Auf den ersten Blick einfach nur eine schöne Harley-Davidson Knucklehead, auf den zweiten Blick ein umgebautes Motorrad ohne jeden Fehler

Ich bin ein Hardliner, sagt Markus Roch, als wir über seine Harley sprechen. Wie die Umbauszene sich aktuell präsentiert, gefällt dem Schrauber aus Oer-Erkenschwick nicht unbedingt. »Es entwickelt sich in eine falsche Richtung. Da wird viel lieblos zusammengesteckt, von außen ganz hübsch, aber bei genauem Hinsehen viel Pfusch. Bikeshows werden von Motorrädern gewonnen, die nicht mal anspringen und vieles mehr.« Markus darf sowas sagen, weil er mit seiner Harley belegt, wie man mit Geduld, Leidenschaft und peniblem Arbeiten dem inflationär gebrauchten Wort Oldschool auch wirklich gerecht wird. Weil er weiß, wie es ist, mit Feile und Schmirgelpapier im diffusen Licht der Werkstatt bis in die Nacht an dem eigenen Ideal von Motorrad zu arbeiten. »Der Markus ist ein Pedant«, sagen seine Freunde, »und er hat schon immer die geilsten Karren gebaut.«

Harley-Davidson Knucklehead mit Matching Numbers

In der Szene ist Markus bekannt, nennt den Skateshop »Stuff from Hell« sein Eigen, hat schon HotRods gebaut und schraubt seit 20 Jahren an Motorrädern, das erste Bike eine Shovel im Starrrahmen. »Auch da bin ich straight, nichts anderes als Harley«, schmunzelt er. Die Knucklehead kauft er als komplettes Motorrad, alles original mit Matching Numbers, das ist ihm wichtig.
Das Bike ist ein halber Bobber, als es zu Markus kommt, er zerlegt es und beginnt mit dem Aufbau. In den Motor schaut er vorsichtig hinein, was er sieht, gefällt ihm, »da war alles ganz in Ordnung«. Zwei Dinge sind ihm trotzdem wichtig. Er möchte mit einem seltenen Linkert-Vergaser fahren, der bedingt besondere Voraussetzungen. Da der Linkert anders als gewöhnliche Vergaser »drückt und nicht zieht«, muss Markus den Gasdrehgriff selbst bauen.

Markus ist die problemlose Fahrbarkeit seiner Knucklehead sehr wichtig, daher alles Street Legal

Die schlichte Auspuffanlage mit den zwei parallel verlaufenden schmalen Endrohren fertigt er ebenfalls selbst. Der originale Starrrahmen hat kleine altersbedingte Macken, die vorsichtig gerichtet werden, bevor er gestrahlt wird. Die grauen Teile am Bike parkerisiert Markus. »Es gibt industrielle Techniken dafür, ich habe das aber selbst und ganz traditionell gemacht«, erklärt er.
Durch die Oberflächenbehandlung werden die Teile vor Verschleiß und Korrosion geschützt. Überhaupt ist klar, dass der Traditionalist auf Chrom verzichtet, »und poliert habe ich auch nur das, was im Original poliert war.« Bei den Rädern entscheidet sich Markus für 19 Zoll aus den 30er-Jahren, vorne wie hinten. »Das ist recht ungewöhnlich, die meisten nehmen zumindest vorne 18-Zoll-Räder«, erklärt er.

Zahlreiche Eigenbauten am Klassiker

Die Sitzschale fertigt er aus Metall selbst und findet in der Nachbarschaft eine Polsterei, die sie bezieht. Mehrere Muster lässt er sich davor zeigen, entscheidet sich für eins, der Polsterer verspricht, nur einen Tag für die Arbeit zu brauchen.  Am nächsten Tag morgens um fünf erhält Markus eine SMS »Sattel fertig«. Auch Pinstriper Maze aus Köln attestiert, »dass Markus kein einfacher Kunde ist.« Der stark modifizerte Mustang-Tank soll Flammen erhalten, entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten klebt Maze alles penibel genau ab, bevor er die Flammen auf den schwarz lackierten Tank und den Fender aufträgt.

Platz genommen: Während die Grundplatte für den Solositz in der eigenen Werstatt entstand, übernahm die Polsterung ein Fachbetrieb aus der Nachbarschaft

Den nächsten Spaß hat der Lackierer, der den Klarlack über den Stripes aufträgt. Und immer wieder abschleifen und neu auftragen muss, bis Markus mit dem Ergebnis zufrieden ist. Lenker und Fußrasten fertigt er ebenfalls selbst. Die Frontlampe ist ein alter Nebelscheinwerfer, das Rücklicht liegt schon ewig in der Werkstatt rum, passt aber perfekt in den geschwungenen Eigenbau-Fender. Die gewünschte Morris- Magneto-Zündung, die er komplett neu aufarbeitet, findet als letzte Komponente ihren Platz. Im Sommer dieses Jahres stellt Markus sein Bike fertig, alle Teile daran sind entweder selbst gebaut oder original Harley-Davidson, sogar sämtliche Schrauben stammen ohne Ausnahme aus Milwaukee.

Harley-Davidson Knucklehead – Ein Lichtblick

Acht Monate Bauzeit hat er investiert, »privat hatte ich in dieser Zeit einige nicht so schöne Dinge zu verkraften, aber die Knuckle war immer wie meine Sonne, mein Lichtblick. Eine schwarze Sonne halt, weil meine Gedanken seinerzeit oft etwas düster waren.« Aktuell hat der Schrauber ein neues Projekt im Kopf, kann sich aber durchaus auch vorstellen, im Kundenauftrag Teile oder Komplettmotorräder zu bauen. Dass er das Handwerk beherrscht, hat Markus eindrucksvoll bewiesen.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.