Wenn die Träume Harley schreien, aber die Kohle nur für eine Yamaha Virago reicht, muss man selbst für Lässigkeit sorgen

Eigentlich will sich Tobi nach Jahren auf Rennmaschinen eine Harley kaufen, was Gemütliches mit Kicker und so. Die modernen Karren hat er satt, choppermäßiger will er unterwegs sein. Was in der Theorie ein guter Plan ist, wird schnell von der Realität gekillt. Unerwartet kommt ihm der Umbau seines Elternhauses dazwischen, und für sowas geht bekanntermaßen schnell mal sehr viel Kohle drauf.

Yamaha Virago anstatt Wunschharley

Die Ersparnisse für die Wunschharley sind damit hinüber. Trotzdem will Tobi die fünf Kilometer täglichen Arbeitsweg nicht auf einem Joghurtbecher runterreiten, es muss was Günstiges und zumindest einigermaßen Lässiges her. Die Wahl fällt auf die 250er Virago, die ein Bekannter noch rumstehen hat. »Das Ding sah aus wie aus dem Laden, so kann ich das niemals fahren«, die erste Bestandsaufnahme fällt ernüchternd aus.

»Save the Choppers« – funktioniert auch für kleine, günstige Karren. Denn immerhin, aus Selfmade-Customizing ist der Kult erst entstanden

Trotzdem kauft Tobi den Brocken und baut erstmal alles ab. Mit der Hilfe von Freunden, Opas altem Werkzeugkoffer und Rest-Teile-Beständen aus der eigenen Garage macht sich der Bayer dran, die Karre herzurichten. Das Ganze soll wenig bis nichts kosten, weil das Harley-Sparprogramm parallel wieder aufgenommen wird.

Blöde Kommentare aus dem Netz

Nun ist eine Virago ein, vorsichtig formuliert, schwieriges Motorrad. Es gibt nicht übermäßig viele gute Umbauten auf der Yamaha-Basis, was sie vor allem ihrem merkwürdigen Rahmen verdankt. Tobi erhofft sich Hilfe und kreative Tricks aus dem Chopperforum im Internet und beißt bei der eingeschworenen Gemeinde auf Granit. »Wie kann man nur Geld in eine Viagra stecken«, ist noch der harmloseste Kommentar.

Der Originallenker der Yamaha wurde einfach um 90 Grad, die Riser um 180 Grad gedreht – fertig ist der Hipstershit

Um im Internetjargon zu bleiben, ziemlicher Fail. Hilfe gibt es keine, also muss Tobi selbst ran. Viele Teile belässt er aufgrund des Minimalbudgets original, andere, wie Sissybar, Heckfender und Kettenschutz baut er aus noch vorhandenem Werkstattmaterial selbst. Eine schöne Lösung findet er für seinen Lenker. Der ist nämlich, man glaubt es kaum, original.

Selbstbauen, was im Katalog gern mal 200 Euro kostet

Tobi dreht den Lenker um 90 Grad und die Riser um 180 und montiert ihn neu. Schon ist fertig, was in einschlägigen Katalogen gern mal 200 Euro kostet. Einige Kleinteile wie Lampen, Blinker, Spiegel und Rücklicht ordert er beim Onlinehandel »Chop it«, andere beim großen Auktionshaus. Des Weiteren spielen Freunde eine nicht unerhebliche Rolle beim Günstig-Umbau.

Musste man früher ewig nach alten Traktorrücklichtern oder ähnlichem suchen, bekommt man sowas heute für kleines Geld im Internet

Ein Kumpel hatte mal eine Rolle Thermoband für seine Harley gekauft, leider die falsche. Für ein Sixpack Bier wechselt sie den Besitzer. Da ist die Pulverbeschichtung schon teurer, drei Kisten Bier sind da fällig. Kabel findet Tobi in der Schrottkiste des örtlichen Elektrohändlers, Farbe und Lack sind gerade im Baumarkt im Sonderangebot. Stück für Stück entsteht so der Daily Driver. Um den rattigen Look perfekt zu machen, lackiert der gelernte Autolackierer die Karre mit mehreren Schichten Farbe und »bügelt« anschließend Folie drüber.

Yamaha Virago – Der TÜV spielt mit

Der TÜV hat übrigens an der Virago nichts auszusetzen, kein einziges Teil muss gesondert eingetragen werden. Der Arbeitsweg ist damit gesichert. Das nächste Projekt hatte Tobi außerdem an Land gezogen. Nein, immer noch keine Harley, eine Yamaha XS wurde es.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.