Raue Optik, perfekte Technik – mit seiner Harley-Davidson Knucklehead erfüllte sich Tom einen langgehegten Wunsch

Tom war motorradtechnisch vor 30 Jahren ein Exot und es könnte sogar sein, dass seine 1200er FX damals Anfang der 90er-Jahre die einzige 27-PS-Harley in Regensburg war. Der elende Stufenführerschein machte die Drosselung seinerzeit nötig, aber nicht nur das war an Tom und seiner Kiste so ungewöhnlich. In einer Zeit, in der es Harley-Dealer noch nicht flächendeckend gab und die Milwaukee-Kisten im Allgemeinen kaum zur Erstausstattung eines Zweirad-Neulings gehörten, war es doch mindestens schräg, dass ein knapp 20-jähriger schon den V-Twins verfallen war. Und ihr könnt es euch denken, das hat sich in der Folge auch nicht mehr geändert. »Shovel, Evo und Twin Cam, aber auch Sportys waren dabei«, zählt Tom auf – wobei der große Motorradwunsch ein anderer, ziemlich klar definierter, war. 

Technik – Einmal alles neu

Nun ist Tom sicher nicht der einzige, der vom Knucklehead-Motor träumt, halten nicht wenige ihn gar für den schönsten aller Harley-Motoren. Aber es wäre Tom zu profan gewesen, nur nach einem alten Motor oder einem fertigen Basismotorrad zu suchen, denn es gab gewisse Vorgaben, die er sich selbst gesetzt hatte. Und er wollte das Bike so aufbauen, wie er es seit vielen Jahren schon vorstellte. Dazu gehörte auch der Knickrahmen als gesetztes Fahrwerk, denn »Starrrahmen, das muss gar nicht zwingend sein, man kann auch ohne oldschool bauen«, sagt der knapp 50-jährige, dessen Anspruch es war, ein voll alltagstaugliches Motorrad zu besitzen. Und das entstand in diesem Fall aus vielen Einzelteilen, jeder Menge eigener Leistung und einem Motorenbauer von Format. Unter der rüden Schale des Bobbers schlummert nämlich ein Prachtstück von Antrieb, komplett neu aufgebaut aus einem vorhandenen Harley-Davidson Knucklehead V2, Baujahr 1947. 

Wo andere auf knallige Oldschool-Lackierungen setzen, geht Tom allenfalls mit dem Brenner drüber. Auch der Rahmen wurde lediglich mit der Dose lackiert

Seinen Meister fand Tom bei Motortechnic in Wernberg. Hier haben sie sich auf die Restauration alter Motoren spezialisert und können gar komplette Replikas von WLA, Knuckle und Co. bauen,
so gut, dass sie nicht von originalen Motoren zu unterscheiden sind. Im Falle von Toms Basismotor wurde daher nicht nur restauriert und überholt, sondern auch mit hauseigenen und wenigen zugekauften Teilen komplettiert. In diesem Zug lässt er auch das vorhandene Viergang-Domgetriebe einmal komplett überholen. Das kostet nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Geld, daraus macht Tom kein Geheimnis. Im Gegenzug bekommt er einen Antrieb, der ihn seit mittlerweile sieben Jahren zuverlässig durch den Alltag trägt. Dazu trägt wie schon oben erwähnt auch der Knickrahmen bei, gefedert, »ich muss niemandem mehr was beweisen«, sagt Tom.

Harley-Davidson Knucklehead – Alltagsbike statt Sammlerstück

Den Rahmen fand Tom einst bei einem Sammler, er wurde sandgestrahlt und dann einfach mit der Dose lackiert. Überhaupt steht Lack nicht im Fokus des Schraubers, vielmehr faszinieren ihn traditionelle Oberflächenbehandlungen, einige Teile wurden mittels Brenner abgeflämmt, anschließend gestrahlt und parkerisiert. Für den Bau seiner Zubehörteile kann Tom auf die Möglichkeiten seines Arbeitgebers zurückgreifen. Der gelernte Metaller sitzt heute im Büro eines Metallbaubetriebes. »Aber wenn ich was brauche, dann kann ich das im Betrieb nach meinen Skizzen und Zuschnitten herstellen lassen«, freut er sich. So entstehen zum Beispiel die diversen Halterungen für den Horseshoe-Öltank, für Tacho, Scheinwerfer, Rücklicht und vieles mehr. Dinge wie den Lenker – ganz sauber mit innenliegendem Gaszug – oder die Sissy­bar baut und schweißt Tom selbst. Details wie gebördelte und gebogene Ölleitungen oder gewebeummantelte Kabel lässt er sich ebenfalls nicht nehmen.

Unter der rüden Schale schlummert ein Motor, der aufwendig restauriert und überholt wurde. Aus Dank läuft die Knuckle seit sieben Jahren sauber und ohne Probleme

Auf manch andere Spielereien verzichtete er aber bewusst, um Ärger zu vermeiden. »ich möchte einfach keinen Anhaltspunkt zu Diskussionen mit der Rennleitung geben. Gerade bei Dingen wie Kennzeichenwinkel oder nicht mittigen Reflektoren«, erklärt Tom zum Beispiel den Verzicht auf einen seitlichen Kennzeichenhalter. Ebenso ist vorn ein Schutzblech zu finden, auch das hintere entspricht allen Normen. Der Primärantrieb läuft trocken im geschlossenen ­Kasten, alles Kleinigkeiten, die in der Summe einen absolut legalen Oldschooler abgeben, der technisch auf dem besten Stand ist, »und in dieser Hinsicht auch stets perfektioniert wird«, wie Tom versichert. Ist eben ein Alltagsbike, »ins Büro, in die Stadt, auf Treffen, ich fahre tatsächlich fast täglich damit.«

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.