Bassi ist der Anarchist unter den deutschen Privatschraubern, denn auf TÜV und Zulassung legt er keinen Wert. Bassi schraubt um des Schraubens willen. Ihm genehmigen wir das, denn seine Bikes sind besonders – hier demonstriert an seiner Harley-Davidson Shovelhead.

Sebastian »Bassi« aus Traunstein in Oberbayern dürfte dem geneigten Custombike-Leser wahrlich kein Unbekannter mehr sein. Bereits mehrere Customprojekte haben seine Garage verlassen, zuletzt eine wunderschöne Triumph, die wir euch im Heft vorgestellt hatten. Es mögen schon da viele Leser über Bassi gejammert haben, denn der Junge baut zwar hervorragende Motorräder, aber eben ausschließlich für sich selbst und nicht für die Behörden.

»Ich möchte mich in meiner Radikalität nicht beschneiden lassen«

Und das mit erstaunlicher Konsequenz und einer einfachen Erklärung: »Ich möchte mich in meiner Radikalität nicht beschneiden lassen. Da geistern so viele Ideen durch meinen Kopf, dass ich hin und wieder sofort zur Umsetzung schreiten MUSS. Kompromisse möchte ich dann nicht eingehen.« Und so legt Bassi auch beim aktuellen Werk aus der Küche – er arbeitet eigentlich in einem Großhandel für Küchengeräte – keinen Wert auf Regeln.

Nicht nur, dass Teile des Unterzugs, der Gabel und das Verstärkungsrohr durch ungewöhnliche Form bestechen, obendrein wird das Öl durch den Rahmen geleitet. Zwei Liter Fassungsvermögen geben die Rohre her und machen einen Öltank überflüssig

Auslöser für den Aufbau der Shovel ist ein zersägter Nachbau-Starrrahmen, den der Traunsteiner für kleines Geld bekommt. Da der sowieso schon hinüber ist, kann Bassi sich so richtig daran austoben. Er ersetzt die Rahmenunterzüge – nicht durch gedrehten Vierkantstahl, wie es auf den ersten Blick aussieht, sondern durch einzeln auf der Drehbank manuell gefertigte Kugeln, die dann aneinandergeschweißt werden.

Harley-Davidson Shovelhead ohne klassischen Öltank

Die so entstandene Stange wird dann verschliffen, verchromt, poliert und als Teil des Unterzugs eingeschweißt. So entsteht ein einzigartiger, abgefahrener Look. Auch das Vorderteil der VL-Springergabel wird der Prozedur unterzogen, genau wie das Verstärkungsrohr unter dem Rahmenoberrohr. Als wäre das nicht genug, entscheidet sich Bassi für den Verzicht auf einen klassischen Öltank und beschließt, das Öl durch den Rahmen zu leiten und ihn als Reservoir zu benutzen. Auf rund zwei Liter Fassungsvermögen in den Rohren kommt er.

»Beamte und Legalitätsverfechter bitte gar nicht erst hinschauen: Für euch ist das hier nicht gebaut!«

Die Kühlung ist hervorragend, da viel Stahl vorhanden ist, an den die Wärme abgegeben werden kann. Final wird das fertige Rahmengestell in Schwarz mit Goldglimmereffekten lackiert. Bassi versucht bei seinen Projekten weitestgehend alles selbst zu fertigen. Bei der Shovel ist das – abgesehen von ein paar Verchromungsarbeiten – wieder gelungen. Mit beachtlichen Erfolgen an jeweiligen Einzelteilen. So entsteht der Friscotank zum Beispiel komplett aus Messing, daran wird linksseitig ein US-Police-Suchscheinwerfer angebracht.

Heckfender und die Fußrasten sind aus Messing gefertigt

Messing kommt auch an anderer Stelle zum Einsatz, im Prinzip ist alles, was messingfarben glänzt, auch aus dem Werkstoff gefertigt. Da wären zum Beispiel der kleine Heckfender und die Fußrasten. Die kurzen Auspuffrohre sind dagegen aus VA, auch ein Werkstoff, den Bassi gern nutzt. Und noch mehr Materialien kommen zum Einsatz, so wird bei den Fußrasten mit Holz gearbeitet, der Ansaugtrichter am Vergaser ist aus Glas. Der 1200er-Motor der Shovel dagegen wird weitgehend originalbelassen, bekommt jedoch eine Übermaß-Bohrung und erreicht so annähernd 1340 Kubik.

Meister der Gimmicks: In seinem gerade wirkenden Kickstarter hat Bassi einen Ausklappmechanismus versteckt. Bei Bedarf holt er das Kickerpedal raus und lässt es nach dem Starten wieder unsichtbar verschwinden

Allerdings muss es für die Zündung unbedingt ein Joe-Hunt-Magneto aus Rancho Cordova, Kalifornien, mit passendem gerippten Nockenwellendeckel sein. Das Getriebe wird nur überprüft, die Schaltung funktioniert – Bassi baut es lediglich auf Handschaltung mit Handkupplung um. Für die Räder wählt der Schrauber Alu als Material, vorn wird ein ultraschmaler Slick auf die 21-Zoll-Akront-Felge aufgezogen. Hinten wählt Bassi einen 18-Zöller, aus einem Harley-Scheibenrad mit zwei Autoschüsseln aufgedoppelt auf 5,5 Zoll. Für die Hersteller von Customrädern war das ein gängiges Verfahren, bevor Scheibenräder aus dem Vollen gefräst wurden.

Harley-Davidson Shovelhead – Trabbi-Blattfeder meets Stummellenker

»Eine Vorderbremse brauche ich nicht«, sagt Bassi im Hinblick auf die selbstgewählte Nonkonfirmität. Hinten verzögert eine Eigenbau-Ritzelbremse mit Stocker-Vier-Kolben-Kaliber. Dürfte Bassi sein Bike legal fahren, so würde er außerdem auf einer spartanischen Eigenbau-Pfanne, dünn mit Leder bezogen und gefedert über eine Trabbi-Blattfeder, sitzen. Bequem ist das in Verbindung mit dem Lenkerstummel sicher nicht. Das ist aber ja aus bekannten Gründen egal. Beamte bitte nicht hinsehen, für euch ist die Karre nicht gebaut.

 

Customizerkurt
Kustomizerkurt bei

Kurt Goller, Jahrgang 1965, schreibt als »Kustomizerkurt« für die CUSTOMBIKE. Der Zweiradmechanikermeister arbeitet im Hauptberuf bei SSCycle und steht auf alte Motorräder mit Charakter. So befindet sich eine 1977er Harley-Davidson Shovelhead FXE ebenso in seinem Besitz, wie eine 1991er EVO-Softail und eine 1994er Kawasaki ZR 550.