Verspielt und trotzdem sauber, ausgestattet mit einem starken Motor – Aries Harley-Davidson Knucklehead ist eine Lehrstunde in Sachen Chopperbau.

Längst hat sich Arie van Schyndel zum ernstzunehmenden Chopperbauer entwickelt. Nicht, dass er nicht früher schon Bikes gebaut hatte – gern auf Basis von Honda oder Triumph – , aber der Durchbruch, der kam mit den Harley-Choppern. Legendär, wie sich Arie auf die Invited-Builder-Liste einer der wichtigsten amerikanischen Shows, der Born Free, gemogelt hatte. Und legendär auch, was er zeigte, als er ein Jahr später tatsächlich eingeladen wurde. Mit einer gestrippten Shovel öffnete Arie sich viele Türen.

Harley-Davidson Knucklehead – Augenmerk liegt auf dem Motor

Heute ist sein Shop »Vee Mfg« der Laden im nördlichen San Diego, in den man gehen sollte, wenn man einen Rahmen, einen neuen Lenker oder Sonstiges braucht. Auch eine kleine, feine Linie an Chopperparts bietet Arie an. Dass mit dem Bekanntheitsgrad die Erwartungen steigen, ist klar. Und so holte sich Arie für den Bau dieses Knuckle-Choppers Unterstützung an Bord, sein Augenmerk lag dabei auf dem Motor.

Arie schmälert seine Chopperrahmen gern und verbindet sie gekonnt mit Tanks oder Fendern. So entstehen schmale, saubere Linien

Bob Moreville ist nicht nur Rekordhalter in Bonneville, sondern auch ein ausgemachter Experte für getunte Motoren. Er pimpte den 46er Knuckle auf satte 1678 Kubik und wir wüssten zu gerne, wie. Das allerdings bleibt ein Geheimnis, wie die meisten Motorentuner verrät Bob seine Tricks nicht.

Harley-Davidson Knucklehead – Chopperlike poliert oder verchromt

Lediglich dass Arie auf eine Vergrößerung von Bohrung und Hub setzt oder eine scharfe Nocke zum Einsatz kommt, sollte klar sein. Und Arie lässt den Blick auf den Motor komplett frei, der verchromte Ventiltrieb ist entblößt, pure Technik stellt sich zur Schau. Alle Motorenteile sind chopperlike poliert oder verchromt. Um den fetten Zweizylinder im Rahmen zu halten, muss Arie sich ein bisschen was einfallen lassen. Aber gerade die Arbeit an den Rahmen zählt zu seinen Spezialitäten. Als Basis diente hier der alte Knuckle-Frame, allerdings in ziemlich fertigem Zustand.

Keine Cover, nichts verdeckt: Der 46er Knucklehead glänzt nicht nur durch Polierung und Chrom, sondern auch durch offen zur Schau gestellte Technik

Arie repariert die Guss- und Schmiedeteile und verstärkt den Rahmen durch den Einsatz von dickwandigeren Rohren für die Aufnahme des fetten Motors. Zu den Modifikationen am Rahmen gehört außerdem der Einsatz von Doppel-Wishbones, die sowohl an der Front als auch rund um die Sitzbank zum Einsatz kommen und den Rahmen so punktuell schmälern. Die Linie wird außerdem von Tank und Fender mitbestimmt, beide fungieren quasi als Rahmenelemente und sind fest im Oberrohr beziehungsweise dem Heckrahmen verschweißt, richtig saubere Arbeit.

Harley-Davidson Knucklehead – Cocktailshaker-Endtöpfe

»Den Auspuff hab ich aus ein paar Kit-Stücken und einigen U-Bend-Profilen geformt. Und ich finde meine Cocktailshaker-Endtöpfe richtig schön vintage«, reißt uns Arie aus unseren Gedanken. Mehr noch als die Rohre hat es uns der Lenker angetan, der über der selbstgebauten Springergabel thront. Eine Art Treppe bildet er und ist damit einer der außergewöhnlichsten Apes, die wir je gesehen haben. Während wir dieses Bauteil eher etwas too much finden, tut es uns die Sissybar mit dem bösen Teufelsschwanz doch mehr an, selbstgebaut nach den Vorlagen alter »Devil Tail Sissybars«, nur noch größer und mit noch mehr Style, wie uns Arie stolz erzählt.

Die Knucklehead bedient die Klischees alter Schule hervorragend. Wäre da nicht ihr extrem aufgemotzter Motor mit offener Technik

»Und für euren TÜV sicher ein Albtraum«, grinst Arie. Sicher, da hat der Kalifornier recht, und wir überlegen schön, was die Prüfer gesagt hätten Angesichts eines Öltanks, gebaut aus einem deutschen Wehrmachtshelm aus dem Zweiten Weltkrieg, oder einer Sitzbank, auf der sich jemand offensichtlich seines alten Flokatis entledigt hat. Unter der Sitzbank, kaum sichtbar, verbirgt sich außerdem ein kleines Batteriefach und die Ölleitungen. Auch eine besondere Lackierung sollte die Knuckle bekommen, dafür studierte Arie mit Lackierer Mark die Lackarbeiten von Larry Watson und Dean Lanza, zwei Ikonen früherer Lackierkunst.

Harley-Davidson Knucklehead – Deutscher Meermann?

Deren alte Techniken flossen in das lila Kleid des »German Merman« mit ein, über den Look des fertigen Bikes ist am Ende selbst Arie erstaunt. Warum das Motorrad den Namen »Deutscher Meermann« trägt, bleibt dagegen sein Geheimnis. »Vielleicht, weil alle immer nur über Meerjungfrauen reden und die Männer da komplett vernachlässigt sind. Außerdem mag ich Deutschland«, Arie lacht. Und scheiß auf den Namen, seine Knucklehead würde jeden authentischen Chopperbuilder der Sechzigerjahre mehr als stolz auf eine neue Generation machen.

Info | veemfg.bigcartel.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.