Bei unserer Recherche zu »Karl & Funke«-Chopperrahmen fanden wir zwei Freunde, die Zweirad-Kulturgut über die Zeit gerettet haben

In einem Interforum suchte einst jemand nach den Chopperrrahmen der deutschen Manufaktur Karl & Funke. Ein User nannte in seiner Antwort die Namen Thomas Karl und Ludger Funke, die wohl Ende der siebziger Jahre beide ihren Meister gemacht und nebenbei Chopper gebaut hätten. Wir hatten Blut geleckt, hakten nach und bekamen Kontakt mit Ludger Funke. Ab da war es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir unseren Arsch vom wilden Süden nach Nordrhein-Westfalen bewegten. Hier, im Kreis Recklinghausen, liegt Waltrop. Es ist die Stadt, in der die beiden Chopperfanatiker wirkten und auch heute noch leben.

Karl & Funke – echte Chopperpioniere

Ludger empfängt uns in seinem Haus in einer ruhig gelegenen Seitenstraße. »Waltrop«, erklärt er uns, »ist eine Ruhrgebiets-Wohnstadt mit wenig Industrie.« Und trotzdem entstanden gerade hier in den achtziger Jahren blitzsaubere Chopper. Die Firma »Karl & Funke« war damals in der Sandstraße nicht einfach zu finden. Über einen langen gekrümmten Garagenhof führte die Zufahrt zu einer Halle, die ausreichend Platz für Fabrikation und Montage bot, erfahren wir bei der Besichtigung vor Ort.

Umgebaut wurde alles Mögliche. In die hauseigenen Fahrwerke kamen aber nur japanische Zwei- und Vierzylinder

Kaum noch etwas erinnert daran, das ehemalige Firmengebäude sucht man vergeblich. Heute stehen Einfamilienhäuschen dort. Was aktuell noch von der Firma zeugt, findet sich in einem kleinen Gebäude gleich vorn an der Straße, neben der Zufahrt zu jenem Garagenhof: An der Schiebetür hängt das alte Firmenschild. Im Speicher existieren noch die einst im Gebrauch gewesenen Biegevorrichtungen, die Rahmenschweißlehren, Werkzeuge, Schablonen, Materialien.

Einige alte Teile blieben erhalten

Inzwischen ist Thomas Karl zu uns gestoßen. Er zieht aus Kisten und Kartons Rohteile der hauseigenen Rahmen und Springergabeln, alles grob vorbearbeitet. Auch Gabelbrücken für Karl-&-Funke-Telegabeln sind noch da. »Die ließen wir uns aus Stahlplatten herausbrennen, da war noch jede Menge an zusätzlicher Arbeit dran, bis wir sie hochglanzverchromt anbauen konnten!« Thomas öffnet einen Karton, voll mit langen Yamaha-Gabelstandrohren. Er zeigt uns verstaubte GFK-Hinterradschutzbleche, die sie damals bei einem Zulieferer nach seinen Prototypen fertigen ließen.

Die hinteren K&F-Fender waren passgenau für die eigenen Geradewegfederungsrahmen gefertigt. Sollten sie hingegen an japanische Serienrahmen, war manuelle Anpassung gefragt

Die Chopperrahmen von Karl & Funke hatten hinten Geradewegfederung – wie so manche Motorräder der Nachkriegszeit und viele amerikanische und englische Chopper-Zubehörrahmen. Warum? »Ja weil der TÜV damals keine Neufahrzeuge mehr ohne Hinterradfederung zulassen wollte. Unsere Rahmen lassen eine relativ tiefe Sitzposition zu, ähnlich der eines Starrrahmens. Ausführung und Dimensionen entsprechen durchaus den Vorbildern aus den USA, wir bauten sie allerdings verstärkt für eine deutsche Zulassung.«

