Wenn sich Design und Handwerk zu außergewöhnlichen Motorrädern verbindet, so kommen die Geschichten dahinter meist aus Japan, den USA, Frankreich oder Italien. Dabei stammt Bernhard Naumann, einer der größten Künstler unter den Motorradbauern, aus Österreich. Doch wer ist dieser Typ, der sich schlicht »Der Blechmann« nennt. CUSTOMBIKE auf Hausbesuch im Burgenland.

Eine Norton Commando, umgebaut zu einem exklusiven Chopper, sorgte 2010 in unserer Redaktion für Aufruhr. Auf der Daytona Bike Week hatten wir das außergewöhnliche Motorrad entdeckt, fotografiert und schließlich auf unser Titelblatt gehoben. Einer der Köpfe hinter dem Ausnahme-Chopper war Bernhard Naumann, damals einer der Protagonisten bei »Blech und Drüber« – die Norton machte die kleine Firma über Nacht weltbekannt.

Mit dieser Norton Commando kam der Blechmann 2010 auf die Titelseite der CUSTOMBIKE

Und bis heute ist sie in unseren Augen nicht nur einer der besten Chopper, die je in Europa gebaut wurden, sondern in all ihren Details eine Demonstration für die Bewahrung alter Handwerkskunst. Die Kombination aus Materialien wie Metall, Holz und Leder, dazu technische Raffinessen wie zum Beispiel die Gas- und Bremsseile, die teilweise in den Rahmen integriert wurden und über eigens konstruierte Umlenk- und Führungsrollen laufen, suchen bis heute Ihresgleichen. Es war nicht das letzte Mal, dass sich unsere und Bernhards Wege kreuzten.

Der Blechmann – Künstler und Handwerker

Viele Male trafen wir uns auf Veranstaltungen, zwei weitere seiner Bikes zeigten wir in großen Porträts und schielten immer wieder voll Bewunderung zum mittlerweile zur One-Man-Show gewordenen »Blechmann« nach Österreich. Bis heute lässt sich der Künstler und Handwerker Bernhard Naumann in keine Schublade stecken. Seine Basisbikes variieren wie der jeweilige Stil seiner Motorräder. Wobei, eigentlich folgt er bei kaum einem seiner Motorräder einer der festgelegten Umbau-Kategorien. Bernhard provoziert und polarisiert – wohlgemerkt auf höchstem technischem und handwerklichem Niveau.

Für den Karpatenhund gab’s für den Blechmann nicht nur den »Best of Show«-Pokal in Bad Salzuflen, sondern auch den »Willie G. Davidson Design-Studio-Award« von Harley-Davidson

Auf unserer CUSTOMBIKE-Show bringt uns der Blechmann wieder einmal zum Staunen. Seinem »Karpatenhund« wird die größte Ehre zuteil, die wir vergeben können. Wir küren das Bike zum »Best of Show«-Sieger unserer Messe. Geplant war ein klassischer Chopper, geworden ist es der Karpatenhund – eine 1200er Sportster, die massiv polarisiert, aber doch über jeden Zweifel erhaben ist. Dieser Wolf im Schafspelz wartet nämlich nicht nur mit einem unglaublichen Design, sondern auch mit unglaublichen Gimmicks auf.

Ein im absolut positiven Sinn verrückter Autodidakt

So steckt unter der vermeintlichen Trommel eine normale Scheibenbremse, die Federbeine sind mit einer Wippe verbunden und werden am Rahmen angelenkt, der Öltank sitzt über dem Motor und ist wie der Benzintank auch direkt in die Verkleidung integriert – nur um ein paar Beispiele für abartige Detailarbeit zu nennen. Dafür erhielt Bernhard Naumann unter anderem den »Willie G. Davidson Design Award«, der in seiner Geschichte überhaupt erst sieben Mal verliehen wurde. Es wurde Zeit, den im absolut positiven Sinn verrückten Autodidakten zu besuchen und mit ihm zu sprechen.

CUSTOMBIKE im Gespräch mit dem Blechmann

CB: Du hattest zur CUSTOMBIKE-Show gut 1000 Kilometer von Ostösterreich nach Bad Salzuflen heruntergespult. Hast du damals schon an einen Sieg gedacht?
Bernhard: Nein, damit hab ich ganz und gar nicht gerechnet. Vielmehr war das Ganze eher ein großer Zufall. Ich wurde ja von euch eingeladen, den Norton-Chopper, die »Walton«, in der Ausstellung »Save the Choppers« zu präsentieren. Weil wir noch Platz für ein zweites Bike in unserem Bus hatten, hab ich einfach den »Karpatenhund« mit eingepackt und gut war’s. 

