Sein Name steht für Classic Customs par excellence. Udo Sacher ist seit über einem Vierteljahrhunder Herr über seine Firma U.S. Custombikes

Wann genau Udo die Nummer eins aller Chopperfilme zum ersten Mal gesehen hat? Er weiß es nicht mehr. »Vielleicht 1980?«, vermutet er. Auf jeden Fall ist er aber damals gleich angefixt, und jedes Mal, wenn er »Easy Rider« wieder sieht, sind es erneut die Maschinen, die Musik, die Landschaftsaufnahmen. Und ja, er will auch haben. Dem jungen Kerl fallen nun auch einige »Chopper« in seiner Region auf, gefahren von hier stationierten Amis und Rockern. Udo sammelt jetzt alles zum Thema. Er verschlingt Kataloge und Zeitschriften. Da will er auch mitmischen. Doch zur eigenen Firma, U.S. Custombikes, ist es noch ein Stück zu gehen.

Lange Gabel, Apehanger und Sissybar für die 50er Honda

Er weiß zu diesem Zeitpunkt schon, dass es bei Kassel eine Firma geben soll, die Chopperzubehör verkauft – aber für viel Geld und eigentlich nur passend für echte Motorräder. Udo fährt jedoch eine Honda CY 50. Ihr verpasst der Youngster die längeren Standrohre von Yamahas DT 80. Dazu wird ein Apehanger angeschraubt, mit 22 Millimetern Rohrdurchmesser; gekauft von Irmgard, der Verkäuferin im örtlichen Eisenwaren- und Fahrradzubehörladen. Eine Sissybar aus Flachstahl herzustellen, ist für den Schlosserlehrling außerdem kein Problem.

An Apehangern: Udo hätte in den achtziger Jahren leicht als Werners Double durchgehen können. Im Bild leicht versetzt zu sehen – Kumpel Chicken, der später unter anderem als Harleyhändler Karriere machen sollte

Der Umgang mit Eisen, Stahl, Feuer und Schweißdraht ist ihm zu der Zeit schon ins Blut übergegangen. Aus der Honda entsteht ein handgedengelter Feuerstuhl, der ihm manches Grinsen ins Gesicht treibt. Doch irgendwann ist Schluss mit lustig: Auf dem Heimweg von der Berufsschule zieht ein vierköpfiges Einsatzkommando den jungen Kerl samt Honda aus dem Verkehr. Die Hüter über Recht und Ordnung legen seinen Chopper still, »machen Scherereien, die kein Mensch braucht«, so der junge Udo Sacher, der anschließend sechs Jahre weg von der Droge Motorrad ist. Es dauert, bis der Albtraum aus seinem Kopf verschwunden ist. 

Horex Regina als Motorradideal

Irgendwann kauft Udo wieder US-Zeitschriften, aber da sind traditionelle Chopper mittlerweile out. Auch die flachen langgezogenen Digger sieht man kaum noch. Selbst der König der Chopper, Arlen Ness, baut immer mehr von Dragstern inspirierte flache Bikes im »Cafestyle«. Ein Club von US-Customizern – sie nennen sich selbst Hamsters – macht es ihm nach. Auf nordamerikanischen Straßen sieht die Dinger allerdings kaum einer. Auch für Udo kommt so was Überkandideltes damals nicht in Frage. Er mag nach wie vor Lenker, wie Peter Fonda einen an der Captain America hatte. Udos Motorradideal ist die Horex Regina, ein deutsches Bike aus den frühen fünfziger Jahren, das hierzulande bei den Motorradfahrern als Ikone gilt. Unverbesserliche und Alternative halten diese einzylindrigen Huddeln mit niedrigen Budgets am Leben … und so eine Horex hat schon Mitte der achtziger Jahre den Status der Unsterblichkeit.