Die Zulassung erfolgte unter »Karl & Funke Zweiradtechnik«

Thomas war mit Ideen und Abmessungen aus einem Kalifornien-Urlaub zurückgekommen und das Gesehene wurde sauber umgesetzt. »Eine zunächst eingebaute Jammer-Springergabel aus den USA verbog sich jedoch bei den Prüftests in Darmstadt …« Also wurde neben dem Rahmen auch noch die Springergabel selbst gebaut. Der erste komplette Chopper mit eigenem Rahmen, eigener Springergabel, Honda-CB-750-Four-Motor und Zulassung unter »Karl & Funke Zweiradtechnik« war schließlich Initialzündung zur offiziellen Chopperbaufirma. Und sie sprangen damit nicht ins kalte Wasser.

Geschafft: Als alle Prüfungen erfolgreich abgeschlossen waren, mussten sich selbst die letzten Zweifler geschlagen geben

Thomas und »Roger«, wie Ludger seit ewigen Zeiten genannt wird, wussten schon, was auf sie zukommen wird. Bereits seit 1981 hatten die zwei Edelschrauber Serienmotorräder in Chopper verwandelt. So behielten beide auch nach der Firmengründung weiterhin ihre normalen Jobs bei, denn vieles war noch anzuschaffen und abzubezahlen. Die Chopper wurden in den Abendstunden und an den Wochenenden aufgebaut. Trotz der Doppelbelastung galt auch berufliche Weiterbildung nicht als Fremdwort.

Customchopper ab 16.000 D-Mark

Ludger war bald als Techniker der Mann für die Planung, Thomas wurde zum Schweißprofi. Kunden konnten Einzelteile ordern und ihre selbst zusammengebauten Chopper dann bei ihnen tüven lassen. Oder sie legten Bares auf den Tisch, dann gab’s ab 16.000 D-Mark einen schlüsselfertigen Karl & Funke-Customchopper, abholbar am Firmentor.

Im Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit in Darmstadt wurden die letzten Hürden zur Serienherstellung von Springergabeln und Rahmen genommen

Der Journalist Hartwig Garter nahm 1986 für die Zeitschrift «Motorrad, Reisen & Sport« den Karl & Funke-Honda-Four-Chopper auf drei Seiten unter die Lupe. Er zeigte sich von dem »Nobel Hobel« sehr angetan, begeisterte sich für die lange Springergabel, die niedrige Sitzhöhe und die vorgelegte Fußrastenanlage, weil, wie er es nannte, diese Kombination ihm »feinstes Chopperfeeling« vermittelte.

Die Motoren kamen von Honda, Yamaha und Triumph

Als Motoren kamen sowohl Honda-Vierzylinder als auch Yamaha- und Triumph-Twins zum Einsatz. »Mit den Mitbewerbern Kruska & Papenhöfer (K&P) hatten wir vereinbart, keine Harley-Davidson-Motoren in unsere Fahrwerke einzubauen, wenn im Gegenzug K&P in ihren Choppern keine japanischen Triebwerke verbauen würden. Wir waren schon etwas angepisst, als wir mitbekamen, dass die auch Chopper mit dem XS-650-Zweizylinder verkauften«, Thomas sucht Blickkontakt zu Roger, um sich dessen Bestätigung einzuholen.

Die glorreichen Zeiten in Waltrop sind vorüber. Doch »Karl & Funke« trieben als Pioniere den deutschen Chopperbau maßgeblich voran

Beide hatten sich schließlich den Yamaha-Paralleltwin als Favoriten auserkoren, nachdem sie K&P den Verzicht auf den Einbau von Harley-Motoren zugesichert hatten. Einig waren sich die Chopperbauer schon damals: »Wer einen Twin gefahren hat, braucht keinen Vierzylinder!« Wer aber unbedingt einen Reihenvierzylindermotor eingebaut haben wollte, der bekam das natürlich.

