So sehen Siegerbikes aus. Ganz vorne im diesjährigen Leserwettbewerb landet mit 2253 Punkten Franks Triumph – es hätte keinen besseren treffen können

Die Jugend kann prägend sein. Der Papa hatte den kleinen Frank schon in jüngsten Jahren auf die Tanks seiner NSUs und DKWs gesetzt und ihn um den Block chauffiert. In der Erinnerung blieben die riesigen Scheinwerfergehäuse vor ihm »mit Tacho drin«. Dann kamen die Puch-Mofas, die konnte man am besten frisieren. Aus Frank Nasner wurde »Nase«, und »da ging der Wahnsinn los.« Dann kam eine Lehre als Kraftfahrzeugmechaniker und ein Job in den USA, bei Mercedes-Benz in Hollywood.

Der blaue Behälter für die Elektrikkomponenten war mal eine Bundeswehr-Trinkflasche. Die Krümmer sind »Pushover«, also über Auslass-Adapter drübergestülpt. Nach der Hubraumerweiterung kann der Motor so besser ausatmen

Und dort kam die Harley, die Nase schließlich zurück nach Germany expedierte. Dann kamen aber auch Frau und Kind, ein 69er Chrysler und eine kurze, aber ebenfalls prägende Episode mit einer Triumph. Und schließlich kam eine neue Lebensgefährtin, die Nase in seiner längst verdrängten Leidenschaft bestärkte. »Dann kauf dir doch mal eine«, riet die gute Miriam dem schmachtenden Nase, als er vor ein paar Jahren mal wieder von einem Motorrad schwärmte, nicht aber von einer Harley, sondern von einer Triumph.

Triumph mit Schrottwert

Die Triumph war schon umgebaut: Als Basis eine 1948er Triumph mit starrem Heckteil, als Triebwerk der Motor einer TR6 aus dem Jahr 1971. Aber das Teil hatte ordentliche Papiere, also wirklich eine legal zugelassene Triumph Tiger T120 TR6. Das war schon mal die halbe Miete. Ansonsten war sie Schrott. So erlebt im Sommer 2018. An einem heißen Tag versuchte Nase, sie anzutreten. Es wurde ein ganz besonders heißer Tag mit schätzungsweise 130 Trittversuchen.

Wer glaubt, dass Frank mit seiner Triumph zum Lackeierer gegangen ist, der hat sich getäuscht. Ein paar Dosen Lack und etwas Geschick tun es auch. Der Hinterreifen Avon Mk II, der Vorderreifen von Metzeler mit Blockprofil macht den Oldschool-Look perfekt

Schweißgebadet blickte Nase in den Himmel. »Ich probier es ein letztes, ein allerletztes Mal. Wenn dann nichts läuft …« Es geschahen Zeichen und Wunder: Die Triumph sprang an! Aber wie? »Die lief wie ein Sack Nüsse«, klagte Nase, schleppte sich mit dem Eisen zu einem Spezialisten, der einen ganzen Symptomkomplex diagnostizierte: Ventile zu stramm, Zündung nicht eingestellt, und, und, und. Der Mann machte schon alles richtig. Aber auch er steckte nicht drin. 30 Kilometer nach der Reparatur blieb Nase mit einem kapitalen Kolbenklemmer liegen.

Triumph Tiger T120 TR6 – Das große Projekt

Und dann begann das große Umbauprojekt, das Nase auf unser Siegertreppchen führte: Aufblasen des Motors von 650 auf 750 Kubik, Renovierung des Heckteils mit einer Geradwegfederung, Austausch des gepolsterten Sattels gegen einen Eigenbau aus drei Millimetern Stahlblech, der jetzt, »du glaubst es nicht«, viel bequemer ist als der Polstersattel. Nach drei Jahren und ungezählten
Nächten mit viiiel Kaffee war sie fertig. Entstanden in der gemeinsamen Wohnung, unter Duldung der verständnisvollen Miriam.

Die meisten unserer Fotos ­ent­­­standen am Schuppen Eins in Bremen. Die Location ist unter anderem für klasse Moped-Events bekannt

Dort durfte Nase sogar die Teile schleifen! Ach, den Günni dürfen wir nicht vergessen, der Spezialist fürs Schweißen. Der konnte das mit dem Heckteil, so richtig mit Gutachten, und Rodjar, der dann helfen konnte, wenn es an die Kurbelwelle ging. Den Rest aber machte Nase alleine, bis auf die letzte Schraube, die es in zöllig neuerdings auch bei Hornbach gibt. Überhaupt bedient der Customizer von heute sich gerne aus den Regalen stinknormaler Baumärkte. Die haben eben das Zeug für echte Männer. Yippieyayayippieyippieyeah!

Triumph Tiger T120 TR6 – Stilelemente aus der Jugend

Warum wir mit der frühzeitigen Prägung in der Jugend eröffneten? Psychologen verstehen es sofort. Wir finden nämlich ein paar Stilelemente, die sich nur so erklären. Wen die mächtigen Scheinwerfergehäuse alter NSUs und DKWs in so jungen Jahren beeindruckten, der durchlebt dieses kindliche Glückserlebnis eben auch an einem Triumph-Chopper, von dem Puristen eigentlich ein winziges Scheinwerfer­gehäuse erwarten. Und wer mit Einsetzen der Pubertät an Puch-Mofas schraubt, der spart sich nicht die funktionslosen Federn an der Gabelbrücke einer Triumph. Das ist nun wirklich unpuristisch, aber die mussten damals dahin, dann müssen sie’s auch heute.

Es waren Papas alte Motorräder mit Tachos in ihren Lampen, die Freude an großen Scheinwerfergehäusen weckten. Die Geradwegfederung hinten gibt dem Chopper ein wenig Komfort. In Kurven sprechen die Federungen ungleichmäßig an, was zu einem charakteristischen Stempeln führt. Aber das kann Spaß machen! Lachgaseinspritzung? Nein, das ist der Oilcatcher für die Kurbelgehäuseentlüftung. Der TÜV sieht sowas gerne!

Es könnten aber auch die wesentlichen Zutaten sein, die Nase auf das Siegertreppchen brachten. Vielleicht hatten unsere Leser in ihrer Jugend ähnliche Erlebnisse? Das war jedenfalls eine ziemlich typische Story eines ziemlich typischen Customizings. Nase hat offensichtlich alles richtig gemacht. Bis zum letzten Tag blieb es übrigens spannend. Wer würde gewinnen: Eine Harley oder eine Triumph? Mit wenigen Stimmen Vorsprung siegte Frank »Nase« Nasner mit diesem hybriden Custombike aus den Jahren 1948, 1971 und dem Jahr 2021. Das abschließende Wortspiel sei uns erlaubt, ihr habt sicher schon drauf gewartet: Triumph hatte die Nase vorn.

Michael Ahlsdorf