Nach einem Bike mit gestroktem Ultima-Motor und 300er-Hinterreifen stand Carlos der Sinn nach etwas völlig anderem. Das Ergebnis: Ein Custombike mit Zweitakt-Bootsmotor!

Carlos arbeitet als Tierpräparator. Moderne Präparatoren sind richtige Künstler, was bei Carlos wohl in der Familie liegt. Sein Vater war ein bekannter und erfolgreicher Maler, der bei einer Reise nach Spanien seine Frau kennenlernte. Auch Carlos lebt seine künstlerische Ader aus. Er malt, zeichnet oder fertigt Skulpturen an, und wenn er dann noch Zeit hat, baut er ein Bike.

Tuckern statt schreien: Der 375-ccm-Zweitakter produziert seine drei Pferdestärken bei unfassbar gemächlichen Drehzahlen

Nach der Fertigstellung seines letzten, sehr aufwändigen Projekts, einem Breitreifenbike mit fettem Ultima-Motor, wollte der Schwede etwas komplett Gegenläufiges fertigen. »Die Idee war, ein Motorrad zu bauen, wie es sich die Leute im 19. Jahrhundert vorgestellt hätten«, erklärt uns Carlos. Den Grundstein legte dann ein ganz spezieller Motor. Carlos fährt fort: »Ich lebe mit meiner Familie auf einem Schiff. Daher wollte ich ursprünglich einen Schiffsdiesel verwenden. Aber selbst die kleinsten wiegen ja mindestens 200 bis 300 Kilo.

Ein Custombike mit Zweitakt-Bootsmotor

Dann erzählte mir jemand von den leichtgewichtigen Einzylinder-Zweitaktern aus den 1920ern. Wobei Leichtgewicht nicht wirklich stimmt, mein Motor liegt auch bei knapp 100 Kilo.« Der schlitzgesteuerte 375-ccm-Motor leistet spektakuläre 3 (drei!) PS. Dafür glänzt er mit einer anderen Eigenschaft. Seine maximale Drehzahl liegt bei nur 800 U/min. Das ist bei einem normalen Bike gerade einmal die Leerlaufdrehzahl.

Ursprünglich wollte Carlos einen Schiffsdiesel verwenden. Aber selbst die kleinsten wiegen mindestens 200 bis 300 Kilo.

Für den Motor musste Carlos einen eigenen Rahmen entwerfen und bauen. Der fiel natürlich starr aus. Auch die mit einer Blattfeder bestückte Gabel ist ein Eigenbau. Einige Teile stammen von einem alten Wäschemangler. Die Harley-Felgen sind so ziemlich die normalsten Bauteile an der »Moonshine Trickster«. Die hintere beherbergt eine Trommelbremse. Angesichts der geringen Leistung sollte sie ausreichen das Gefährt zu stoppen. Seine formidable Leistung gibt der Bootsmotor über eine Kette an das Vierganggetriebe einer alten BSA ab. Geschaltet wird über einen langen Hebel auf der rechten Seite, was die Bedienung der Kupplung mit der linken Hand ermöglicht.

Der Dreh mit dem Starter

Durch die große Kurbel an der Stirnseite wird der Motor gestartet. Im großen Rad steckt auch ein antiker Dynamo. Um nicht immer kurbeln zu müssen hat Carlos sich aus einem Rasenmähermotor und dem Rad eines Rollers einen eigenen Starterwagen gebastelt. Das neben dem Tank aufragende Kupferrohr leitet die Zweitaktfahne direkt ins Fahrergesicht. Zahlreiche Kupfer- und Messingparts sowie die Farbgebung verleihen dem Bike einen Hauch von Steampunk.

Der Reisekomfort des mit Hutmuttern verzierten Sattels dürfte recht nahe am Nagelbrett eines Fakirs liegen

Apropos Farbe. Die Jungs vom Area-51-Paintshop mochten das Projekt so sehr, dass sie die Lackierung umsonst durchführten. Auch sonst hatte Carlos viel Hilfe von Freunden, so dass er mit dem überschaubaren Budget von rund 2.500 Euro auskam. »Ich werde nun noch ein weiteres Bike aufbauen, das wird dann aber mein vorläufig letztes sein«, erzählt Carlos sentimental. »Denn ich plane mit meiner Familie eine Weltumseglung auf unserem Schiff. Keine Ahnung, wann wir dann wiederkommen.«

 

Charley Charles