»Einmal Zoll, immer Zoll«, wissen Harley-Fetischisten. Dabei zeigt Armins Honda CB 500 Four, wie befreiend ein Blick über den Tellerrand sein kann

Ermin Feddersen teilt das Leid vieler Schrauber: Pünktlich zum Feierabend erwacht der Jäger und Sammler in ihm. Aus dem Maschinenbauer wird ein Motorradfanatiker, der sich die Nächte mit Internetrecherchen und Werkstattexzessen um die Ohren schlägt. Das hat ihm im Laufe ungezählter Jahre zu lokaler Prominenz verholfen und lässt das Telefon klingeln, sobald ein Nachbar – und dieser Begriff ist in der Weite Schleswig-Holsteins dehnbar – über ein mögliches Projekt stolpert.

Eine Honda CB 500 Four als willkommene Abwechslung

Auf genau diese Weise wanderte irgendwann auch die Ruine einer Honda CB 500 Four in Armins Besitz. Zwar behandelt der Gute in seiner öligen Hinterhofpraxis üblicherweise amerikanische Big Twins, aber etwas Abwechslung schadet ja selten. An die Zylinder ging es dem japanischen Hobel aber nicht sofort, Armin ließ erstmal auf sich wirken, was Aftermarket und Customszene zum Thema zu sagen hatten. Nach und nach trudelten so verschiedenste Teile ein und es reifte ein Bild im Schrauberhirn: Am Klassiker Cafe Racer hatte sich Armin noch nie versucht. »Ich mochte so giftige Japaner immer leiden, bin nur nie dazu gekommen.« Das sollte sich ändern. Nach einer fachmännischen Zerlegung in ihre Einzelteile stand zuerst der Rahmen der CB im Fokus.

Gestrafft: Aus der leicht pummeligen CB 500 ist ein schlankes Sportbike geworden

Insgesamt in passablem Zustand, wurde er mit der Flex aller unnötigen Halter und Träger beraubt und dann schwarz pulverbeschichtet. Der Motor brauchte ebenfalls wenig Aufmerksamkeit,  nach einer Überholung und Säuberung zog der Vierzylinder wieder an wie in seiner wilden Jugend. Damit nicht genug, ließen offene, größere Vergaser – penibel eingestellt – die CB rennen wie nie zuvor: Rund 55 PS brachte sie nun auf die Matte. Um die neue Wucht auch angemessen stoppen zu können, rüstete Armin die gekürzte Originalgabel auf Doppelscheibe um.

Felgen in den Ruhestand

Außerdem verabschiedete er die Originalfelgen in den verdienten Ruhestand und verbaute edle, 18 Zoll große Borrani-Hochschulterfelgen. Das brachte die Front weiter gen Asphalt und stellte das Projekt auf angemessen sportliche Rollen. Entscheidend für einen guten Cafe Racer ist aber letztlich die Linie von Tank und Sitzbank. Kompromisse sind hier fehl am Platz, Armin erstand sowohl den obligatorischen Höcker als auch das schlanke Benzinfass im Netz. Nach etwas Detailarbeit nahm der Rahmen der CB beide dankbar auf. Ein schlichter Tankdeckel und ein passendes Rücklicht fanden sich auch schnell.

Minimalpolster: Mit den Vollschaummatten ist man genitalmassagemäßig einfach näher am Geschehen

Anschließend wurden sämtliche Bodyparts lackiert: Ein sattes Gold und schwarze Streifen kleiden die CB elegant und sportlich. Gezielter Minimalismus prägt auch die übrigen Feinheiten des Racers. Mehr als einen schwarzen Rundscheinwerfer, Stummellenker und Ochsenaugen braucht es in der Szene nicht, die Instrumente einer CX 500 stellen auch den TÜV zufrieden. Die Elektrik wanderte samt Batterie, szeneüblich, in den Höcker und räumte das Rahmendreieck frei. Den Blick darauf sollten die markanten, aber eben auch sehr ausladenden Originalendtöpfe nicht verstellen, was die dezente 4-in-1 von Marving formschön garantiert.

Gardemaß und Stummellenker

Die erste Probefahrt nach dem Winter in der Garage verlief für Armin aber etwas ernüchternd. Dabei jubelte die kleine, leichte CB jeder Kurve entgegen und zog ihrem Erbauer auf jeder Geraden ein Grinsen ins Gesicht. Das wich nach wenigen Minuten Fahrt aber der Erkenntnis, dass  norddeutsches Gardemaß und Stummellenker auf Dauer nicht glücklich miteinander werden können. Entsprechend entspannt winkte Armin seinem ersten Cafe Racer nach, als der auf dem Anhänger eines kompakter gebauten Käufers in der Ferne verschwand. »Mich interessiert in erster Linie das nächs-te Projekt, weniger der fertige Umbau. Außerdem hat mir bei der CB schon etwas der Hubraum gefehlt.« Der halbfertige Starrrahmen aus Milwaukee, der hinter ihm in der Werkstatt steht, wird das Problem sicher nicht haben.

Max Link