Erzähl uns ein wenig von dir.
Zurzeit lebe ich in Drosen, einem Ortsteil der Marktgemeinde St. Martin an der Raab. Das ist der südöstlichste Zipfel des Burgenlandes im Dreiländereck Österreich-Ungarn-Slowenien. Und mehr gibt es dazu eigentlich auch nicht zu sagen.

Wie bist du dazu gekommen, Motorräder zu bauen?
Bis zu meinem 25. Geburtstag hab ich eigentlich gar nichts mit Motorrädern am Hut gehabt. Ich habe zwar schon immer gerne an Fahrzeugen herumgeschraubt, aber meine Favoriten waren da eher die luftgekühlten Dinger wie Käfer oder 2CV. Schon damals waren meine Umbauten aber »anders«. Flügeltüren an einem Käfer sieht man wohl nicht alle Tage. Mein erstes Bike war die Yamaha FZX eines Freundes. An diesem Motorrad durfte ich mich austoben – und bekam Lust auf mehr. 

Wie sah dein beruflicher Werdegang aus?
Klassischer Pflichtschulabschluss mit mäßigem Erfolg – lediglich im Werken und Zeichnen hatte ich eine Eins. Danach begann ich eine Lehre als Karosserieschlosser. Die Arbeit mit Metall machte mir zwar Spaß, aber nur verbeulte Kotflügel und zerkratzte Stoßstangen auszuwechseln war nichts für mich. So hielt ich mich einige Jahre mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Mal baute ich Kachelöfen – ja, das kann ich auch – oder verdiente mit Lackierungen oder Airbrush ein paar Scheine. Bereits damals habe ich an eine Selbstständigkeit gedacht. 2006 gründete ich schließlich mit einem Bekannten die Firma »Blech und Drüber«. Hier entstanden ein paar echt geile Bikes. 2010 habe ich meine eigene Firma »BLECHMANN« gegründet und bin seitdem als One-Man-Show unterwegs.

»Hightech gab es bei mir nie und wird es auch nie geben«

Du hast mit der Walton, einem Norton-Chopper, das erste Mal Aufsehen erregt.
Ja, die »Walton« war ja auch das Bike, das ich auf eure Messe nach Bad Salzuflen mitgebracht hatte. Es war damals ein ziemlich aufwendiges Projekt, an dem nahezu alle Teile handgefertigt sind. Handgefertigt ist hier wohl das richtige Wort, mich zu beschreiben. Hightech gab es bei mir nie und wird es auch nie geben. Mit Feile, Hammer und viel Schweiß entstand seinerzeit der Chopper. Zum ersten Mal wurde das Motorrad auf der damaligen Bike Expo in Padua präsentiert. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Für den dritten Platz der Bikeshow in Padua gab es ein Ticket zur Customshow nach Daytona. Dort erreichte die Walton Platz zwei. Von den USA aus ging es direkt nach Mainz zur Custom-Europameisterschaft und danach wieder zurück über den großen Teich, um an der Weltmeisterschaft teilzunehmen. Dort konnten wir den sechsten Platz abräumen.

Wie kommt man zu so verrückten Ideen wie zum Beispiel Teile einer Waschmaschine in ein Bike zu bauen?
Hin und wieder will ich provozieren. Sündteure Teile aus Zubehörkatalogen an ein Bike zu schrauben ist eine Sache, Teile zu kreieren und selbst zu bauen eine andere. Wenn ich also zum Beispiel Teile einer Waschmaschine in ein Bike einbaue, dann muss es einfach passen. Manchmal spielen auch Zufälle eine große Rolle. Ich gehe einfach mit offenen Augen durch die Welt und habe mehr Ideen als Zeit. Leider musste ich daher allerdings auch schon oft Ideen ausmustern. 

Triumph des Herzens – Die Triumph Speed Triple ist Bernhards Privatbike. Seine Idee: Alles Plastik weg, viel Blech drauf und alles extrem kurz und knackig auf die eigenen Bedürfnisse anpassen. Das Motorrad ist legal zugelassen und geht wie der Teufel

Hast du Vorbilder, die dich in deiner Arbeit beeinflussen?
Vorbilder hab ich sehr viele, allerdings niemand konkreten. Ich lasse mich gern von Malern oder Handwerkern, aber auch von einfachen Küchengeräten inspirieren, die Mechanik eines Toasters zum Beispiel. Wie gesagt, ich halte meine Augen einfach immer offen.

