Ein Extremschrauber aus Florida verwandelte eine Kawasaki H2 750 in einen kreischenden Digger mit radikler Linienführung.

Der Erbauer muss völlig wahnsinnig sein. Daran besteht nicht der allergeringste Zweifel. Als wir den Kawasaki H2-Digger auf Willies Old School Show in Daytona entdecken, stehen wir minutenlang mit offenem Mund davor. Stehen? Nein, wir knien, hocken, liegen darunter. Ohne zu wissen, wem der lang gestreckte Flachmann gehört, bestaunen wir die konsequent kantigen Bodyparts, die angeflanschte Magnetzündung, die konischen Triumph-Trommelbremsen. Plötzlich taucht Eric auf, den wir bereits von seinem abgedrehten Fatt-Hertha-BMW-Boxer mit Kettenantrieb her kennen. »Ist meine«, nuschelt er fast schüchtern und zeigt auf die Kawa.

Kawasaki H2 750 als radikaler Digger

»Ich habe vor ein paar Jahren mal für einen Typen zwei Springergabeln repariert. Dafür hat er mir zwei Kisten mit H2-Teilen gegeben«, beginnt Eric seine Geschichte. »Als kürzlich mein Freund Matt Interesse an einem wilden Zweitakter hatte, fielen mir die Kawa-Fragmente wieder ein.« Ein Digger sollte es werden, entschied Eric, mit Tank, Öltank sowie Schutzblechen im konsequenten Prismen-Style und mit Magnetzündung.

Gooseneck: Eine derart radikale Linienführung lässt sich nur mit einem extremen Rahmenlayout realisieren

Also schweißte er einen Starrrahmen mit integriertem Benzintank zusammen, pflanzte eine BMW-Gabel mit Eigenbau-Brücken in den Gooseneck und verbaute Speichenräder mit schmaler Bereifung. Der überholte Dreizylinder-Zweitakter erhielt den Magnetzünder aus einem Sechszylinder-Continental-Generator, den er über einen Zahnriemen mit der Kurbelwelle verband. Dazu der Extremschrauber aus Florida: »Einen 60 Jahre alten Magneten mit einem hochdrehenden Zweitakter zu montieren, ist nicht so einfach. Ich musste die Drehrichtung ändern, einen Antrieb konstruieren, jede Kerze des Dreizylinders mit zwei Kabeln des Sechszylinder-Magneten verbinden und ihn dann alle 120° feuern lassen.«

»Eigentlich stammt nur der Motor von der Kawa«

Passend zum kantigen Stil von Tank und Fender baute Eric die Auspuffanlage ebenfalls selbst: »Jeder Schalldämpfer besteht aus 15 Teilen, die ich per CAD gezeichnet und mit einem Programm berechnet habe, das nur 18 $ gekostet hat. Nachdem ich eine Menge von Variablen – etwa Bohrung, Hub, Steuerzeiten, Drehzahlen – eingegeben hatte, konnte ich das Volumen und den Konus für optimale Leistung bestimmen.«

»Die Linse des Rücklichts habe ich mit dem 3D-Drucker ausgeplottet«

Im Gespräch wird die Liste der selbstgebauten Teile immer länger. Lenker, Fußrastenanlage, Scheinwerfer im Prismen-Design. Selbst das Rücklicht stammt aus Erics Werkstatt, die er FNA Custom Cycles nennt. Das Gehäuse hat er aus Edelstahl gefräst, die Linse mit dem 3D-Drucker ausgeplottet. »Eigentlich stammt nur der Motor von der Kawa«, überlegt Eric kurz, »und die Lackierung, die hat mein Onkel Terry aufgetragen.« Der FNA-Mann tritt den Two-Stroke-Digger an, schafft sich mit kurzen, bellenden Gasstößen freie Bahn durch die verstörte Menge und beschleunigt hochtourig-kreischend, massiv qualmend und vor allem verdammt zügig davon. Wahnsinnig, keine Frage!

Info |  fnacustomcycles.com

 

Dirk Mangartz