Huch, was bist du denn für eine? Und warum verbaut jemand so sackteure Räder in eine Kiste wie dich? Aufklärung tut not – wir schalten nach Bad Saarow, wo preußische Tugenden zum Aufbau einer ungewöhnlichen Honda CMX 450 führten.

Es muss so ungefähr 2006 gewesen sein, als Dirk Wohlgemuths Sohn für einen Preis von einem Euro eine 125er kaufte. Ja, richtig gelesen, einen Euro. Das Supersparbrötchen kam aus dem Hause Honda und war für Dirks Sohn gedacht, der nur einen kleinen Führerschein besaß, aber trotzdem ein Bike haben sollte. Zerlegt haben sie die 125 Rebel, machten sie fahrfertig und bauten sie mit einfachen Mitteln und einer neuen Lackierung um.

Umbauen ist nicht nur Dranschrauben, sondern Selbstentwickeln und Bauen

Dirk kann sich vor allem an den Spaß erinnern, den ihm die Kiste machte, und an den Motor, »den fand ich irgendwie gut«. Das Umbauen blieb ihm liebste Beschäftigung. So gibt es trotz seines Hauptberufes im eigenen Dachdeckerbetrieb seit einigen Jahren noch die kleine Motorradmanufaktur »W&B Custombikes«, die er zusammen mit einem Freund betreibt. Es sei vorweggenommen, dass er das Umbauen nicht als Dranschrauben, sondern als Selbstentwickeln und Bauen versteht. »Ich bau halt Sachen selbst, die ich im Prinzip auch kaufen könnte«, erklärt er und wir schwenken auf sein aktuelles Projekt um.

Alle Verkleidungsteile, wie zum Beispiel die Lampenmaske, entstanden aus Aluminium. Moderne CNC-Technik brauchte es dafür nicht, vielmehr dienten Pappschablonen als Vorlagen

Wie gesagt, den Motor der Honda mochte er schon seinerzeit, auch wusste Dirk, dass es da noch ein größeres Modell gab. Die Honda CMX 450 Rebel gab es allerdings in Deutschland nie, was bedeutet, dass es auch kaum Umbauten der Kiste hierzulande gibt. Doch zu sehr juckte es den Schrauber, noch einmal zur Rebel zu greifen. Und immerhin, eines der Importfahrzeuge konnte er 2016 abgreifen – das Bike wurde zu Höherem berufen. »Mal wieder richtig zeigen, was man so kann.« Vorm Vergnügen stand allerdings der Gang zur Dekra, denn die musste absegnen, was der Customizer im Kopf hatte, so Richtung Boardtrack, aber modern.

Die Honda CMX 450 Rebel wurde in Deutschland nie offiziell angeboten

Was für viele ein Ärgernis ist, sieht Dirk entspannt. »Man muss die Prüfer doch auch verstehen«, sagt er, »denn die halten doch im Zweifelsfall den Kopf für den Murks, den andere machen, mit hin.« Von einem kompletten Rahmenneubau verabschiedet sich Dirk dann schnell. Trotzdem, ein paar Änderungen am Fahrwerk sollte es geben. Vor allem die Schwinge ist ein Hauptpunkt, und statt zwei Federbeinen soll ein zentrales Monoshock verbaut werden. Dazu Upside-down-Gabel und Scheibenbremsen vorn und hinten. Der Prüfer gibt grünes Licht, allerdings nicht, ohne jedes Bauteil vor dem Einbau genau begutachtet zu haben. Es kann losgehen.

Die »Phantom« ist nicht das erste CMX-Modell, an dem Dirk gearbeitet hat. Zuvor hatte er bereits die 125er-Version einem Umbau unterzogen. Anders als die aktuelle sportliche Version, gab er dem Cruiser seinerzeit eine eindeutige Chopperlinie samt Apehanger und Sissybar

Das Basisfahrzeug wird komplett zerlegt, die Alu-Schwinge einer KTM grob angepasst. Zwingend dazu gehören die Räder, und die sind nicht nur ein echter Hingucker, sondern auch ein echter Clou. Wer nämlich hier von einem teuren, einzelangefertigten Radsatz ausgeht, könnte aus rein optischen Gründen richtig liegen, tut es aber in der Realität nicht. Beide Räder sind Vorderräder einer serientreuen Kawasaki VN 900 Custom. »Diese Radversion gab es bei Kawa in Schwarz und Silber. Und wenn man wie ich die silberne Version hochglanzverdichten lässt, kommt das dabei raus«, freut sich Dirk diebisch.