Heute eine Hobbygarage

Im heutigen Gebäude ist Parterre jetzt die Hobbygarage zu finden. Der Verkaufstresen wurde inzwischen zur Bar umfunktioniert. Hier treffen sich freitagabends alte und neue Freunde, hier stehen auch, neben Harleys und alten BMWs, zwei unverfälschte Karl-&-Funke-XS-650-Chopper. Einer davon wurde gerade erst zurückgekauft. Die Staubschicht darauf lässt erahnen, dass beide Chopper längere Zeit nicht mehr bewegt worden sind. Und tatsächlich fuhren die Freunde in den letzten Jahren vorwiegend modernere Harleys. Doch weist Roger auf seine alte Maschine hin, die neulich erst einen neuen, zeitgenössischen Tank erhielt. Die Wiederbelebung beider Bikes steht also an … ganz im Geiste des »Save the Choppers!«-Gospels.

 

Im Gespräch – Wer alte Haudegen wie Thomas und Ludger trifft, hat viele Fragen. Wir baten die Weggefährten zum Interview

CB: Wie habt ihr euch kennengelernt und wann habt ihr festgestellt, dass ihr das gleiche Interesse an Choppern zeigt?
Thomas: Tja, eigentlich kennen wir uns seit Kindertagen und nach einem Motorradunfall von Roger hab ich ihm angeboten, sein Motorrad zu reparieren und gleich zu choppen. Zu der Zeit schraubte ich noch in der elterlichen Garage.

Roger: Es existieren auch noch die obligatorischen Kindergartenbilder mit unseren Müttern aus diesen Tagen. Das mit dem Motorradunfall von mir und dem danach durchgeführten Aufbau meines Motorrades mit Thomas, hat unsere Interessen und unsere Freundschaft gefestigt.

Chopperpioniere wie Thomas Karl (links) und Ludger »Roger« Funke (rechts) teilen ihre Erinnerungen

Was waren die ersten Bikes, die ihr zu Choppern umgebaut hattet und wo kamen die Teile dazu her?
Roger: Bei mir war es eine Yamaha XS 650, Typ: 447. Die benötigten Stahlteile haben wir selbst gefertigt. Die Lackierung wurde dann von Thorsten, einem schon früh verstorbenen Kumpel gemacht.

Thomas: Ich fuhr damals eine BMW R75/5, die ich dann in kurzer Zeit mit einem R50-Rahmen zum Chopper umgebaut habe. Der Rahmen stammte aus französischen Polizeibeständen, die Sitzbank, die Fußrasten, Lehne, Riser und mehr habe ich selbst angefertigt.

Während viele frühe Chopperfans schon mit der Eintragung von geprüftem Zubehör Probleme hatten, weil TÜV-Prüfstellen häufig mit älteren Prüfern bestückt waren, die Chopper schlichtweg ablehnten, scheint ihr andere Erfahrungen gemacht zu haben?
Thomas: In die Fahrzeugbaufirma, in der ich zu der Zeit beschäftigt war, kam regelmäßig der TÜV und durch den Kontakt und Gespräche mit den Prüfern entstand ein Vertrauensverhältnis. So klappte manch eine Eintragung problemloser.

Roger: Das hat Thomas schon korrekt geschildert. Doch etwas später waren dann auch in unserem Umfeld Motorradfahrer, die dieser Organisation angehörten und ihr Motorrad auch umgebaut haben wollten. Die hatten unser Alter. Und sie waren von unseren Arbeiten, die den Anforderungen entsprachen, begeistert. Dadurch kamen wir auch an weitere Kontakte.

Der TÜV war sicher: Starrrahmen sind technischer Rückschritt

Was hat euch bewogen eigene Chopperfahrwerke zu bauen, woher wusstet ihr, wie und wo ihr sie geprüft bekommt. Wie lief das damals ab?
Thomas: Da die Kosten für ein Mustergutachten nicht viel höher waren als für eine Einzelabnahme, entschieden wir uns für diesen Weg. Der Gedanke war zunächst, einen Starrrahmenchopper zu bauen. Doch den konnten wir schnell wieder begraben, als wir erfuhren, dass der TÜV keine Starrrahmen mehr zulässt, das wäre technischer Rückschritt.

