Einen Yamaha SR 500 für gut 1.000 Euro: Sehr gut! Einen lässigen Umbau für noch ein bisschen mehr: Noch besser! Angefixt fürs Leben: Unbezahlbar!

Bock auf ein Motorrad, aber noch keinen Führerschein. So ungefähr sah die Lage bei Michael aus. Eine wirkliche Vorstellung über das erste Bike war da auch noch nicht so richtig vorhanden. Nur die Tatsache, dass sein Vater ihn auf die Spur gebracht hatte, davon erzählt uns der Youngster aus Oberhausen. »Der ist immer Moped gefahren, hat richtig krassen Scheiß gemacht. Mit dem Bike durch die Wildnis und sowas. Seine alte Lederkombi hing immer im Keller, das hat mich schon fasziniert.« Und letztlich geprägt, denn irgendwann ist sie da, die Lust auf ein Bike.

Handlich, einfach zu warten, günstig zu reparieren, klassischer Look – die Vorteile einer SR 500 stechen noch immer. Ein paar Fahrwerksschwächen und »nur« eine Trommelbremse im Heck sind da verschmerzbar

Etwas Klassisches soll es werden, »das passt auch zu mir, ich komme schon so aus der Rock ’n’ Roll-Ecke«, bekräftigt Michael und recherchiert. Damals ist er noch im Süden Deutschlands zu Hause. Er findet eine Yamaha SR 500, knapp 60 000 Kilometer runter, dritte Hand, 1.200 Euro Budget hat sich Michael für den Kauf gesteckt. Mit einem Kollegen fährt er zur Besichtigung, das Bike sieht okay aus, ein bisschen »Schrott« wie Koffer, Gepäckträger und Kleinkram sind auch noch dabei.

Schnäppchen – Yamaha SR 500 für 1.100 Euro

Die Jungs schieben das Motorrad aus der Garage, der Kollege versucht sich im Ankicken, er schafft es nicht. Nun darf der jungfräuliche Michael ran, auf den ersten Tritt springt die SR an – ein Zeichen. Eine kurze Verhandlung später ist klar, für hundert Euro weniger und die Kiste Schrott obendrauf ist er Besitzer seines ersten Bikes. Zurück zu Hause wird das Bike zerlegt und Mischa beginnt parallel mit den ersten Stunden in der Fahrschule. Aber weil der Kollege wenig Zeit und Michael nicht die große Ahnung von Motorrädern hat, passiert darüber hinaus nichts.

 

 

Zwischen Fehling-Lenker und Scrambler-Lampe sitzt ein minimalistisches Analogintrument

Ein halbes Jahr vergeht, bis unser Jungschrauber die richtigen Leute trifft und das Projekt endlich Fahrt aufnimmt. In Pforzheim, wo Michael herkommt, hatte sich eine ganz nette Clique gebildet, die an Mopeds schraubt. Michael, Alen, Marc, Chiko und Sander sind die Jungs, die tatkräftig helfen, aus der SR einen hübschen Umbau zu machen. »Ich konnte zu dem Zeitpunkt zwar technisch nicht wirklich was, aber ich hab angeboten, belegte Brote und Bier zu bringen und zu helfen so gut ich kann.«

Moderater Umbau der Yamaha SR 500

Der anschließende Umbau fällt moderat aus. Der Rahmen wird gecleant und gekürzt, ein Bogen eingeschweißt. Das ganze in einem Umfang, der rechtlich zulässig ist. Außerdem wird fleißig geschliffen und grundiert, um das Fahrwerk für die schwarze Farbschicht vorzubereiten. Lenker und Kleinteile werden bestellt, es wird zusammen rumgesponnen, wie es letztlich aussehen soll. »Oft bin ich abends  aus der Werkstatt raus, ohne dass wir irgendwas am Bike gearbeitet hatten. Aber das gehört unbedingt dazu«, ist sich Michael sicher. 

 

Liebe auf den ersten Kick. Oder in der Hot-Chocolate-Version: »It startet with a kick«

Für ihn wird der Aufbau seiner Yamaha zur Lehrstunde. Der Informatiker darf mal hier bohren, da schmirgeln, dort die Kabel zusammenquetschen. Learning by doing für den Mann, der eigentlich ’nen klassischen Schreibtischjob hat. Er lernt, wie aus dem Halter für die Hupe einer für den Scheinwerfer entsteht, wie man aus einem eigentlich vorderen Schutzblech ein hinteres dengelt.

Die komplette Elektrik auf der Größe eines DIN-A5-Zettels

Er wird Zeuge, was passiert, wenn man die komplette Elektrik auf der Größe eines DIN-A5-Zettels unter der Sitzbank verstecken will und was für ein Geficke es ist, wenn man Minitaster in den Lenker verlegt. »So habe ich eine Menge gelernt und vor allem gemerkt, wie gut so ein Ausgleich zum Job tut«, ein zweites Bike ist bereits angeschafft. Willkommen in unserer Welt, Michael.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.