Ein Scrambler-Umbau wie tausend andere? Nein, denn diese Honda CB 250 hier ist ein Unikat, das es nur so einmal auf der Welt gibt.

Zehn Jahre lang ist Carsten Estermann kein Motorrad gefahren. In der Motorradszene ist er trotzdem fest etabliert. Als Graveur hat sich der Kölner in den letzten Jahren einen Namen gemacht, war einer der Vorreiter in Deutschland, als es darum ging, alte Handwerkstechniken neu zu beleben und langfristig zu etablieren. Die Früchte der Arbeit ernten er und andere heute, wenn aufwendig handgemachte Teile aus Metall, Holz und Leder ebenso wie Lackierungen, Pinstripes oder eben Gravuren neben der reinen Technik eines umgebauten Motorrades wieder einen großen Stellenwert genießen.

»Ich bin eigentlich chopperverliebt«

Als Carsten sich entschließt, wieder Motorrad zu fahren, ist es nur logisch, dass sein Bike auch eine Referenz und Visitenkarte für seine Arbeit sein wird. »Ich bin eigentlich chopperverliebt«, erzählt er uns, entscheidet sich beim »ersten« Bike aber trotzdem für was Leichtes, Spritziges, »mit dem ich auch einfach mal schön durch Köln brettern kann.« Vielleicht wird es zukünftig mal eine Harley in seinem Fuhrpark geben, für den Moment liegt sein Augenmerk auf der kleinen Honda CB 250.

Auf etwa 100 Arbeitsstunden beziffert Carsten die Gravuren an seinem Bike. Dabei setzt er verschiedene Techniken ein. Am Getriebedeckel zum Beispiel wurde erst graviert, dann in den Vertiefungen geschwärzt

»Ob Honda oder Kawa, das war mir eigentlich egal«, durch Zufall wird es der kleine Zweizylinder. Für die technische Seite des Umbaus zeichnet Fellows Motorcycles aus Essen verantwortlich. Customizer Alex hat sich dort auf luftige Scrambler spezialisiert, baut außerdem bevorzugt die klassischen Honda-CB-Modelle um. An Carstens Bike belässt er den Motor technisch original, lediglich offene Filter und eine selbstgebaute Auspuffanlage sind Pflicht. Sauber eingestellt laufen die CBs nämlich auch nach 40 Jahren noch astrein und machen einfach Spaß.

Honda CB 250 als Low-Budget-Scrambler

Der Rahmen wird gecleant und eine Elektrikbox gebaut, um das Rahmendreieck freizuhalten, Gabel und Schwinge bleiben serienmäßig. Die Federbeine sind Marke Honda, kommen aber aus einer großen 750er. Shinkos auf die Felgen, Scrambler-Sitzbank bauen, Fender gestalten, die zu großen Instrumente gegen unauffällige ersetzen. Bis hierhin ist die Honda ein normaler, lässiger Scrambler, den man durchaus als Lowbudget-Bike bezeichnen kann. Bis Carsten loslegt.

Für die technische Seite zeichnet Customizer Alex verantwortlich, er macht aus der CB einen luftigen Scrambler, mit freiem Rahmendreieck und minimaler Elektrik

»Für alle Gravuren an der Honda habe ich dasselbe Instrument verwendet. Letztlich unterscheiden sich die einzelnen Arbeiten lediglich durch die jeweils gewählte Drehzahl und den verwendeten Aufsatz«, erklärt der Graveur, der in diesem Fall nicht mit einem Handstichel, sondern mit einem rotierenden Instrument gearbeitet hat. Auf den ersten Blick zeigt sich die aufwendige Gravur des Motors. Der wurde zunächst teilweise hochglanzpoliert und außerdem großflächig graviert. Die Gravuren wiederum sind teilweise von Hand geschwärzt, was eine besondere Tiefe verleiht.

Honda CB 250 – For pleasure only

Anders die Technik auf dem Tank. Mit einer wahren Flut an eng gesteckten Buchstaben graviert Carsten seinen eigenen Namen, »The Engraver«, und den seines Customizers immer wieder in die Flanken des Spritgefäßes. Auf dem verschraubten Schild mit dem Bikenamen arbeitet er dagegen mit kleinen Bohrungen. Und hier wäre auch unsere einzige Kritik an der Arbeit. Die zwei Schrauben, die das Namensschild halten, stören in unseren Augen die Ästhetik. Carsten hat Verständnis, »da kann ich eure Kritik schon nachvollziehen.«

»Für alle Gravuren am Motorrad habe ich dasselbe Instrument benutzt. Die einzelnen Arbeiten unterscheiden sich dabei nur von Drehzal und verwendetem Aufsatz.«

Gravuren finden sich übrigens nicht nur auf den Tankseiten, sondern auch obenauf, gearbeitet in den Originallack. »Bei der Arbeit mit einem Stichel würde der Lack platzen, daher ist hier die Verwendung des rotierenden Instrumentes von Vorteil«, erklärt Carsten. Und last not least verrät die Arbeit auf dem Getriebedeckel, wo die Reise der Honda hingeht. »For pleasure only« … wahrlich ein Vergnügen, in dieser außergewöhnlichen Arbeit zu schwelgen.