Das Bearbeiten von Blech ist eine besondere Herausforderung. Worauf hast du dich dabei spezialisiert?
Aluminium ist da mein absoluter Favorit, denn es lässt sich sehr schön bearbeiten. Mein Ziel wäre es, ein Raumschiff aus Alu zu bauen.

»Ich habe meinen Stil gefunden und werde dem auch treu bleiben«

Du hast dir mittlerweile auch Fähigkeiten angeeignet, die nur wenige beherrschen.
Ja, ich lerne gern dazu und versuche, meinen handwerklichen Horizont ständig zu erweitern. Das Bearbeiten von Blechen aller Art ist mittlerweile Standard. Aber 2016 gab es selbst für mich einen Quantensprung. Es galt, für eine Harley einen speziellen Motordeckel anzufertigen. Da war ich mit meinen Schweißkünsten auch am Limit. Also befasste ich mich mit dem Formenbau. Geht eigentlich ganz easy und mein erstes Gussteil passte perfekt. Jetzt bin ich in der Lage, Gussteile auch in Kleinstserie anzufertigen.

Wie betrachtest du die momentane Szene?
Es gibt in dieser Szene einen steten Wandel. Ich denke, dass die Zeiten vorbei sind, in denen billig gebaut wurde. So galt es ja eine Zeit lang als cool, alles nur mit Kabelbindern und Isolierband lieblos am Bike zu fixieren, Teile brutal vom Rahmen zu flexen und nur behelfsmäßig zu montieren. Handwerk ist heute wieder gefragt. Und damit meine ich nicht sündteure, aus dem Vollen gefräste Gabelbrücken oder Ähnliches, sondern liebevoll händisch gefertigte, passende Einzelteile. Die Szene besinnt sich wieder auf ihre Wurzeln. Mich persönlich beeinflusst dies jedoch nicht. Ich arbeite seit jeher mit viel Liebe fürs Detail an meinen Projekten, habe meinen Stil gefunden und werde dem auch treu bleiben. 

Steyr Strömer – Über die Jahre 2014 und 2015 baute der Blechmann dieses von Artdeco-Elementen der 20er Jahre inspirierte Gefährt auf Basis eines Puch Steyr Waffenrades. Naumann experimentierte dabei mit verschiedenen Verkleidungen

Du hast über die Jahre auch einige Fighter verschönert. Ist die Fighterszene tot?
Nein, knackige, kurze Bikes gab es schon immer und wird es auch immer geben. Zwar ändert sich regelmäßig der Stil – das ist so wie bei der Mode –, aber schnelle, abgespeckte, böse Bikes haben nach wie vor ihre Berechtigung und ihre Fans. Das Einzige, was mich, den Blechmann, an diesen Dingern stört, ist das viele Plastik.

Was war dein schrägstes Projekt?
Schräge Projekte gab es einige, doch ein Highlight war mit Sicherheit die oben schon erwähnte »Custom-Waschmaschine«. Damals war ich noch mit »Blech und Drüber« in Faak mit einem Stand vertreten. Da galt es einfach, unten den vielen anderen Ständen herauszustechen. So haben wir kurzerhand eine alte Miele-Waschmaschine getuned und mit allerlei Blechapplikationen verschönert. Die Besucher waren begeistert und die Miele wurde ununterbrochen fotografiert. Momentan arbeite ich zum Beispiel auch an einem Pferdefuß in Echtgröße. Hier verarbeite ich die ganzen Blechreste, die nach einem Arbeitstag herumliegen. Bis zum ganzen Gaul ist es jedoch noch ein weiter Weg.

Schnelle, böse, abgespeckte Bikes haben nach wie vor ihre Berechtigung

Was hat sich nach deinem Erfolg in Bad Salzuflen ereignet?
Das war für mich eine große Sache und auch für den Josef, den Besitzer des Karpatenhundes. Vom Erfolg dort beflügelt, nahmen wir die Einladung zur Moto Bike Expo in Verona wahr. Ohne Erwartungen, nur wegen des Spaßes an der Freud. Da gab es den zweiten Platz in der »Best of Show«-Wertung, doch nicht nur das. Harley-Davidson überreichte mir quasi persönlich den »Willie G. Davidson Design-Studio-Award«. Nur sieben Customizer weltweit haben diesen Preis bisher bekommen. Und jetzt steht einer davon in Sankt Martin an der Raab im Südburgenland. Mit solch einer Auszeichnung habe ich überhaupt nicht gerechnet und bin auch sehr stolz darauf. Wäre ich Schauspieler, wäre das der Oscar. 

Info |  blechmann.at

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.