Hinterradfederung war also Plicht damals?
Thomas: Genau! In den USA gab es etliche Firmen, die Rahmen mit einer Geradewegfederung der Hinterachse anboten. Die nannten das damals Soft-Tail – lange bevor Harley den Namen für ihre Dreiecksschwingenrahmen nutzte. Für uns waren solche Rahmen mit Geradewegfederung die einzig wahre Alternative zum Starrrahmen. Bei der TÜV-Forschungsstelle in Essen erfuhren wir, dass wir eine technische Prüfung in Essen durchführen lassen müssen, eine fahrtechnische Prüfung in Wolfsburg – auf der Teststrecke Ehra Lessien von VW – und zu guter Letzt eine Materialfestigkeitsprüfung, die vom Fraunhofer Institut durchgeführt wurde.

Roger: Es war schon zu dieser Zeit ein großer Aufwand, den Prüforganisationen die technischen Grunddaten für ihre Prüfungen bereitzustellen. Hat aber alles geklappt, wie wir uns das vorgestellt hatten! 1983 war die Firma »Karl & Funke« geboren und unsere Softail-Rahmen und die Springergabeln konnten produziert werden.

Sitzbänke und Auspufftöpfe, Gabelstandrohre und Schutzbleche … unter dem Dach der Garage lagern Rohmaterialien und Ersatzteile aus der Blütezeit von Karl & Funke

Gab es außer im Easy-Rider-Spezial-Teil von »Motorrad, Reisen & Sport« noch eine Story über Karl-&-Funke-Chopper oder hattet ihr irgendwo Werbeanzeigen geschaltet?
Roger: Ja, in den damaligen Syburger-Ausgaben waren schon mal Artikel von uns erschienen. Aber alles in unserer Region.

Thomas: Alles lief über Mundpropaganda, allerdings haben wir einmal auf der Motorradmesse in Dortmund zwei Maschinen ausgestellt und konnten so auch auf uns aufmerksam machen.

Wie viele Rahmen, Gabeln oder komplette Fahrwerke sind bei euch über die Jahre rausgegangen?
Roger: Registriert sind Fahrgestellnummern von Endung 0001 bis 0030. Mit verschiedenen Motoren, von zwei bis vier Zylindern, sowie mit Springergabel oder Telegabel. Zwölf Stück können wir noch nachvollziehen, von den Adressen her.

Mitte der achtziger Jahre überschwemmten Händler mit importierten gebrauchten Harleys vermehrt den Markt. Die Szene hatte sich bis zum Ende des Jahrzehnts extrem gewandelt und eine Serienharley genoss höheren Stellenwert, als manch gut umgebauter Chopper. Wie habt ihr das so erlebt?
Roger: Man muss wirklich sagen, für viele war ein Chopper mit japanischem Motor natürlich ein Sprungbrett zur Harley. Es sind einige der Karl-&-Funke-Chopper verschwunden, wo sich die Versicherungen gemeldet haben … schade für die Chopperfans.

Die Freundschaft ist geblieben

Welche Entwicklungen führten dazu, dass »Karl & Funke« als Firma aufhörte zu existieren und wann war endgültig Schluss?
Roger: Das war schon alles schwierig zu der damaligen Zeit, alles unter einen Hut zu bekommen …

Thomas: Die schwere Erkrankung von Ulrike – Rogers Frau – führte dazu, dass wir die Produktion runterfahren mussten. Dann, nach Ulrikes frühem Tod, war Roger allein mit seiner kleinen Tochter. Wir waren uns schnell einig, Schluss zu machen. Zumal wir selber kaum noch zum Motorradfahren kamen.

Roger: 1990 war Ende. Aber die Freundschaft ist geblieben, bis heute. Wir treffen uns mit einigen Freunden immer noch jeden Freitag bei uns in der Werkstatt, und das seit mehr als 30 Jahren.

Thomas: Ja, das stimmt: Save the Choppers! … und gute Freunde.

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.