Andreas Mecke ist ein glücklicher Mensch. Er darf nämlich bei Triumph in Hamburg die schönen Sachen machen – Bobber bauen zum Beispiel.

»Relative Freiheit«, so beschreibt Andreas seinen Job. Seit mehr als zwanzig Jahren schwingt er beim Triumph-Vertragshändler in der Hansestadt Hamburg den Schraubenschlüssel. Von den gängigen Ölwechsel- und Wartungsarbeiten bleibt er dabei weitestgehend verschont, denn »ich kümmer mich nur um die Bikes, die Stress machen … und halt die Customs.« Die Umbausparte »Hanse Qustom«, an den Vertragshandel angegliedert, hat sich einen guten Ruf erarbeitet, auch dank Meckes Bock auf britische Ladys. Im Privatleben fährt Andreas Thruxton, also mit Stummellenker. Doch in diesem Fall durfte es mal was anderes sein – nämlich so ziemlich der schönste Bobber, den wir auf Basis einer brandneuen Triumph in den letzten Jahren gesehen haben.

Flyerbar-Lenker, der Tacho eingelassen im Eigenbau-Gehäuse, Faltenbälge und Sitzbank in braunem Leder, Lack in British-Racing-Green – der Hanse-Qustom-Bobber ist einfach ein sehr stimmiges Motorrad

»Mach das mal«, hatten seine Chefs zu Andreas gesagt. Gerade hatte sich die Firma einen Ford Mustang Bullitt angeschafft, zwei passende Motorräder dazu sollte Andreas bauen. Und weil das alles so gut mit Steve McQueens Triumph in »The Great Escape« und den Vierziger- und Fünfzigerjahren zusammenpasst, verließ Andreas seine sportlichen Pfade und sinnierte über die Mopeds von damals. »Wenn ich über die Bikes von damals nachdenke, dann waren das einfach coole Karren, auf denen sonntags gewonnen und montags zur Arbeit gefahren wurde.« Und genau das hatte er im Hinterkopf, als sein Basismodell, eine Triumph Bobber Baujahr 2018, schließlich auf der Hebebühne stand.

Die Räder setzen das erste markante Ausrufezeichen

Umgebaut wurde die hier und da schon, nicht immer unbedingt nach Andreas’ Geschmack. »Alle haben immer diese Kullerräder, gerade von denen wollte ich weg.« Und so setzen eben die Räder auch das erste markante Ausrufezeichen des Hanse-Qustoms. Original fährt die Bobber auf 19 Zoll vorn und 16 hinten. Andreas entscheidet sich für gleiche Radgrößen an beiden Enden. Die neunzehn vorn dürfen bleiben, das hintere Rad wird auf gleiche Größe gepimpt. Da die Originalschwinge das nicht zulässt, muss sie höher gesetzt werden. Der Effekt ist nicht nur optisch verblüffend. »Das ist nämlich nicht nur deutlich schmaler als das Original, sondern auch wesentlich fahraktiver«, freut sich der Schrauber. Und das, obwohl weitere Fahrwerksänderungen nicht notwendig sind, auch die Gabel darf original bleiben.

Nagelneu, aber sieht nicht ganz so aus: Vor allem die Wahl der gleichen Radgrößen – vorn und hinten 19 Zoll – sowie der Auspuff machen aus der neuen Triumph optisch einen Roaring-Fifties-Bobber

Lediglich der Flyerbar-Lenker samt Lenkerendenblinkern ist neu. Er darf ausdrücklich auch von großen Fahrern, die auf Bobbern oft Probleme bekommen, gegriffen werden. Denn auch für sie hat Andreas eine einfache Lösung parat. Er konstruierte den Solosattel als voll einstellbares Teil, je nachdem welche Sattelfedern verwendet werden. So hat ein Einmeterneunzigmensch genauso viel Spaß an der Bude wie der, der nur einssechzig groß ist. Wahrlich schlau gemacht. Die Aufnahmen fürs Sitzelement sind selbst gebaut, der Sattel ist echt schwingend konstruiert.

Die originalen Tüten wurden entkernt und deren Inhalt in die neue Hülle gebastelt

Und dann ist da noch die Sache mit dem Auspuff – Fishtail deluxe mit einem absoluten Clou. Da Andreas für einen offiziellen Händler schraubt, ist eine  Zulassungsfähigkeit dringend erforderlich. Dass das gerade beim Thema Auspuff nicht immer einfach ist, dürfte bekannt sein. Und tatsächlich ist Andreas auch im Privaten überzeugter Legal-Auspuff-Bauer. »Mach, was du willst, aber lass die Brülltüten weg«, sagt er uns. Auch, weil gerade in Hamburg diesbezüglich wenig geht und die Obrigkeit kaum was durchgehen lässt.

Insegsamt baut das Bike sehr schmal, der Heckfender samt Gepäckträger setzt einen schönen Akzent

Aber wie kommt man denn nun zu einem so lässigen Fishtail wie bei der Bonnie, fragen wir uns. »Ziemlich einfach«, grinst Andreas, »es kommt bei der Zulassung nämlich auf die inneren Werte an.« Und die sind hier original. Andreas hat tatsächlich die originalen Tüten entkernt und deren Inhalt in die neue, typisch oldschool-britische Hülle gebastelt. Damit war der TÜV vollauf zufrieden und nahm das Bike umfassend ab.

British Racing Green, was sonst?

Die Lampe samt eingelassenem Tacho im Eigenbauhalter, das Rücklicht, der selbstgebaute Fender mit Gepäckträger oder das Aufpolieren diverser Teile sind gegen die Sache mit dem Auspuff zwar ein einfaches Ding, machen die Sache aber wunderbar rund. Genauso wie die Farbe, bei der Andreas Mecke Traditionalist ist, »British Racing Green, was sonst?«

Info | hanse-qustom.de

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.