Fünf Jahre Umbauzeit verschlang die Yamaha TR 1 im Hageman-Stil – ein Medizinstudent opferte dafür seine Freizeit
»Den Benzintank habe ich schon gekauft, bevor ich überhaupt das Motorrad hatte«, erzählt uns Michael. Auslöser für den Impulskauf war die umgebaute Virago von Greg Hageman, die er bei »Cafe Racer TV«, einer US-amerikanischen Serie, auf dem Discovery Channel sah.
Yamaha TR 1 – Kette statt Kardan
Hageman war seinerzeit der Erste, der den Tank einer Benelli Mojave auf die XV setzte – echte Pionierarbeit und für den Niederländer Michael Anlass genug, von einer Yamaha im selben Stil zu träumen. Allerdings suchte er als Basismotorrad bewusst keine Virago, sondern eine TR1, »weil sie im Gegensatz zu den Kardan-Choppern per Kette angetrieben wird«.
Sechs Jahre ist der Kauf des Bikes nun her, eine Saison lang fuhr er es serienmäßig. Mit dem Verkauf überschüssiger Teile holte er danach den Anschaffungspreis des Bikes wieder heraus. Was weiter verwendet werden sollte, fand seinen Platz zunächst im Garten der Eltern, nur mit einem Tuch abgedeckt. Das sollte sich später noch rächen.
Yamaha TR 1 – Klassischer Look war nicht angestrebt
Während sich Michael noch damit beschäftigt, Pläne für sein Projekt zu schmieden, bricht in der Customwelt ein wahrer Hype um die Viragos mit Benelli-Tank los. Doch der Sinn, ein Custombike aufzubauen, besteht definitiv nicht darin, am Ende wieder nur einer unter vielen zu sein. Also versucht der Student seiner TR1 einen ganz eigenständigen Stil zu verleihen: »Alle haben sie versucht, die Viragos möglichst klassisch aussehen zu lassen. Ich dagegen wollte es moderner: mit fetten Rädern, Upside-down-Gabel, potenten Bremsen, auffälligem Auspuff und einem cleanen Look.
Und, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, mit einer extra angefertigten Bananenschwinge am Hinterrad«, erzählt er. Allerdings ist Michael, was das Customizen anbelangt, ein echter Grünschnabel, die Yamaha ist sein erstes Projekt überhaupt. Eine große Herausforderung. Hunderte Bilder werden angeschaut und Internet-Blogs studiert, um Lösungen für die Umsetzung der ehrgeizigen Pläne zu finden. Seinem Traum vom Cafe Racer kommt er in den ersten dreieinhalb Jahren trotzdem kaum näher.
Irgendwann reift in Michael die Erkenntnis, dass er Hilfe braucht
Auf sich allein gestellt, im Schuppen der Eltern werkelnd, reift in Michael schließlich die Erkenntnis, dass er sich nach einer anderen Wirkungsstätte umschauen muss und Hilfe braucht. Die findet er in der Kickstart Garage in Amsterdam, was sich im Folgenden als echter Volltreffer erweisen soll. »Das sind wirklich fantastische Jungs, mit jeder Menge Ahnung von Motorrädern«, schwärmt Michael. »Sie haben mich mit Rat und Tat unterstützt und mir gelegentlich auch ihre Spezialwerkzeuge ausgeliehen. Ab diesem Moment nahm das Projekt unglaublich an Fahrt auf.«
Als blutiger Anfänger muss Michael trotzdem einiges in neues Werkzeug investieren – Geld, das fürs Motorrad fehlt. Auch deshalb ist der Student fest entschlossen, so viel wie möglich an der Yamaha selbst zu machen. Die Schwinge lässt Michael trotzdem sicherheitshalber von Gerard Kramer bauen, der in der Umbauszene unter dem Namen »Jerryt« bekannt ist. »Er ist professioneller Schweißer und ich wollte die Schwinge perfekt verarbeitet wissen, damit ich nicht eines Tages bei meinen Arbeitskollegen in der Notaufnahme lande«, lacht der Mediziner. Zwar ist die neue Schwinge genauso lang wie die Alte, aber deutlich breiter. Genau wie der Hinterreifen, der so trotzdem ohne Spurversatz perfekt mittig läuft.
Yamaha TR 1 – Die gesamte Front stammt von einer 2008er Yamaha R6
Jerryt bearbeitet ebenfalls den Tank, verlängert ihn dezent, damit er sich schön an den Sitz schmiegt. Auch für den kurzen Frontfender und die Auspuffanlage zeichnet er verantwortlich. Über die Gabel klärt Michael uns selbst auf: »Die gesamte Front, samt Bremszangen, unterer Brücke, Stummeln und Hebel, stammt von einer 2008er Yamaha R6. Obendrauf sitzt eine Brücke aus dem Zubehör. Die R6-Gussfelge wollte ich allerdings nicht verwenden, also musste ich da kreativ werden.«
Nach schier endlosem Messen, Ausprobieren und Einpassen findet er schließlich heraus, dass die Radnabe von Yamahas XV250 in die R6-Gabel passt. Haan Wheels speicht sie in eine 18-Zoll-Felge ein und das Problem ist vom Tisch. Auch die Elektrik übernimmt der Youngster selbst, installiert eine frei programmierbare Zündbox von Ignitech, um die Startprobleme des Motors in den Griff zu kriegen. Zudem erneuert er den gesamten Kabelbaum, der jetzt über eine M-Unit von Motogadget angesteuert wird, und verbaut einen Anlasser mit vier Kohlen statt zwei.
Yamaha TR 1 – So viele Leitungen wie möglich durch den Rahmen gezogen
Der hat mehr Power – auch dank einer Li-Ion-Batterie, die jederzeit ausreichend Saft aus ihren sechzehn Zellen schüttelt. Nach so viel Arbeit soll das Finish der Yamaha natürlich perfekt werden. Bei vielen der anderen Virago-Cafe-Racern, die Michael sich so gerne zur Inspiration anschaut, stören ihn die dicken, lieblos verlegten Kabelstränge. Deshalb zieht er so viele Leitungen wie möglich durch den Rahmen der TR 1. Ein Aufwand, der sich bezahlt macht. Vor allem diese Detailarbeit ist es, die das Bike sehr clean aussehen lässt.
Dazu tragen auch die versteckten Blinker bei, die der Hobbyschrauber geschickt ins Gehäuse des Scheinwerfers und des Rücklichts integriert. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, aber damit sind alle für den Straßenverkehr notwendigen Teile am Bike vorhanden. Nur motorseitig rächt sich die lange Standzeit unter freiem Himmel. Zwar hat Michael das Aggregat hübsch lackiert, allerdings läuft es beschissen. Unser Doc seziert den Patienten und diagnostiziert völlig vergammelte Vergaserinnereien, die nicht mehr zu retten sind. Ein Satz neuer Mikunis ist fällig.
Beim Bau von Custombikes läuft selten alles glatt
»Wie in der Medizin scheint auch beim Bau von Custombikes selten alles glatt zu laufen. Dann besteht die Herausforderung darin, das fehlende Puzzlestück zu finden«, weise Worte aus dem Mund eines Mannes, der mit seinen Vorlieben für Motocross, Freeride-Ski und Kitesurfen alles andere als das landläufige Klischee eines Arztes erfüllt. Und natürlich fährt er die TR1 auch zur Arbeit. »Alle in meinem Krankenhaus lieben es, wenn ich mit dem Motorrad vorfahre – auch die Schwestern«, grinst er.
Einfach schön . . .