Eidgenossen und ihre Traditionen: Im Hause Tschumi schrauben Vater und Sohn an englischem Stahl oder italienischem oder … eigentlich egal. Zwischen Rennrepliken und Custombikes reift so eine neue Generation von Bikeschmieden heran. Und aus denen rollen herrliche Krafträder, wie diese Triumph Thruxton 900.

Wie ein bedrohlicher Schatten geistert schon länger eine Frage durch die Szene: »Wo bleibt der Nachwuchs?« Neuer Schwung muss her, ein neuer Stil, der nicht von den großen Herstellern vorgegeben wird, sondern immer noch von uns selbst. Ein Blick in die Schweiz gibt Antworten. Hier wachsen stetig wilde Schrauberburschen heran und beflügeln unsere Phantasie mit ihren umgesetzten Visionen. Doch entgegen der »Try and error«-Generationen der älteren Zeit, zeigen die Jungen, dass man mit Plan und Wissen weiter kommt als mit dumpfem Losschrauben und der Hoffnung, dass der Haufen hält.

Triumph Thruxton 900 – Über die Grenzen des reinen Anschraubens hinaus

Ivo Tschumi von Britalmoto ist einer dieser neuen Gestalter mit fundiertem technischem Background. Das Handwerk lernte er von seinem Vater, seit 1997 als Restaurator von alten Rennmaschinen über die Grenzen des Kantons bekannt, von der Pike auf. Sein Robe-Tracker auf Basis einer 2004er Triumph Thruxton geht daher auch über die Grenzen des reinen Anschraubens hinaus und steht optisch wie technisch sauber geleckt auf den Reifen.

Schöne Linie beim Robe-Tracker von Britalmoto. Über den kleinen Makel am Übergang von Tank zu Sitzbank schauen wir hinweg: zu stimmig und hochwertig wurde der Rest des Bikes gebaut

Die umfassenden Eingriffe in Fahrwerk, Rahmen und Motor stellen die hohe Kunst des Customizings dar und verdienen einen genaueren Blick: Auffälligste Änderung ist die USD-Gabel in der Front. Eine Ducati 996 SPS steht als Spenderin zur Verfügung, wobei die Triumph die milde Gabe eher unwillig annimmt. Nur mit viel Hirnschmalz schafft es Ivo, Rahmen und Gabel zur Heirat zu bewegen: Lenkkopfachse der Thruxton, Gabelbrücken einer Ducati 916 und von LSL, unzählige selbstkonstruierte Hülsen und viele Stunden an Fräse wie Drehbank brachten schließlich das gewünschte Ergebnis.

Triumph Thruxton 900 – Straff, zackig und mit sauberer Rückmeldung

Die von Haus aus gute Brembo-Anlage wurde der Einfachheit halber auch gleich übernommen, um die gewünschte Mehrleistung des Motors sicher einzubremsen. An der Schwinge kommen Wilbers-Stereo-Federbeine zum Einsatz und sorgen für die nötige Progression im Heck. Straff, zackig und mit sauberer Rückmeldung pfeift der Robe-Tracker nun über die Siglistorfer Straßen. Nicht, dass das Standardfahrwerk der Thruxton Müll wäre, aber es darf ja gerne etwas mehr sein.

Die markante Frontmaske stammt von Robe Craft Design

Kontakt zum Asphalt halten Supermoto-Pneus von Pirelli, die auf Astralite-Felgen ihren Dienst verrichten. Schon allein wegen dieser neuaufgelegten, vernieteten Klassiker aus Aluminium muss demütig der Kniefall vor der Britin aus der Schweiz geübt werden. Die Wahl einer 2004er Thruxton als Basis ist übrigens keineswegs Zufall und das in dreierlei Hinsicht. Erstens waren die Triumphs damals noch mit Vergasern befeuert, hatten zweitens schon den 865-Kubik-Gleichläufer-Motor und drittens war noch kein CAN-Bus-System verbaut, was beim Strippenfrickeln Freude bringt.

Da darf’s auch mal ein Becher Rüpelsheimer Nierentritt sein

Da darf’s beim Stromern auch mal ein Becher Rüpelsheimer Nierentritt sein –  Prost Frau Reuter – ohne die Bude abzufackeln. Besagte Gleichdruckvergaser räumen auch direkt ihren Platz gegen 39er-Flachschieber von Keihin, um dem Paralleltwin vor allem obenrum noch Leistung draufzupacken. Erfahrungsgemäß haben solche Vergaser ein nur rudimentär abgestimmtes Leerlaufsystem und brauchen viel Zuwendung, um dem Motor Manieren im Teillastbereich beizubringen.

Gute Planung besteht aus der Summe aller Einzelteile: Seltene Astralite-Felgen, Flachschiebervergaser und die USD-Gabel einer Ducati stellen handwerklich und im Geldbeutel einen hohen Wert dar

Leider ist es da mit ein bissl Düsentauschen und einem anderen Luftfilter nicht getan. Erst bei der Abstimmung auf dem Prüfstand und einer Anpassung der Steuerzeiten kann das Potential der neuen Konfiguration abgerufen werden. Bei diesem Punkt konnte Ivo auf das umfassende Wissen seines Vaters vertrauen. Gemeinsam modifizierten sie die Airbox, bearbeiteten den Zylinderkopf, erhöhten die Verdichtung, verbauten die Einlassnockenwelle einer 790er Triumph Bonneville und verschoben die Steuerzeiten etwas nach vorne.

Die Kanäle des Zylinderkopfes wurden entgratet und poliert

Warum? Triumph zeigt sich leider seit einigen Jahren auch als reiner »Torque«-Hersteller, der meint, dass seine Kunden nur auf der Suche nach Drehmoment sind. Na ja, auch diese Tuningmaßnahmen zeigen, das es von beidem auch mehr sein darf. Die Szeneforen für Triumphs Classic-Modelle quellen über von Tuningmaßnahmen, um dem Motor mehr Pferde zu entlocken. Die Kanäle des Zylinderkopfes wurden entgratet und poliert. Zur Erhöhung der Kompression auf 10,5:1 wurden Kopf und Zylinder je um 0,4 mm geplant, was trotz des überraschend großen Ventilhubs von über 9 mm (!) kein Problem darstellt.

»Ich habe Spaß daran, Motorräder zu designen und meine eigenen Ideen umzusetzen. Nach diversen Kundenbikes wurde es deshalb dringend mal wieder Zeit für ein eigenes Projekt«

Die verbaute Zard-Anlage dürfte auch noch ein paar Gäule bringen und so stehen auf dem Prüfstand stramme 85 PS und 80 Nm an, wo die Serie nur knapp 68 PS und 70 Nm auf die Kupplung hustet. Bei dieser Leistungssteigerung verbaut Ivo zur Sicherheit noch eine stärkere Racing-Clutch von EBC. Ivo Tschumi ist aber nicht nur mechanisch begabt, der studierte Designer nimmt auch die Optikhürde mit Bravur und eidgenössischer Gelassenheit. Tank und Heck wurden mit Clay geformt und anschließend in Alu und Fiberglas gebaut.

Triumph Thruxton 900 – Jede Menge Customparts

Die restlichen Customparts wurden entweder aus den vorhandenen Triumph-Teilen gestaltet oder komplett neu konstruiert. »Dieses Bike habe ich in erster Linie für mich selbst gebaut, da ich nach wie vor Spaß daran habe, Motorräder zu designen. Nach den ganzen Kundenbikes hatte ich einfach wieder mal Bock, meine eigenen Ideen umzusetzen.« Ivo, gerne mehr davon.

 

Jens Kratschmar