Jacco Reniers, besser bekannt als Royal Jack, ist der wohl gefragteste Lackierer der niederländischen Customszene. Eigene Projekte kamen bei guter Auftragslage immer zu kurz. Schluss damit, jetzt ist der Künstler endlich wieder auf der Straße – seine Harley-Davidson Ironhead macht’s möglich.

Jacco hat geschafft, wovon viele träumen, er konnte sein Hobby zum Beruf machen. Und das überaus erfolgreich, hat er als Royal Jack doch in den letzten Jahren eine Vielzahl der Custombikes aus Hollands schon lange boomender Szene veredelt. Die Schattenseite des Erfolges kennen Menschen wie er nur zu gut. Eigene Projekte? Keine Zeit, irgendwann. Lange Zeit fuhr der Lackierer selbst nicht mehr, ein sich mehr als zehn Jahre hinschleppendes Triumph-Chopper-Projekt wurde nie fertiggestellt, er verkaufte es.

Schnäppchen-Basis – Harley-Davidson Ironhead mit Unfallschaden

Doch es nagte an ihm, letztes Jahr entschied er endgültig, Schluss damit. »Ich musste endlich wieder aufs Bike, zwölf Jahre ohne waren genug.« Eine Ironhead-Harley mit Unfallschaden konnte er günstig kaufen. Er schlug zu, auch weil er wusste, dass der Motor von den Experten von Pro Street Motorcycles komplett überholt worden war, gerade mal 500 Kilometer hatte der auf dem Tacho, bevor der Unfall den Vorbesitzer zum Verkauf animierte. Und so war ihm die verzogene Gabel egal. Er wollte direkt mit dem Umbau beginnen, da meldeten sich die Behörden.

Die alte Springergabel aus dem Zubehör erwies sich als Glücksfall, an dem sich der weitere Umbau orientieren konnte. Mit ihrer Länge bestimmte sie die Linie des Umbaus maßgeblich

Das Zulassungsrecht in Holland ist anders als hier, es verlangte die Überprüfung des Motors, bevor die Harley-Davidson Ironhead für eine erneute Zulassung zur Debatte stand. Zum Glück keine größere Hürde, der Zweizylinder wurde ausgiebig getestest, er war völlig in Ordnung. Tatsächlich folgte ein erster Umbau, lediglich mit einer verlängerten Schwinge, weil Jacco die originale Sportster als zu kurz geraten empfand. Und weil die Lust aufs Fahren zu groß war, verzichtete er zunächst auf weitere Maßnahmen und spulte einige hundert Kilometer ab.

Harley-Davidson Ironhead mit starrem Heckteil

Trotzdem, der Wunsch nach einem Chopper wurde irgendwann zu übermächtig und das starre Heckteil, das die Amerikaner von Lowbrow im Angebot haben, lockte den Niederländer auch schon lange. Dazu mag er schmale Motorräder, »einfach meine Vorstellung eines Oldschool-Choppers«, wie er sagt. Die Richtung war somit gesetzt, das starre Heckteil wurde geordert. Und direkt nach Ankunft um fünf Zentimeter geschmälert. Die Befestigungspunkte änderte Jacco so, dass die Oberlinie des Hecks eine gerade Verlängerung des Originalrahmens bildet.

Sieht rotzig aus, ist aber so gewollt: Weil Jacco in seinem Berufsleben die buntesten Kundenwünsche erfüllt, durfte es beim eigenen Bike etwas weniger Farbe sein. Der Aufwand war trotzdem enorm, Jacco hatte dafür mit verschiedenen Techniken experimentiert

Auf einem Teilemarkt kann er eine alte Aftermarket-Springergabel erstehen, nur die Brücke fehlt, er baut sie selbst. »Die Gabel war wie ein Lottogewinn«, sagt er, »durch ihre Länge bestimmt sie die Linie des Bikes mit der leichten Neigung des Hecks maßgeblich.« Das Vorderrad hatte Jacco noch in der Garage rumliegen, nur mit einer Spulennabe versehen, also ohne Bremse. Die ganze Ankerarbeit fällt deshalb auf die Trommelbremse im Heck, »Leben am Limit«, grinst der Niederländer.

Tatsächlich sieht der Chopper verdammt nach Scheunenfund aus

Die Sitzplatte baut er selbst, Polsterer Marcel Miller bezieht sie mit Ziegenleder, »das sieht schön alt aus und passt deshalb gut«, erklärt Jacco seine Intentionen. Denn tatsächlich sieht sein Chopper verdammt nach einem Scheunenfund aus, der schon mehrmals am Straßenrand repariert wurde. Ein Showbike wollte der Lackierer nämlich von Anfang an definitiv nicht, vielmehr sollte das Endergebnis sich beim Bauen quasi von selbst zu einem Gesamtbild fügen.

Gerade mal fünfhundert Kilometer hatte der revidierte Motor auf dem Buckel, als die Ironhead als Unfallschaden gekauft wurde. Arbeiten daran waren in der Folge nicht nötig

So entstand das Luftfiltergehäuse aus einem rosa Tierfutternapf, an Bau und Montage des Öltanks erinnert er sich nur vage, »da floss viel Bier«. Selten sieht man so ein Gefäß quer montiert, der selbstgebaute Füllstandsanzeiger schlängelt sich wie ein Regenwurm über die Außenhaut. Dazu gesellen sich eine wahrlich krude Sissybar, gebaut unter anderem mit Teilen eines Gartenzauns, Doppelrücklicht, eigenwillige Auspuffendstücke, gehalten von Zubehör aus dem Autobereich, oder der »Bunny Bar«-Lenker auf knochigen, hohen Risern.

Grobe, sichtbare Schweißnähte am Heckfender

Und dann die Gangschaltung, die mit der Ferse bedient wird. »Das funktioniert gut, das haben schon andere vor mir gemacht.« Überdies grobe, sichtbare Schweißnähte am Heckfender, das Ganze nur überpinselt mit rostfreier Eloxidfarbe. Und auch wenn man es kaum glauben mag, am Ende kommt doch noch der Lackierer in Jacco voll zum Zug. Für den Tank hatte er mit verschiedenen Techniken experimentiert, dazu gibt es imaginäre Risse, tropfenden Rost, übergelaufenes Benzin und verschütteten Kaffee – die Effekte ergeben ein ganz und gar rotziges Bild, das zum Daily-Driver passt.

Nach zwölf motorradfreien Jahren hat es Jacco geschafft, er ist wieder auf der Straße. Sein Chopper ist echtes Understatement, vor allem mit dem Wissen, dass seine Lackierungen normalerweise zur europäischen High Class gehören

Nur oben auf dem Tank, da thront ein Lama. Fans des Computerspiels »Fortnite« wissen, wer das ist, Jacco erklärt: »Mein Sohn ist verrückt danach und ich mag es auch. Lama auf 300 – Insider wissen, was ich damit meine.« Als der Chopper endlich fertig ist, kämpft Jacco mit den Gefühlen. »Ich hatte bei der ersten Fahrt fast Tränen in den Augen, einfach weil es sich gut angefühlt hat, wieder auf einer Karre, meiner Karre zu sitzen.«

Info | royalkustomworks.nl


 

Floris Velthuis