Im holländischen Friesland finden wir ein blaues Wunder auf zwei Rädern – Wout und sein perfekter Boardtracker auf Basis einer Triumph T140.

Weit, weit im Norden Hollands liegt die kleine beschauliche Region Friesland. Hier scheint die Zeit wahrhaft still zu stehen. Der schnarrende Lokaldialekt vermischt sich mit dem geriatrischen Quietschen altersschwacher Getreidemühlen und dem wellenwiegenden Knarzen der wunderschönen alten Skutsjes, jener flachrümpfigen Segelboote, die so typisch sind für diese Region. Nur im kleinen Örtchen Wâldsein kommt seit Neuestem noch ein Motorengeräusch dazu. Hier bläst Wout auf seiner »Bluebird« durch die Landschaft.

»Ich will ein funktionales Bike, clean und ohne Gedöns«

Für unsere Fotosession haben wir uns an einer alten Sägemühle verabredet. Der Müller steht auf die Triumph, die zahlreichen Touristen nicht minder. Aber Wout bleibt bescheiden und erzählt vom Aufbau des Bikes. Auf diese unnachahmlich friesische Weise, als ob es das Natürlichste auf der Welt sei, ein perfektes Bike hinzulegen. »Ich schraube immerhin schon seit ich 18 bin an Motorrädern, jetzt bin ich 54. Und hatte schon alles an Motorrädern.

Mit 18 Jahren begann Wout, Motorräder zu bauen. Heute zählt der 54-Jährige zu den besten Privatschraubern der Niederlande

Aus einer Norton Commando habe ich einen Cafe Racer gebaut, eine Panther restauriert, nicht zu vergessen meinen Matchless Boardtracker, der Yamaha-Zweizylinder-Cafe Racer und eine ganze Reihe Harleys.« Was seine Motorräder angeht, hat Wout ein unumstößliches Kriterium: »Es muss was Besonderes sein. Einfach, clean und ohne Gedöns. Ich will ein funktionales Bike, gerade den Boardtracker-Stil finde ich da sehr schön. Die Harley- und Indian-Boardtracker aus alten Zeiten waren fantastisch, aber unerschwinglich. Und einen wirklich gelungenen Eigenbau gibt’s selten, da ist immer irgendwas dran, was mir nicht gefällt. Deshalb hab ich beschlossen, mir meinen perfekten Boardtracker selbst zu bauen.«

Basis war eine Triumph T140 mit Öltank im Rahmengestänge

Angefangen hatte alles mit zwei Carbid-Lampen, die Wout im Internet erstanden hat. »Den Rest des Motorrads hab ich einfach dazwischen eingebaut«, lacht er. »Die Basis ist eine Triumph T140, die hat den Öltank im Rahmengestänge. Irgendwann habe ich allerdings gemerkt, dass sich dieser Rahmen so gar nicht eignet, um ihn mit zwei 23-zölligen Rädern wieder aufzubauen. Denn die sollten es für meinen Boardtracker schon sein. Ich habe dann mit einem Rahmenbauer in den USA Kontakt aufgenommen, aber der war total schnarchig und hat nichts gebacken bekommen.

Den Anfang bildeten zwei Carbidlampen. Das Motorrad dazwischen musste erst noch gebaut werden

Auf einer Bikeshow sprach ich die Jungs von Kruyswater Motorfietsen an, die total schöne Gabelfedern herstellen. Bei unserem netten Plausch haben sich Mr. Job und Mario dann angeboten, mir einen Starrrahmen nach meinen Wünschen zu bauen. Gesagt, getan, mit meinen beiden Rädern und einem Stapel Zeitschriften unterm Arm bin ich in Kruyswater aufgeschlagen. Mario hat ein wunderschönes Modell gebaut, ich hab einfach gesagt, perfekt, schweiß es zusammen – genau so. Mehr war nicht nötig, er wusste genau, was ich wollte. Und schweißen kann er auch.«

Nach einigen Tagen biegen und hämmern flog der Tank in die Tonne

Zwei 23-Zoll-Räder, klingt ja erst mal toll. Aber was die Reifenhersteller dafür anbieten, war für Wouts Geschmack viel zu breit. Er wollte ultraschlanke Pneus. An einem Karren entdeckt er durch Zufall Reifen, die seinen Vorstellungen entsprechen, »die laufen bis 150 km/h, das reicht.« Da Wout ein reiner Privatschrauber mit kleiner Werkstatt ist, achtet er durchaus auf den Kostenrahmen seiner Projekte und setzt natürlich auf Eigenbau. So sägt er die Lenkstange aus einer alten Softail, das schmale hintere Schutzblech zieht er stundenlang über die Rollenstreckmaschine, bis der Radius mit dem des Reifens passt.

Es braucht nur einen Ausschnitt, um zu wissen, dass wir einen Boardtracker vor uns haben. Die unnachahmliche Tankform, die Parallelogrammgabel und die nach unten gezogenen Griffe sind typische Merkmale des Stils

Während das »nur« Fleißarbeit ist, wird es beim Tank schwieriger. »Ich wollte zuerst einen runden Tank in den Rahmen integrieren, aber nach einigen Tagen biegen und hämmern flog das Ding schließlich in die Tonne. Der neue Tank hat jetzt eine Gummiaufhängung. Es sind immer die Kleinigkeiten, die knifflig sind und einem die Zeit rauben«, erzählt Wout. Tage und Wochen bringt er mit Kleinzeug zu, »und jede Entscheidung, die man trifft, führt ja zu weiteren Entscheidungen. Völlig planlos sollte man da nicht sein. Manchmal ist es wortwörtlich eine Kettenreaktion«, rät Wout Garagenschraubern.

Triumph T140 mit Mondial-Trommelbremse

Neben notwendigen Neuteilen, hat der Holländer auch altes, ungewöhnliches Material in die Triumph verbaut. »Die Nabenbremse vorn stammt von einer alten Mondial und taugt ziemlich wenig, da könnte ich auch gleich versuchen, einen Anker um den nächsten Baum zu werfen. Zum Glück ist die hintere Bremse in Ordnung. Und dann sind da noch Details wie der Tankdeckel, der Öltank oder der Gasgriff, die ich persönlich wunderschön finde, obwohl sie eigentlich alter Kram sind.«

»Die alten Harley- oder Indian-Boardtracker sind unerschwinglich und die meisten Umbauten gefallen mir nicht. Also baute ich eben selbst«

Zur Kirsche auf der Torte wird am Ende die Lackierung. Wout gibt ein helles Blau mit »Bluebird«-Schriftzug in Blattsilber vor. Lackierer Royal Jack hat allerdings gerade neue Farbe reinbekommen, ein intensives Blau mit Perlmutt- und Metallic-Effekten. »Das Ergebnis hat mich voll überzeugt«, Wout ist zufrieden. Kurz vor Fertigstellung des Boardtrackers flattert eine Einladung ins Haus, das Motorrad auf der Rogues Chopper Show vorzustellen. Motivation genug, die Lady endlich fertig zu bekommen. »Hat mich trotzdem noch eine ganze Woche Urlaub gekostet, bis alles perfekt war.« Perfekt, finden wir auch.

 

Floris Velthuis