Schwarz und Weiß, keine Kompromisse – Diese Harley Shovelhead wurde nicht für die Show, sondern zum Fahren gebaut

»Es ist ein besonderes Motorrad, weil es mich an besondere Menschen erinnert«, erzählt Billy. Dabei wollte er eigentlich keine Shovelhead haben, vielmehr war er drei Jahre lang auf einer Harley Slim unterwegs, spulte 70.000 Kilometer auf die Karre. Die Fahrten werden weniger, als Billy seinem guten Freund Alex beisteht, der gegen den Krebs kämpft. »Alex war ein Oldschooler, ein Customizer, ein Recycler. Er sprach immer über alle möglichen Motorräder, aber wenn er das Wort Shovel sagte, schwang da noch mehr mit: Leidenschaft!

Harley Shovelhead – Ein guter Freund gab die Richtung vor

Er war ein Shovelfan durch und durch.« Billy besuchte seinen Freund oft, sie sprachen über Billys Touren nach Deutschland, Grimaud oder zum Wheels and Waves, und sie sprachen über Shovelheads, »es war einfach Alex’ wichtigstes Gesprächsthema.« Zeit für Billy, sich selbst nach einer umzusehen, »ich wollte wissen, was er damit meint und wie es sich anfühlt. So fand ich dieses Bike.«

Den kompletten Neuaufbau des Motors erlebte die Harley erst in Umbauphase zwei. Billy und sein Freund Alain entschieden sich neben dem Tausch von zahlreichen »unsichtbaren« Motorteilen auch für die Montage der auffälligen Rockercover aus dem Programm von EMD

Als Billy seine Shovel kaufte, war die schon umgebaut, trug einen Teilemix in teilweise schlechtem Zustand mit sich rum. Aber sie sprang auf den ersten Kick an, »es war ein Wow-Effekt, einfach brutal und direkt«, erinnert sich Billy. In der Werkstatt von Alain Batistella – BAC Artisanat Chopper – wurde das Bike umgestrickt. Alte Teile flogen raus, neue kamen dafür zum Einsatz, vor allem der hintere Fender war zuvor ein Schandfleck.

Wenige Maßnahmen für den neuen Look der Harley Shovelhead

Auch entschieden sich die beiden für einen neuen Lenker, das Aufziehen von dicken Firestones auf die 16-Zoll-Felgen und eine schwarze Lackierung. Mit wenigen Maßnahmen wurde der Look in nur drei Wochen deutlich verändert. »Das Bike wurde fertig, um damit auf Alex Beerdigung zu fahren.«, sagt Billy. Anfang Dezember 2016 war der Freund verstorben, Billy fuhr sein Bike den Winter durch. »Jedes Mal, wenn ich in die Garage kam, fiel mein Blick auf meine Slim. Ich nahm aber immer die Shovel.«

Kleines Detail: Am Lenker thront eine alte Fahrradklingel. Sie gehörte Billys verstorbenem Schwiegervater

Das Jokerfest in Hamminkeln bei Thunderbike stand fest im Terminkalender des Franzosen, es war März, also noch gute drei Monate Zeit. »Ich wusste, wenn ich dort bei der Bikeshow antreten wollte, brauchte ich ein gutes Motorrad. Entweder so ein richtig fettes Customding oder einen fucking Oldschooler, der die Leute berührt. Zweiteres passt besser zu mir«, war sich Billy sicher.

Harley Shovelhead – das dritte neue Leben

Er entschied sich, dem Bike neues Leben einzuhauchen – das dritte in sechs Monaten. Diesmal konzentrierten er und Alain sich auf den Motor, der komplett überholt wurde und unter anderem neue Nocken, Zylinderköpfe und die geilen Rockercover von EMD bekam. Denn schließlich sollte das Bike nicht nur auf einer Show glänzen, sondern die zwölfhundert Kilometer dahin auf eigener Achse ohne Probleme bewältigen. Billy war die Strecke bereits im Vorjahr gefahren und wusste, was ihn erwartet.

Dazu sammelt der Franzose Aufkleber, als Album dient der Öltank seiner Harley

Neben den Arbeiten am V2 wurde ein Mustang-Tank montiert und der Lenker erneut geändert, dazu neue Fenderstruts, ein neuer Federsattel und einige alte Autoteile, die Billy auf Teilemärkten erstand. Roman Boyer setzte Billys Idee einer Schwarz-Weiß-Streifenlackierung um, bei Insidern wird dieses Farbmuster gern als »Fuck Stock« bezeichnet. »Und ich bin ein bisschen süchtig nach Stickern, da kamen auch noch ein paar mehr drauf«, erzählt Billy.

Trailerqueen wider Willen

Drei Tage vor dem Jokerfest bei Thunderbike ist die Shovel fertig, zu knapp, um den Motor vernünftig einzufahren. Und das ist bei einer solchen Aufbaukur einfach unerlässlich. Zähneknirschend trailert der Franzose das Bike nach Deutschland. Eingefahren wird es dann am Niederrhein, bei Touren mit dem Thunderbike-Team und nicht zuletzt bei unserem Fotoshooting.

Billys Bike ist kein Umbau, der mit eng zusammenstehenden Lenkeröhrchen und an einer dürren Gabel hängend kaum bremsbar ist – wenn auch das durchaus seinen fahrerischen Reiz hat. Der Franzose setzt auf einen gefederten Rahmen, ordentliche Bremsen, Spiegel und alles, was das Prüferherz sonst noch mag. Eine kühle Optik ist trotzdem nicht ausgeschlossen

Mittlerweile hat er viele Kilometer abgerissen, »nicht nur für mich, sondern auch für Alex.« Und für Nicolas, den Mitgründer der Firma EMD, der leider mittlerweile verstorben ist. »Schreibt auch seinen Namen unbedingt mit in den Text, sie sollen beide nicht vergessen werden.«

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.