Streetfighter erreichen uns nur noch selten und fast scheint es, als wären sie in der Versenkung verschwunden. Doch dann taucht so ein Kracher wie die umgebaute Kawasaki ZX-10R von Mathias auf und erinnert uns daran, dass die Fighter vielleicht eine Renaissance erleben könnten.

Aus den Augen, aus dem Sinn«, sicher einer dieser überstrapazierten Sprüche, die einem irgendwann nur noch einen Reiz im Hals bescheren, doch manchmal kann so ein Spruch auch zutreffen. Die Fighterszene ist zwar noch existent, doch in den einschlägigen Magazinen werden kaum noch so wilde Umbauten präsentiert, wie es vor ein paar Jahren der Fall war. Der Blick richtet sich heute auf andere Motorradkategorien.

Kawasaki ZX-10R – Vom Supersportler zum Fighter

Cafe Racer, Scrambler und andere hippe Bikes verlassen heute die Werkshallen der großen Hersteller. Dabei waren es einstmals die Fighter, die aus vollverkleideten Supersportlern nackte Supernakedbikes machten. Viel Power, viel Technik und vor allem die auf die Spitze getriebenen Heckumbauten waren ihre Erkennunsgzeichen. Von den teilweise absurden Lampenmasken ganz abgesehen.

Die ursprüngliche Basis, eine Kawasaki ZX-10R, wird wohl nur noch von echten Spezialisten als solche erkannt

Mathias ist, wie er selbst sagt, gar nicht so sehr in der Fighterszene involviert. Bei ihm hat sich der Stil erst durchs Umbauen selbst ergeben. Davor fuhr er die Basis, eine Kawasaki Ninja ZX-10R mit dem Modellcode ZX1000E8F so, wie es die Herren Designer aus Japan vorgesehen hatten – als Superbike nämlich. »Irgendwann wollte ich auf ein Nakedbike umsteigen, aber auf eins mit Leistung. Doch Modelle wie die Supernakeds von BMW, KTM oder Suzuki & Co., die heute 160 PS oder mehr haben, gab es damals nicht. Also habe ich mich entschieden, meine ZX-10R umzubauen.«

Kawasaki ZX-10R – Zwangsbeatmung mittels Turbolader

Im Internet und in Foren holt er sich Anregungen, sammelt Informationen und landet irgendwann in der Streetfighterecke. Der Transformation des Superbikes erfolgt in zwei Stufen: »Erst die Optik, dann der Motor. Und ich wollte so viel wie möglich selbst machen.« Während beim optischen Teil der Look der Streetfighter Einfluss nimmt, ist es beim Motor vor allem die Zwangsbeatmung mittels Turbolader, die Mathias nicht mehr loslässt.

Brutale Optik gepaart mit noch brutalerer Technik. Leistung gibt es bis zum abwinken. Eigentlich absurd

Die Aussicht auf brachiale Leistung übt einen besonderen Reiz aus, auch wenn es ein steiniger Weg werden sollte. Dennoch baut er den Turbokit selbst, konstruiert, probiert aus, scheitert und fängt wieder von vorn an. Sogar die Kabelbäume entwirft er selbst, und sogar gleich zwei davon. Einen nur für Licht und andere Stromabnehmer, der andere ist ausschließlich für Motor und Motorsteuerung zuständig.

Ein gewaltiger Leistungssprung von 188 auf 278 PS

Am Ende wird die Kawasaki 278 PS abdrücken. Ein gewaltiger Leistungssprung, wenn man die Serienleistung von »nur« rund 188 PS zum Vergleich heranzieht. Ein heikles Unterfangen, das auch Mathias Respekt vor seinem Monstermotor abnötigt. »Mein Modell hat ja keine Traktionskontrolle und die einsetzende Leistung ist schon gewaltig.« Zudem versagt das Getriebe die Leistungsweitergabe zum Hinterrad. Den zweiten Gang zerbröselt es schlicht.

Markanter und auffälliger sind da schon die Felgen, die eine Ducati Diavel gespendet hat

Doch durch den langwierigen Lernprozess bekommt er alle Probleme in den Griff, ändert die Übersetzung, baut eine selbstkonstruierte Schwinge zur Verlängerung des Radstandes ein, transplantiert einen 240er-Reifen samt Felge aus einer Ducati Diavel in die ZX-10R und bleibt so lange am Ball, bis das Projekt abgeschlossen ist. Die Familie steht während der Umbauphase hinter dem Elektromeister und verzichtet auf seine Anwesenheit, während er in der Doppelgarage schraubt und konstruiert.

»Für mich steht das Fahren im Vordergrund«

Mit der Fighterszene selbst hat er nur losen Kontakt, steuert hin und wieder ein Treffen an, wie andere Motorradveranstaltungen auch. »Für mich steht das Fahren im Vordergrund. Außerdem bin ich nicht auf die Kategorie fixiert, wie mancher jetzt denken mag.« In seiner Garage wartet noch eine Harley darauf, dass Mathias Hand anlegt. Ein Bobber soll es werden. Wenn das genauso ein technisch vollgepackter Hammer wird, dürfte es hochinterresant werden.

 

Floris Velthuis