In der Schweiz ist alles dreifach so teuer wie bei uns! Stimmt so nicht ganz, wenn man sich diese Harley-Davidson Forty-Eight anschaut

Ja, ist eben so, was soll ich machen?«, schmunzelt er. Mitte fünfzig, Anwalt, erste Harley – Beat aus Genf erfüllt die landläufige Meinung vom typischen Harleyfahrer punktgenau. Dabei ist die Geschichte, wie er zu seiner Sportster kam, tatsächlich etwas kurios. Und die, wie er ihr sanft eine kleine Schönheitskur verpasste, schon dreimal.

Das Moped-Thema im Kopf

Ein bisschen war das Thema Moped schon immer in seinem Kopf, erzählt er. Gespeist wurde es aus der Erinnerung an eine Kindheit in Italien, wo man schon mit vierzehn fahren durfte, die kleine Piaggio und ohne Helm. Und dann die Gedanken an die Vespa der Schwester, liebevoll aus einem kläglichen Zustand in Richtung echtes Zweirad restauriert, eine klassische Mopedjugend eigentlich.

An ordentlichen Schuhen und Sattel sollst du nicht sparen. Fast 600 Euro zahlte Beat daher für das Sitzkissen. Dieses stammt wie das Tank-Lift-Kit von H-D Genf

Aber dann passierte lange nichts. Gut, die Restaurierung eines Autos, aber Zweiräder, nein, wirklich absolut nichts. Zumal Jurastudium und Familiengründung wenig Raum für alte Träume ließen. Bis vor drei Jahren. Zufällig trifft Beat, der mittlerweile in Genf lebt, einen alten Freund wieder. Der fährt eine Harley Forty-Eight und erzählt, dass er sie verkaufen möchte.

Harley-Davidson Forty-Eight, aber keinen Führerschein

Es ist ein kurzer Moment der Überlegung und Beat kauft das Bike. Ohne einen entsprechenden Führerschein zu besitzen wohlgemerkt. »Es war wohl der richtige Moment«, sagt er, »der Sohn aus dem Haus, die Verantwortung etwas weniger, ein bisschen mehr Freiheit und irgendwie sturmfrei.« Dass sein Motorrad anders werden soll, da ist sich Beat sicher, aber ein typischer Szenegänger oder gar Schrauber, das ist er nicht.

Spiegel, Griffe und Rasten wurden bei W&W bestellt

»Und das weiß ich auch, weshalb ich mich an Dinge wie Motor, Auspuffanlage oder gar Bremsen (noch) nicht wagen würde. Man macht doch nix, was man nicht kann.« Aber das Interesse am Basteln, das ist trotzdem da. Er recherchiert im Internet und tastet sich ran, an die große Welt der Motorradteile, erlebt Aha-Effekte und liest sich ein. Entscheidet, was ihm gefällt und was nicht, und sammelt sich so seine Teile zusammen.

Knapp über 2000 Euro Teilekosten

Wir haben den Preis, den Beat dafür bezahlt hat, in unserer Kostenaufstellung schon von Franken in Euro umgerechnet. In einem Land, wo ein Kopf Blumenkohl gern mal acht Euro kostet, ist diese Rechnung tatsächlich relativ moderat ausgefallen und beweist, dass auch im Nachbarland günstiges Customizen eine Option ist. Tatsächlich hätten die Teile in der Bilanz nur knapp über 2.000 Euro verschlungen, was für Harley-Verhältnisse nicht übermäßig viel ist.

Beat hat sich gebaut, was ihm gefällt, in dem Rahmen, den er beherrscht. Er hat sich nicht selbst überschätzt und seine Zutaten sorgsam ausgewählt

Allerdings gönnt sich Beat noch etwas ganz Besonderes. Übers Internet stößt er auf den Schweizer Patrik Bundeli, den man als Zeichner mit großen Lackierambitionen bezeichnen könnte. Zu ihm schickt Beat den Tank seiner Sportster und lässt dem Künstler freie Hand beim Gestalten desselben. Im Ergebnis erhält er eine ungewöhnliche Lackierung, farbenfroh und im japanischen Tatoo-Style aufs Metall gebracht. Die treibt den Endpreis zwar nach oben treibt, ist aber auch ein einmaliger Eyecatcher.

Der richtige Schraubergeist

Und auch unser Anwalt Beat erweist sich beim Umbauen tatsächlich als einer mit richtigem Schraubergeist. Er hätte es sich leicht machen und zum Customizer gehen können. Wollte er aber eben nicht, weil selbst machen mehr befriedigt. Und weil er keine Werkstatt oder Garage besitzt, baut er sein Motorrad auf dem Boden einer Tiefgarage um. »Mein Auto war dabei praktisch meine Werkzeugkiste«, sagt er.

Beat schraubte sein Bike auf dem Tiefgaragenboden zusammen. Als rollender Werkzeugwagen diente der Kofferraum seines Pkws. So wie es ihm gefällt verbaut er Teile nach seinem Budget an die Forty-Eight. Der seitliche Kennzeichenhalter stammt von Warr’s London und die Satteltasche von Ends Cuoio aus Italien

In dessen Kofferraum lagerte er nämlich die Werkzeuge, die er benötigte, damit er sie nicht jedes Mal nach oben und unten schleppen muss. Stück für Stück baut er sich so seine Harley auf … und träumt schon von mehr. »Eine Springergabel schwebt mir vor« … wer sagt eigentlich, dass ein Rookie immer ein junger Kerl sein muss?

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.