 

Im Gespräch mit Carsten Estermann, Graveur

CB: Wie bist du auf das Gravurhandwerk gestoßen und seit wann übst du es professionell aus?
Carsten Estermann: Ich habe damals meinen Fahrradrahmen mit einem kleinen gravierten Schriftzug versehen, weil ich einfach Lust drauf hatte, es auszuprobieren. Jahre später sah das ein Kumpel und wollte einen Zuckerschädel auf der Heckklappe seines alten Käfers. Gesagt, getan. Das war der Anfang von meinem heutigen Business. Durch meine zahntechnische Ausbildung und über zehn Jahren Berufserfahrung habe ich die dementsprechenden handwerklichen Fähigkeiten. Der Rest war Try and Error. Ich graviere seit 2012 professionell.

Verstehst du dich als Künstler oder als Handwerker?
Beides. Ich denke, es ist Handwerkskunst. Dadurch, dass ich meist selbstentworfene Motive umsetzte und die Gravuren explizit an die Formen des Objektes anpasse, ist es zusätzlich künstlerisch und geht leicht in die Designrichtung. Es entstehen schließlich immer handgefertigte Unikate.

»Selten nehme ich mir die Freiheit und lehne Wünsche ab«

Arbeitest du exakt nur nach Kundenvorstellung oder nimmst du dir »künstlerische Freiheiten« in deiner Arbeit heraus?
Grundsätzlich freue ich mich über künstlerische Freiheit, da die Kunden im besten Fall wegen meines Stils zu mir kommen. Die meisten Motive werden von mir genau auf den Kunden zugeschnitten, jedoch setze ich zum Beispiel Logos eins zu eins um. Da muss ja das CI beibehalten werden. Selten nehme ich mir die Freiheit und lehne Wünsche ab.

Brauchst du für deine Arbeit absolute Ruhe und Konzentration oder hörst du zum Beispiel Musik bei der Arbeit und wenn ja, welche?
Ich brauche die Ruhe nicht wirklich. Konzentrieren kann ich mich auch im Trubel , zum Beispiel wenn ich live auf Shows graviere. Da stören mich viele Zuschauer nicht. Das habe ich im Laufe der Jahre gelernt. In meinem Atelier arbeite ich trotzdem ohne Musik, da ich die Geräuschkulisse von den Motorgeräuschen meines Handstücks und der Musik als zuviel Durcheinander empfinde.

»Vielleicht wird irgendwann eine Harley in meiner Garage stehen, aber fürs Erste reicht mir ein Bike, mit dem ich auch einfach mal schön durch Köln brettern kann.«

In einer Arbeit wie deiner stecken unter Umständen viele Arbeitsstunden. Wissen deine Kunden den Wert dieser Arbeit richtig einzuschätzen? Nicht nur den künstlerisch-handwerklichen, sondern auch den finanziellen?
Ja, genau, meist dauert es wirklich lange bis eine perfekte Gravur inklusive der Vorarbeiten wie zum Beispiel dem Design steht. Das können meine Kunden selten richtig einschätzen. Ich denke, ein Großteil meiner Kunden ist erstmal vom Preis überrascht, auch wenn wir gar nicht so weit auseinander liegen. Meist kommen wir aber sehr schnell auf einen Nenner. Es gibt auch immer die, die denken: Wieso, ich hab auch einen »Dremel« zu Hause. Das sind aber auch diejenigen ohne Gespür für das Thema. Die sollen dann gern selber im Keller rumdremeln. Wenn ein volltätowierter Kunde zu mir kommt und an meinem Preisen rummäkelt, frage ich ihn auch gerne was seine ganzen Tattoos gekostet haben. Handwerk muss in allen Bereichen teuer bezahlt werden. Warum soll ich da eine Ausnahme sein?!

»Das ganze Handcrafted-Thema hat sich sehr etabliert«

Wir haben das Gefühl, dass traditionelles Handwerk gerade im Motorradbau wieder mehr geschätzt wird als noch vor einigen Jahren. Empfindest du das ähnlich?
Ja, Handwerkskunst, jegliche Art von Unikaten und das ganze »Handcrafted«-Thema haben sich in den letzten Jahre sehr etabliert.

Info |  hand-engraved.de  |  fellows_motorcycles

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.