Treuer Jünger: Einem Fan des Comichelden Werner war seine Horex Regina, das Bier und Party feiern wichtig

Und dann ist da noch der sprichwörtliche Schlag eines solchen Dampfhammers, ein Sound, der bei Senioren dieses »Ach, weißt du noch … früher«-Gefühl auslöst, ihnen Gänsehaut auf Arme und Rücken und ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Jüngere Zeitgenossen hingegen fühlen sich von dem Auspuffgetöse nur belästigt – das ist auch schon 1986 so. Udo zählt zu den Ausnahmen. Nicht ganz unschuldig an Udos Wunsch nach einer Horex ist außerdem ein gewisser Werner. Seit Anfang des Jahrzehnts schraddelt dieser nämlich mit so einer Regina durch den Comic-Blätterwald. Der Horex-Chopper fahrende Titelheld steht jetzt als Synonym für den unangepassten deutschen Biker. So eine Horex ist also genau das, was Udo sucht und schließlich günstig findet. 

Den TÜV ernst nehmen

Wie das Motorrad im Comic, so muss auch Udos Regina umgebaut werden. Wieder darf es als Lenker ein Ape sein. Diesmal kommt der jedoch von Magura und hat ein TÜV-Gutachten. Dazu ein breiter Hinterreifen, ein Solositz und unwesentlich lautere Fishtail-Auspuffendrohre. Die Geschichte mit der Legalität beziehungsweise den TÜV-Eintragungen wird diesmal ernst genommen. Ein kleiner Harleyshop in der Käsburger Straße in Würzburg erledigt das für Udo und kurbelt nebenbei das Verlangen nach einer Harley an. Zwar dringt er auch mit seiner einzylindrigen Horex in Geschwindigkeitsbereiche vor, in der sich die alten Harleys bewegen … doch irgendwie üben die V2 Motoren einen unglaublichen Reiz auf ihn aus. Und wenn – ja, so könnte das funktionieren – wenn er sie sich aus Einzelteilen zusammenbauen würde, dann wäre das auch finanziell zu stemmen.

Seit 2011: Customizer und Freunde Udos fahren zu Pfingsten mit ihm den »Bamberg Run«. Bobber oder Chopper sind dabei Pflicht

Bald holt er sich im Harleyshop einen Motor, ein Getriebe, einen Starrrahmen und eine Springergabel – alles originale alte Harleybrocken. Das Teile-Sammelsurium wird innerhalb eines Jahres zusammengesetzt und durch Richard Coley getüvt. »Damals fuhr man zum Tüven noch nach Hessen«, weiß Udo heute zu berichten. »Dort in Berstadt, in der Bäckergasse, hatte der Richard Coley seinen Laden«, fährt er fort. »Der war ein deutscher Schrauber, aber sein Vater war ein Ami.

1994 – Die Gründung von U.S. Custombikes

Der Richard importierte Motorräder aus den USA«, gibt’s die zusätzliche Info. Dieser Richard Coley bleibt lange Zeit eine von Udos Harley-Davidson-Anlaufstellen – auch noch in den frühen Neunzigern, als Richard den Custom Store in Aschaffenburg übernimmt. Längst schraubt Udo auch für Freunde. So wundert es keinen, dass er 1994 seinen eigenen Shop U.S. Custombikes eröffnet. »US steht natürlich für Udo Sacher«, das verschmitzte Grinsen in Udos Gesicht bestätigt die Zweideutigkeit des Kürzels. 

Fünf Zoll Hinterreifen waren out. Kontinuierlich breiter werdende Hinterreifen passten nicht mehr in Serienrahmen. Udo reagierte mit eigenem Rahmenbau

Was sich Udo damals so nach und nach im ehemaligen Stall seines Elternhauses, in der Sudetenstraße in Großheubach, einrichtet, dürfte eher als Werkstatt denn als Shop durchgehen. Aber weil zu der Zeit Ersatzteile von den Großhändlern nur an Firmen verkauft werden, die ein Ladengeschäft vorweisen können, wird bei den Belegfotos für die Anträge ein wenig geschummelt. Es klappt, U.S.Custombikes fängt an zu laufen – so gut, dass er 1995 ein Haus mit Nebengebäuden in der Röllfelder Straße erwirbt, wo er fortan Werkstatt, Shop und Unwesen treibt. 