Honda CMX 450 mit Eigenbau-Ritzelbremse

Neue Radlager und die guten ostdeutschen Heidenau-Reifen geben dem Radsatz den letzten Schliff, Heilandsack, wirklich schön. Bevor die wundervollen Rundungen allerdings montiert werden dürfen, ist noch mal eine Menge Hirnarbeit gefragt, Antrieb und Bremse fürs Hinterrad müssen nämlich speziell angefertigt werden. Da es eine hintere Ritzelbremse mit TÜV in diesem Fall nicht gibt, ist Eigenbau das Stichwort. Dirk und sein Partner bauen das »Drive Side Break«, also Antrieb und Bremse auf einer Radseite, selbst. Bremsscheibe und Kettenritzel sitzen dabei auf einem Adapter aus hochfestem Aluminium, der PM-Bremssattel wird von einem separaten Bremssattelhalter getragen. Dazu können nun die Schwinge angepasst und Halterungen fürs Federbein an den Rahmen geschweißt werden. Während hinten Vollendung naht, macht sich vorn das nächste Sorgenkind breit.

So viel Arbeit in eine 450er Honda zu stecken – Wahnsinn, aber geil

In Bad Saarow hatten sie sich für eine Gabel samt Brücke von Marzocchi entschieden, die eigentlich in eine Moto Morini Corsaro gehört. Die Brücke passt natürlich nicht auf den Honda-Lenkkopf. Erst nachdem ein neues Gabeljoch und Passbuchsen für die obere Brücke gedreht und der Lenkkopf mit neuen Lagerschalen versehen ist, dürfen sie sich in Brandenburg auf die Schultern klopfen und ein Bier aufmachen. Der nächste wichtige Schritt ist getan. Das Fahrwerk steht nun ordentlich auf den Rädern, Zeit für die Kür, Auspuff und Bodywork.

»Wir zeichnen alles auf Pappe vor, passen an, dann wird gefräst«

Mit Aluminium können sie zwar gut umgehen, ein Computer, um Formen vorzuzeichnen, ist allerdings nicht im Portfolio der Traditionalisten. »Wir zeichnen alles auf Pappe vor, passen an, verwerfen, zeichnen neu, dann wird gefräst«, erklärt Dirk die Entstehung von Tank und Verkleidungsteilen, von Lampenmaske, Seitendeckel Heckfender oder Bugspoiler in einem kurzen Satz. Auch die Fußrastenanlage wird komplett neu und selbst gebaut. Der Auspuff entsteht als 2-in-2-Anlage aus Stahl mit Alu-Endstücken und wird komplett verchromt.

… eigene Passbuchsen und ein neues Gabeljoch müssen gedreht werden, auch die Lagerschalen werden ersetzt

Die Verkleidungsteile gehen zum Hauslackierer »Streetgrafix« nach Berlin. Der zaubert ein flirrendes Lackkleid in Flake-Hellblau mit grafischen Elementen. Die Farbe Rot für die Sitzbank entscheidet am Ende Dirks Frau und beweist passenden Geschmack. Und obwohl der Zusammenbau natürlich den meisten Spaß bringt, ist noch mal ordentlich Fummelarbeit nötig. Strippen ziehen, Kabel und Gaszug in den Lenker, Lackteile montieren, never ending Story. Irgendwann aber, nach gut eineinhalb Jahren Bauzeit, ist auch das geschafft.

Für diese Honda CMX 450 hätte es auch eine kleine Harley gegeben

Dass die viele Arbeit die Honda am Ende zum quasi unbezahlbaren Einzelstück macht, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Denn das Geld, das an Material und Arbeitszeit in der Kiste steckt, würde auch locker für eine brandneue, kleine Standard-Harley reichen. Leidenschaft kannst du halt nicht mit Kohle aufwiegen. Punkt. 

Info |  wb-bikes.de

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.