Achtung, zweimal hinschauen. Dieser Bobber wird von einem Harley-Davidson Twin Cam mit drei Zylindern angetrieben und ist in seinem Ursprung ein Stück amerikanische Motorradgeschichte.

Jim Feulings Leben liest sich wie ein Roman, die Entwicklung eines Motors ist der Höhepunkt seiner erstaunlichen Karriere. Feuling, der aus Kalifornien stammt, ist Motorentwickler und Genie gleichermaßen. Er hält über 100 Patente, bricht mit seinen Fahrzeugen Geschwindigkeitsrekorde und entwickelt und lizensiert zahllose Technologien, unter anderem für Oldsmobile, Edelbrock, Bell Sports oder Shoei. Für Harley-Davidsons Evo-Modelle bietet die Firma Feuling zum Beispiel bis heute Vierventil-Umrüstsätze an.

Harley-Davidson Twin Cam mit drei Zylindern

Doch sein Meisterstück bleibt ein eigens entwickeltes Motorrad: Die Feuling W3 – mit drei Zylindern, wie bei Harley längs angeordnet. Die Idee hinter dem Projekt war simpel, denn durch den zusätzlichen Zylinder kann der Hubraum eines Twin Cams ganz einfach um 50 Prozent erhöht werden, denkt sich der Konstrukteur. Feuling entwickelt ein neues Kurbelgehäuse, auf das ein neuer Zylinder samt Kopf um 45 Grad nach unten versetzt verpflanzt wird.

In seinen Abmessungen ist das Originalbike zu lang und schwer für einen Bobber. Steve Stone erleichtert das Motorrad um knapp 50 Kilo, verwendet dafür vorwiegend Aluminiumlegierungen als Material für seine Teile. Durch den Bau eines eigenen Rahmens wird das Motorrad außerdem deutlich kürzer

Aus dem V-Twin entsteht ein Triple-Cam-W. Möglich wird das durch ein Hauptpleuel und zwei Nebenpleuel, eine Konstruktion, die bei Flugzeugmotoren mit radialer Zylinderanordnung auch heute noch angewandt wird. Dazu gesellt sich ein gewöhnlicher Rahmen, allerdings mit »gespaltenem« Unterrohr, um dem dritten Zylinder Platz zu geben. Der Motor leistet mehr als 150 PS. Feuling will mit seinem Geniestreich in Serienproduktion gehen, die Tests des Motorrades in den einschlägigen Zeitschriften hinterlassen begeisterte Journalisten.

Harley-Davidson Twin Cam wird zum Triple-Cam-W

Die Produktion von Komplettmotorrädern und Triebwerks- und Rahmenkits beginnt. Dann stirbt Jim Feuling überraschend im Jahr 2002. Doch seine Partner machen weiter, stellen sieben komplette Bikes fertig, dazu dreizehn zusätzliche Motoren, die allesamt verkauft werden. Einer dieser Motoren landet letztes Jahr bei Steve Stone aus Massachusetts. Und der entscheidet, aus der Feuling einen Bobber zu bauen.

Ein echter Triple: Wie bei einem Harley-V2 sind die Zylinder hintereinander angeordnet und die Pleuel wirken auf einen gemeinsamen. Den Namen »W« erhielt der Motor, da seine Form an den entsprechenden Buchstaben erinnert

Ursprünglich wiegt die W3 knapp 270 Kilo und hat einen Radstand von über 1750 Millimetern, alles zu viel für einen Bob Job. Stone entscheidet einen eigenen Rahmen mit integriertem Ölsystem zu bauen, der den unglaublichen Motor als »tragendes Element« in Szene setzt. Am Ende verkürzt er den Radstand auf 66 Zoll, etwa 1670 Millimeter. Da Stone bei Rahmen, Schwinge, Lenker, Tank und weiteren Teilen auf Aluminiumlegierungen setzt, verringert er dazu das Gewicht auf 220 Kilo, das sind 45 Kilo weniger als beim Original.

Trotz ihrer Wucht wirkt die W3 insgesamt clean

Das Farbschema des Bobbers ist in Silbergrau mit unglaublichen 50 verschiedenen Schattierungen angelegt. So wirkt das Motorrad je nach Blickwinkel in Edelstahl-, Aluminium-Metallic-, Nickel- oder Chromoptik. Ein Großteil der selbstgebauten Parts wird außerdem gebürstet. Trotz ihrer Wucht wirkt die W3 insgesamt clean. Den sauberen Look erreicht Stone durch Details wie innenliegende Kabelzüge und »unsichtbare« Drosselklappenverbindungen zu den drei Keihin-Vergasern.

Als der erste Prototyp der W3 seinerzeit gefahren wurde, sorgte er für Erstaunen. Typischer Harleysound und selbst im letzten Gang kann der Triple im Stil einer Vmax agieren. Erstaunlich potent und erstaunlich laufruhig

Die Verbindung wird über ein verstecktes Kettenglied gesteuert, das mit einem »unsichtbaren« Kabelzug über einen Twist-Griff auf der rechten Lenkerseite beginnt. Auf der linken Seite läuft die innenliegende Kupplung.  Ein einzelnes Pedal betätigt die Bremsen, dieses ist in zwei hydraulische Verteiler gesplittet. Elf Monate dauert der Aufbau der Stone-W3, ein wirklich ungewöhnliches Custombike ist das Ergebnis.

Info | stones-custom.com | feulingparts.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.