Der Beginn der Breitreifenmanie

Zeitgleich mit Udos Einstieg in die Selbstständigkeit beginnt in der Customszene die Breitreifenmanie. Klassische fünf-16-Zoll-Hinterreifen sind out, jedes Jahr werden die Hinterreifen quasi um zehn Millimeter breiter. Im Rückblick läuft dem Oldschool-Fan Udo heute ein Schauer über den Rücken. Aber damals birgt der Trend gutes und relativ leicht verdientes Geld. Irgendwann machen bestehende Rahmen die ständige Verbreiterung der Reifen legal nicht mehr mit, also baut Udo eigene Rahmen mit TÜV. Die bieten einen seitlichen Versatz des Motors und des Getriebes, was den Einbau der fetten Walzen begünstigt. Individuell sind Varianten als Highnecker oder Low Rider möglich, da Udo die kompletten Fahrzeuge per Einzelabnahme legalisieren lässt. Dies alles hat allerdings mit der Einführung der Euro-3-Norm ein Ende. 

Nach Kundenwahl: Highneckeroder Low Rider – alles war möglich. U.S. Custombikes baute komplette Fahrwerke mit eigenen Rahmen

Als der 230er-Hinterreifen noch das Maß aller Dinge ist, muss er für seinen alten Kumpel Christoph »Chicken« Repp so eine Walze in eine Knucklehead einpressen und mit langer Springergabel ausstatten. Zunehmend erledigt er für Chicken Reparaturen, Aufbauten, Schweißarbeiten und Rahmenrichtarbeiten. Auch als Chicken 2008 im nahen Hettstadt das Harley-Davidson Würzburg Village eröffnet, reißt Udos Arbeit für seinen Kumpel nicht ab. In einem Außenlager baut Udo anbaufertige Kotflügelheckteile, Tanks und mehr für das Village. Unzählige verbogene Springergabeln hat er seitdem gerichtet. Heute ist er unzufrieden, wenn er nicht mindestens vier originale VL-Springergabeln – nebeneinander, in einer Reihe – im eigenen Shop stehen hat. 

U.S. Custombikes  – Back to Oldschool

Übrigens, anfangs der oben erwähnten wachsenden Hinterradgigantomanie hat Udo dem Stil wirklich etwas abgewinnen können. Doch als das Ganze dann in immer wahnwitzigere Dimensionen abdriftet, zeigt er dem Trend die lange Nase und wendet sich wieder dem Oldschool zu, zunächst allerdings nur für sich selbst. Obwohl, halt … eine Twin Cam mit 330er-Hinterreifen muss erwähnt werden. Sie bleibt ein Ausreißer! Unter allen Bikes, die er für sich aufgebaut hat, war sie das einzige mit Ultrabreitreifen. Glücklich wird er nicht damit, das Ding wird schnell verkauft. 

Classic Road Custom? Brauchen Udos Kreationen, die heute fast durchgehend auf altem Material basieren, eine Kategorisierung? Schelmisch spricht er selbst von »Gelsenkirchener Barock«

»Nach fest kommt ab«, sagt eine alte Schrauberregel. So war es auch im Motorrad-Customizing klar, dass nach »fett und glatt« schließlich »schmal und ruppig« kommen muss: Nach der Jahrtausendwende bricht der Oldschool endgültig wieder aus. »Gott sei Dank«, erinnert sich Udo, »ich wollte auch irgendwie nichts mehr mit dem Einspritzgelumpe machen.« Er geht beim Design seiner Mopeds jetzt wieder ganz große Schritte zurück, spezialisiert sich nun fast ausschließlich auf Panheads, Knuckles und Flatheads; was auch auf Anhieb ganz gut funktioniert. Zudem findet er eine Möglichkeit für den Aluminium-Nachguss von gesuchten Zubehörteilen, »möglichst weit weg von dem Billet-Zeug.«

Erste Magazinveröffentlichungen

Seine eigenen Bikes und die, die er für gute Kumpel baut, erscheinen nun zum ersten Mal in Zeitschriften: Im Jahr 2000 im Harleymagazin DREAM-MACHINES, ein Jahr später in der »High Perfomance«. International schafft er es ins finnische Magazin »Kopteri«. Auch wir haben die Arbeiten des Customizers mit dem Schalk im Nacken im Heft. Zudem zeigt er seine Motorräder auf Treffen und Messen. Sein Ruf steigt und bringt ihm vermehrt Aufträge ein. Auch von Personen, die im Rampenlicht unserer Szene stehen und sich von ihm ihre Arbeiten erledigen lassen. Und ja, nicht immer tritt bei der Veröffentlichung dieser Motorräder Udos Name in Erscheinung. 

