Harley-Davidson Shovelhead, 1340 Kubik, Starrrahmen, Springergabel, schön blau – wenn Frau Reuter ein Bike begutachtet

Sollen wir hier Werbung für Dickies machen? Wohl kaum. Dennoch darf der Firmenname nicht unerwähnt bleiben, denn diese Harley-Davidson Shovelhead entstand einst, als der damalige Dickies-Mitarbeiter Olaf den unbändigen Wunsch nach einem Promotion-Bike verspürte. Lässig-flockig gestaltet, gerne auf Harley-Basis. Der Gärprozess dieses Wunsches begann schon fünf Jahre vorm eigentlichen Bau der Shovel.

Arbeit für die Speedmonsters

Bis die finanzielle Kalkulation und das allgemeine Okay zur Notwendigkeit der Erfüllung dieses Wunsches durchgeboxt und in trockenen Tüchern war, hat es halt ein paar Jahre gedauert. Schließlich wurde Malte Kosack von Speedmonsters in Kiel mit dem Projekt betraut. Malte brauchte nicht ganz so lang. Ein Jahr nach Auftragserteilung später steht der Haufen auf eigenen Rädern und – hier dulde ich keine Widerworte – kann sich durchaus sehen lassen.

Speedmonsters-Malte entsann das Design der Shovel

Zwei sympathische Facts vorweg: Es ist ein echtes Custombike. Und es ist nicht teurer als ein Serienbike. Sowas soll uns Bastelheinis Mut machen!

Harley-Davidson Shovelhead als flottes Alltagskrad

Jeder weiß, dass 98 % aller Serienbikes aussehen wie sprühstuhlbehaftete Zirkustoiletten, aus denen erst der Besitzer das volle Potential ästhetisch zufriedenstellender Erscheinung herauskitzeln kann. Der Antrieb, aus einem gebrauchten oder auch neuen Fahrzeug ein ansprechendes Bike zu basteln, kann nicht genug gefördert werden. Und in meinen trüben Augen ist genau dieses Motorrad ein feines Beispiel dafür, wie man mit recht bescheidenem Aufwand ein flottes, sehr gut fahrbares Krad bauen kann, das alle Attribute eines klassischen Eyecatchers in sich vereint.

Schlank und frech mit Klassikdetails wie Springergabel und Apehanger und ein paar auffälligen Hinguckern entstand ein Bike, das perfekt zur Firmenphilosophie des US-Labels passt

Die technischen Leckerbissen liegen im Detail und offenbaren sich uns erst auf den zweiten Blick. Die Oldtimerfraktion wird nun aufbegehren und sagen, dass eine ’54er Harley ja nun von Haus aus toll aussehen würde, was richtig ist. Aber wir sind hier die wilden Jungs und keine Opas, auch wenn wir so riechen.

Darauf ein Bund Petersilie

Zünden wir uns also einen Bund Petersilie an und machen uns auf einen Rundgang um das Fahrzeug selbst. Das vor uns stehende Produkt ist aus den Ideen von Auftraggeber Dickies und Maltes Einflüssen zusammengewachsen. Zeit genug hatten sie ja. Als Ergebnis steht ein wirklich schön schlanker Chopper vor uns, der dem Piloten eine Sitzhaltung diktiert, die irgendwo zwischen affig und frech changiert.

Fahrbar und regelkonform steht die Shovel vor uns. Markante Details …

Wer einmal auf diesem Sattel gesessen hat, wird sofort das Vorurteil des unbequemen Choppers aus dem Hirn streichen. Man sitzt toll auf dem Motorrad. Der modifizierte Wannabe-Lenker hält die Ärmchen schön hoch und beschert dem Fahrer selbst in eher zarten Kurven die Illusion von starker Schräglage.

Repro-Springer für die Harley-Davidson Shovelhead

Senkt man das Auge, fällt der Blick auf irgendeinen Customscheinwerfer von irgendeinem Flohmarkt, geht weiter runter zur Springergabel und – hoppla, das ist ja mal ’ne ganz andere Springer! Richtig, das ist eine Reproduktion, die an das Design der uralten VL-Harleygabeln angelehnt ist. Klar, bremsen macht nicht unbedingt Spaß, schockt aber sehr, wenn es funktioniert. Darum haben wir hier eine Bremsscheibe im Vorderrad, die von der W&W-Springer-Zange angehalten wird.

… wie der gefräste Sternenkicker ändern an der Legalität des Oldschoolers nichts

Der stinknormale Shovel hat nun eine S&S-Ölpumpe mit höherer Förderleistung als das Original. Er verfügt über starre Stößel, deren Vorteile man in wochenlangen Gruppentherapien nicht ausreichend herauskristallisieren kann. Sie geben dem Motor ein Pfündchen mehr Biss – ob das aber den Verlust der Vorteile von Hydrostößeln wert ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich kenne genau diesen Motor seit vielen Jahren und darf verraten, dass er ausgesprochen gut geht.

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Deutlich fester im Antritt als die 1200er Luftpumpen, die ich privat bevorzuge, aber eben auch frecher und knackiger im Riss. Ein erstklassiges, treues Aggregat! Auf den Rockerboxen sieht man noch die Gravur des Markennamens, eine Unart, die sich bei Baumschülern und Omavergewaltigern in den Siebzigern durchsetzte und heute einen Hauch von »Vintage-Feeling« auf den Plan ruft. Gebrüllt wird durch eine Paugho-Upswept-Auspuffanlage, die überhaupt nicht nervt, sondern den alten Shovel sonor vor sich hin blubbern lässt.

Die Lackierung in Rex Gildo-Gedächtnisblau ist durchaus geschmackvoll

Lange Rohre sind eben durch nichts zu ersetzen, das wussten schon die alten Römer.Hinter dem Motor sitzt das Getriebe. Wir Klugschrauber nennen es »Dome-Getriebe«, wegen des hundekackeähnlichen Aufbaus oben drauf, in echt heißt dieses Teil »Rotary Top-Getriebe«. Ganz drollig ist der innere Primärkasten, der nach wie vor aus Alu besteht, während der Außendeckel dem Blechprimär angelehnt ist. Eine optisch sehr schöne Lösung.

Live und in Farbe

Die Lackierung in dominantem Rex-Gildo-Gedächtnisblau ist geschmackvoll eingesetzt, der aufgeweckte Fahrer trägt dazu ein hellgrünes Trevira-Oberhemd mit spitzem Kragen und ein Viertelpfund Geisha-Kugeln im Arsch. Toll gemacht ist auch das minimierte Stars&Stripes-Muster auf dem Tank, schicke Lines und wirklich schöne Schrift-Applikationen. Das eigentliche Dickies-Logo findet sich nur rechts auf dem Öltank und auf dem hervorragend punzierten Sattel.

Dickies-Logo natürlich auch auf dem punzierten Sattel

Insgesamt haben sich die Dickies-Leute da einen anständigen, sportlichen Eisenhaufen zugelegt, der mehr als ausreichend Leistung hat und spielend zu händeln ist. Schade, dass die Jungs keine hellgrünen Trevira-Hemden im Angebot haben. Wie sang unser alter Freund Rex Gildo noch, bevor er sich aus dem Fenster warf? Hossa, Hossa …

Info | speedmonsters.de

 

 

Martin Reuter