Thunderbike baute sich zum 30. Geburtstag ein dermaßen ergreifendes Jubiläumsbike, dass wir die Harley-Davidson Panhead nochmal nach vorn holen. Oldschool ganz gewiss, und trotzdem ist die »30th Pan« eine Demonstration dessen, was eine moderne Customwerkstatt leisten kann.

Vorab, dieser Text kann diesem Motorrad nicht wirklich gerecht werden. »Ich könnte stundenlang über die Entwicklung und den Aufbau des Bikes erzählen«, bestärkt uns Thunderbike-Mastermind Andreas Bergerforth in unserer Einschätzung. Es war klar, dass das Team aus Hamminkeln einen Knaller zum 30jährigen Jubiläum raushauen würde, aber die Anniversary-Panhead zeigt eben jenen Knalleffekt nicht beim ersten, flüchtigen Blick.

Ein Knaller zum 30Jährigen

Was als leichtfüßiges Oldschoolbike vor uns steht, ist auf den zweiten Blick der bis ins Letzte ausgetüftelte und umgesetzte Plan, ein absolutes Einzelstück zu fertigen. Denn anders, als der erste Blick vermuten lässt, ist dieses Bike eben kein Relikt aus der Hochkultur des Chopperbaus, sondern ein ausgefeiltes Konzept der Jetztzeit. Und es zeigt deutlich, wie die einzelnen Zahnrädchen im Thunderbike-Universum ineinandergreifen. Kein Chef, der stur eine Linie durchdrückt, sondern ein Team, das sich gemeinsam an den Planungstisch setzt, um zu überlegen, wie das eigene Prestigeobjekt aussehen könnte.

Eine King and Queen-Sitzbank, angepasst an die hohe Sissybar, markiert das Heck und weist die Panhead eindeutig als Chopper aus

»Im Stil der alten Tage soll es gebaut sein«, da sind sich die Thunderbiker einig. Das Herzstück bildet der V2 einer Harley-Davidson Panhead, Baujahr 1950. Magnetzündung und Linkert-Vergaser sind technische Reminiszensen an die alte Schule, ein Kickerpedal unausweichlich. Motor und Rahmen stehen, der Rest – und das ist die Spezialität der Hamminkelner Teilemanufaktur – entsteht zunächst am Computer. Der Bildschirm zeigt am Ende die schlanke Silhouette eines Choppers, einer wie aus dem vorigen Jahrtausend. Aber gebaut werden wird er hier und jetzt mitten in Deutschland, drei Monate Arbeit an der Jubelpanhead liegen nun vor dem Team.

Handarbeit und enorme Präzision

Wir suchen die Kaufteile am Motorrad, die, die wir fürs eigene Bike adaptieren könnten. Die Luft wird dünn, wir finden nicht viel. Fast alle verbauten Teile entstehen nämlich direkt in den Werkstätten am Niederrhein, Handarbeit verbunden mit der enormen Präzision CNC-gefertigter Komponenten. Da wäre zum Beispiel die aus dem Vollen gefräste Gabelbrücke, die auf der Eigenbau-Gabel thront und einen dünnen geschwungenen Lenker trägt, der auch einem Bonanzarad gut stehen würde. Komplett clean ist er natürlich, die Kabel innen verlegt, keine Schalter und Taster, die die saubere Optik stören.

Nur rund sieben Liter passen in die selbstgebaute Tankschönheit

Auch das Vorderrad ist eine komplette Sonderanfertigung eigens für diese Pan, nur stolpern wir über die Angabe der Reifengröße des verwendeten Firestones. 28 Zoll, das kann doch nicht sein. Andreas klärt uns auf: »Früher wurden die Größen nach dem Innendurchmesser des Rades gemessen, erst später nach dem Felgenaußenring. Der Reifen, den wir hier verwendet haben, ist ein absoluter Oldtimerreifen. Und ganz ehrlich, den sollte niemand verbauen, der davon keine Ahnung hat. Ihr müsst euch das wie eine Gummiwurst vorstellen, die auf der Felge liegt. Und die eben bei Druckverlust auch runterspringen kann.

Harley-Davidson Panhead – Heimfahrt auf der Felge

Der Reifen braucht mindestens vier Bar Druck, sonst klappt das nicht.« Andreas weiß, wovon er spricht, auf einer der ersten Fahrten mit der Pan ist es ihm selbst passiert. Er kam kaum drei Ecken weit, als der Reifen sich verabschiedete. Andreas hatte Glück, passiert ist ihm nichts. Nur zurück musster er auf der Felge fahren. Also bitte keine Experimente machen, wenn ihr euch nicht auskennt.

Die Auspuffrohre wurden aus mehreren Teilen zusammengefügt, der rot geflakte Rahmen verläuft zwischen ihnen

Zurück zum Motorrad, da gibt es noch einiges zu entdecken. Seht euch zum Beispiel den Tank genau an? Auf den ersten Blick könnte er direkt aus den Fünfzigern stammen, ist aber ein im Haus entstandenes zweiteiliges, getunneltes Benzingefäß, das chopperlike nur knapp sieben Liter fasst und »leider viele Tankstopps notwendig macht«, wie Andreas lachend erklärt. Unser Blick bleibt am Öltank hängen, der eingefasst in silberen Streben – eine Spielart, die sich übers komplette Bike zieht – unter der Sitzbank perfekt passt.

Harley-Davidson Panhead – Ein Bike wie aus einem Guss

Oder folgen wir der Auspuffanlage. Aus mehreren Rohrstücken zusammengesetzt, virtuos ums Getriebe geschlängelt, beidseitig des Heckrahmens verlegt. Das hintere Rad stammt aus einer V-Rod, neu eingespeicht und mit einer Trommelbremse versehen. Und natürlich die alles überragende King and Queen-Sitzbank, die mit der handgefertigten Sissybar zu einer perfekten Einheit verschmilzt. Schrauben, Nieten, Kleinteile – auch diese Parts entstehen im Haus und lassen das Bike wie aus einem Guss wirken.

Die Gabelbrücke ist eine aus dem vollen gefräßte Einzelanfertigungen, wie auch Halterungen und Lampe

Und am Ende sticht noch ein Joker, der schon zahlreiche Bikes aus dem Hause Thunderbike in seinen Händen hatte. Ingo Kruse verewigt sich mit einer Lackierung aus Flake, Glimmer und Blattgold auf dem lupenreinen Chopper.

Info: www.thunderbike.de

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.