Chickens Knuckle: Lang ist es her, als Udos Kumpel Chris Repp die fette Walze und Räder mit 80 Speichen für seine alte Harley wollte

Aber Udo bemerkt auch, dass Arbeit allein nicht glücklich macht und das Chopperfahren bei ihm im Rückstand ist. Der Tod seines alten Freund Schorckel ist Anlass fürs Überdenken des vollgepfropften Terminkalenders. Schorckel hatte immer mit ihm über eine Tour gesprochen, die er gerne zusammen mit Udo machen wollte. Das wird zum Anstoß für eine jährlich stattfindende Dreitagestour, die Udo seit 2011 mit guten, ausgewählten Gefährten durchzieht. Heute ist der »Bamberg Run« liebgewordene Tradition, bei der es Pflicht ist, mit einem Bobber oder Chopper teilzunehmen. Nur die über 60-Jährigen dürfen etwas Bequemeres fahren, müssen freilich aber auch Werkzeug und andere Kleinigkeiten mitschleppen.

Udo, Chicken und Easy Rider

Anfang 2019 arbeitet Udo an einer besonderen Shovel, als Kumpel Chicken eine Idee an ihn heranträgt. Udo soll für seinen Freund Repliken der beiden Easy-Rider-Chopper bauen. Die Fertigstellung muss allerdings bis zu den Harley-Days in Hamburg Ende Juni erledigt sein; spätestens. Für intensive Recherchen bleibt kaum Zeit. Udo nimmt die Herausforderung an und zieht alle Register: Er braucht korrekte Dimensionen und exakte zeitgenössische Teile. Fotos im Internet helfen zunächst, zeigen ihm aber schnell, dass die meisten Nachbauten nur grobe Ähnlichkeit mit den Originalen haben.

Über ein Vierteljahrhunder U.S. Custombikes meint auch über ein Vierteljahrhundert am Puls einer Szene, die Udo mit seinen Aufbauten nicht unwesentlich beeinflussen durfte

Udo will so original wie möglich bauen. Screenshots beweisen die Verwendung unterschiedlicher Fußrasten und anderer Bauteile an den ursprünglichen Filmchoppern, die es ja jeweils in doppelter Ausführung gegeben hatte. Udo muss Entscheidungen treffen, berät sich weltweit mit Leuten, die ihm Hinweise geben und ihm bei der Beschaffung seltener, korrekter Teile helfen. Manche Erkenntnisse manifestieren sich erst, als ähnliche Teile längst bestellt sind, ergo wird die perfektere Variante eben noch mal geordert oder manuell abgeändert.

U.S. Custombikes und zwei Filmchopper für die Ewigkeit

Bleche, Tanks und Rahmen sind schon fertig bearbeitet und zum Teil verchromt. Da, wo es die Originale vorgeben, wird auch mit möglichst exakt nach Fotos ausgesuchten Lacken versiegelt. Als dann fast alles komplett zusammengebaut ist, kommen endlich noch Infos zu den an den originalen Filmchoppern verwendeten Grundlacken und Farben bei U.S. Custombikes an. Doch Chicken winkt ab: Für eine Überarbeitung mit »den wirklich korrekten und tiefschimmernden Lacken« ist es viel zu spät.

Geniale Repliken: Die Kopien der Easy-Rider-Chopper überzeugen durch höchst korrekte Dimensionen und exakte zeitgenössische Teile

Der Termin wird gerade so eingehalten: Beide Repliken stehen schließlich auf dem Hamburger Event. Bald werden sie auch auf anderen Shows präsentiert, sind immer ein Zuschauermagnet. Udo steht gern grinsend daneben, denn er hat da schon das nächste Projekt fertig. Mit einem schelmischen Grinsen zeigt er seinerzeit die fertige Early Shovel mit Roots-Type-Kompressor – nimmermüde, dieser U.S. Custombikes.

Info | us-custombikes.de

 

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