Wie ein Kabarettist, ein paar gute Jungs und ein Motorrad aus dem Osten zusammenfanden, ist eine Geschichte nach unserem Geschmack. Auch weil wir eine Mitschuld an den Ereignissen in Köln-Zollstock tragen, aus denen diese selten schöne MZ ETZ 250 entsprang.
»Niemand hatte die Absicht, eine MZ zu errichten«, knarzt Basi in Walter-Ulbricht-Gedächtnisstimme durch die Favela. Die Favela heißt so, weil sie gar keinen anderen Namen haben könnte – hier, in dieser kleinen Enklave aus Werkstätten, Kuriositäten und Merkwürdigkeiten in Köln-Zollstock.
Eine kleine private Schraubergemeinschaft, die in der Favela werkelt
Wir hatten schon einmal über den Amadeüs Speed Shop, die kleine private Schraubergemeinschaft, die in der Favela werkelt, berichtet. Auch Jürgen Becker, Kabarettist, kölsche Berühmtheit und Motorradmensch las den Artikel über Freundschaft in einem vergessenen Stück Stadt.
Und er wurde zum Detektiv: »Auf einem der Außenfotos war auf einem Gebäude im Hintergrund ein Teil eines rot-grünen Firmenlogos zu erkennen und winzig klein die drei Buchstaben SBE. Also musste ich mir einen Firmennamen zusammenpuzzeln, in dem diese Buchstaben vorkommen.
Angefangenes Cafe-Racer-Projekt auf Emmenbasis
Letztlich blieb der überregional tätige Baustoffhandel Fassbender Tenten am Gottesweg.« Mit der Zeitung in der Hand findet Jürgen die Favela tatsächlich, und bald steht auch fest, wer sein angefangenes Cafe-Racer-Projekt auf Emmenbasis vollenden wird.
»Tja, und das war das«, sagt Gert, der gemeinsam mit Basi den Großteil der MZ geschraubt hat. »Normalerweise bauen wir ja nur unsere eigenen Mopeds um, aber manchmal kommt eben ein Komiker, der Jürgen war schon der zweite dieser Gattung, für den wir geschraubt haben – Spaßfabrik eben.«
MZ ETZ 250 – Nachbau der einst siegreichen Gelände-Emmen
Gemeinsam ersannen sie den Nachbau der einst siegreichen Gelände-Emmen, von denen nur noch vier Stück überhaupt existieren. Jürgen hatte freilich ein paar Vorstellungen, die nicht ganz denen der Favela-Jungs entsprachen.
Holzarbeiten gehörten dazu, »aber Holz an Motorrädern, das geht gar nicht«, erklärt Gert, als wir am Bollerofen in der Favela über Custombikes sinnieren. Aber egal ob Holz oder nicht, der ursprüngliche MZ-Stil soll eigentlich erhalten bleiben – bis Gert den Tank einer SR 500 an den sozialistischen Kastenrahmen hielt und der Denkmalschutz damit über Bord flog.
MZ ETZ 250 – Der Tank stammt von einer SR 500
Und weil in den 80ern der Yamaha-Single die 250er MZ als preiswertes Studentenmotorrad ablöst, passt das auch irgendwie. Die Marschrichtung ist nun klar, aus der Emme würde ein luftiger Bratstyler werden. Das Bike wird nach Ankunft in der Favela direkt auseinandergerupft.
Der Zweitaktmotor der MZ ist bereits auf 300 Kubik aufgebohrt, etwas Pflege braucht er trotzdem. Und die kommt in Form von Reinhard Scholtis, Spitzname »Der Bleistift« und ebenfalls beheimatet in Zollstock. Was lustig klingt, ist legendär.
Federbeine aus einer Zephyr bringen angemessenen Komfort
Scholtis ist 83 Jahre alt, war in den 60er und 70er Jahren Rennfahrer und ist ein Motorenguru alter Schule, der auch Kolben und Zylinder des Zweitakters vorbildlich optimiert. Weiter gehts in der Favela: Ein Heckloop am Pressstahl schafft Linie und nötigen Freiraum, Federbeine aus einer Zephyr bringen angemessenen Komfort.
Als Halter für den gekürzten Lenker dienen die einer Triumph, Räder und die Bremsen Marke Planwirtschaft bleiben original. Wobei, die scharfe Scheibe vorn ist eh ein Nachbau der italienischen Brembo, da haben die Genossen seinerzeit aufgepasst.
MZ ETZ 250 – Tatsächlich ein richtig gutes Motorrad
Wie überhaupt, Gert und Basi lernen Schraube um Schraube, wie gut so eine Emme eigentlich ist. »Denn tatsächlich ist das ein richtig gutes Motorrad. Irgendwie anders, aber halt auch echt solide und schlau gebaut«, sinniert Gert.
»Da wo andere Mopeds fünf kleine Schrauben haben, hat die Emme eine fette.« Die Jungs freuen sich über die Details wie den Bremslichtschalter in der Nabe und die ultrageraden Speichen, »das ist echt durchdacht und du brauchst an keiner Stelle irgendwelche Spezialwerkzeuge.
MZ ETZ 250 – Spaß bei der Arbeit an der »Sachsenharley«
Das würde ich mir von ’ner Harley manchmal wünschen«, ergänzt Basi. Immer mehr Spaß haben sie bei der Arbeit an der »Sachsenharley«, verbauen das Schild einer Sportster über die Lampe, die Sitzbank wird von Kumpel Micha gefertigt.
Der Lenker ist gesetzt, weil er Jürgen die passende Sitzposition bot. Da er im Zusammenspiel mit dem Tank aber letztlich etwas zu kurz ist, kommt einfach noch ein Stückchen dran. Als Bordinstrument erweist sich ein Fahrradtacho als Maß der Dinge.
Ein fetter Resonanzkörper, passend zum Zweitakter
Zur größten Herausforderung wird am Ende der Auspuff, ein fetter Resonanzkörper passend zum Zweitakter soll es werden. »Wir hatten mit einigen Fachbetrieben gesprochen«, erinnert sich Gert, »alle erst Feuer und Flamme, und als es dann konkret wurde, kam der Rückzieher.«
Tatsächlich finden sie am Ende über eBay-Kleinanzeigen einen unkomplizierten, jungen Typen, der Auspuffanlagen für Simsons baut. Er ist die Lösung, fertigt die vier Segmente des Krümmers, die später in der Favela zusammengeklebt werden, um zu schauen, wie und ob alles passt. Ein Fachbetrieb in Köln übernimmt schließlich das Zusammenschweißen, »nicht ganz fehlerfrei und sauber«, wie auch die Amadeüs-Jungs feststellen müssen. Aber nun gut, es passt ja auch irgendwie zum Bike.
Ein Bauzeit, die der des Kölner Doms kaum nachsteht
Auf die graue Grundlackierung trägt Tätowierer und Pinstriper »von Maze« das erdachte Tanklogo auf, seitenverkehrt, wie es zu allen Beteiligten und der ganzen Geschichte kaum besser passen könnte. Nach einer Bauzeit, die der des Kölner Doms kaum nachsteht, ist Jürgens Emme endlich fertig. Und am Bollerofen in der Favela sind sie sicher: »Wenn Steve McQueen MZ gefahren wäre, dann genau diese.«
Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.
Die sieht einfach geil aus.Ich habe noch eine Ts 250/1 .Das wäre ein Ansatz für den nächsten Winter