenn ihn die sechs Zoll längeren Gabelrohre vorn auch ganz schön anheben, dann bleibt das so, weil es eben so war in den Kindertagen des Chopperbaus. 

Mit zarten 23 Jahren hat Robin sich seinen Wunschchopper schon längst gebaut. Wie sein Bruder ist er komplett harley- und oldschoolfixiert, da kommt sicher noch einiges

2018 lebt Robin für vier Monate auf Ibiza. Dort arbeitet er bei Ibiza Custom Cycle (ICC) und kann in der Zeit viel dazulernen. Danach geht’s – getreu dem Wahlspruch Tom Fugles: »Ride Choppers or fuck off« – mit seinem Bike auf eigener Achse zurück ins heimische Friedingen. Für den Heimkehrer steigt eine Party – Familie, Freunde und Weggenossen teilen den Willkommenstrunk. Spätestens jetzt ist klar: Robin und Axel gehen ihren Weg … vielleicht auch gemeinsam mit der Familie? Und im Ernst: Keiner fragt hier mehr, wer da wen befruchtet. 

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.