Traditionelle Handwerkskunst bleibt uns hoffentlich noch lange erhalten. Neben CNC-gefrästen Parts heben sich gegossene Teile mit ihrer fehlenden Perfektion wohltuend ab. Wir haben uns die Herstellung eines Pointcovers aus Aluguss angeschaut.
Nicht immer stirbt mit den alten Handwerkern und Künstlern auch ihr Wissen. Traditionen finden nicht selten einen Weg in die Köpfe nachfolgender Generationen, die die Suche nach altem Wissen antreibt. Nicht selten sind es Autodidakten wie Marcel von Mindwar Cycles, der sich neben dem Umbauen von Motorrädern auch mit der Herstellung von Teilen für Harley-Davidson-Motorrädern, aber auch für Japaner und europäische Marken befasst.
Save the Choppers – Pointcover aus Aluguss
Es ist kalt an diesem Morgen. Obwohl die Sonne scheint, liegt hier im hessischen Frankenberg, wo Marcel seine Werkstatt betreibt, der morgendliche Raureif noch auf Straßen und Feldern. Aber Marcel hatte mich ja vorgewarnt, dass die Temperaturen in seiner Werkstatt etwas ungemütlich sein könnten.
Dafür wärmt mich der Gedanke, gleich beim Guss von zwei »Save The Choppers!«-Pointcovern dabei zu sein und vielleicht schmeißt ja der kleine Hochofen, in dem das Aluminium geschmolzen wird, ein wenig Wärme ab.
Alte Handwerkskunst und dann doch eine CNC-Fräse?
Marcel ist gut vorbereitet, das Laptop aufgeklappt und die Fräse lauert schon ungeduldig, um den Save-The-Choppers!-Schriftzug in das Holz zu ritzen. Soso, alte Handwerkskunst und dann doch eine CNC-Fräse? »Ja, aus einem einfachen Grund«, klärt mich Marcel auf.
»Die CNC-gefrästen Vorlagen sind in den Abmessungen wesentlich genauer und passen ohne große Nachbearbeitung ans Motorrad. Gerade ein Pointcover, das nicht exakt rund ist, wie scheiße sieht das denn aus? Hier ein Spalt, da ein Überstand.
Warum nicht die Vorteile moderner Zeiten nutzen?
Ich will, dass die Teile passen und die Kunden sich nicht ärgern müssen. Und dank der Fräse klappt das ziemlich gut.« Damit wäre der Einsatz von Hightech geklärt. Sicher, es ginge auch anders, wie früher, als alles von Hand gemacht wurde. Doch warum nicht die Vorteile moderner Zeiten nutzen?
Während wir über die Verfahrensweise beim Gießen sinnieren, hat Marcel den nachgezeichneten Schriftzug von der Software an die Fräse übergeben. Diese legt in gemächlichem Tempo los und wird eine gute Stunde beschäftigt sein. In der Zwischenzeit heizt Marcel seinen kleinen Tiegel an.
Aluguss – Mehr als 800 Grad müssen schon sein
Ungefähr 820° Celsius braucht das Aluminium, um richtig flüssig zu werden. »Es ginge auch niedriger, aber durch den höheren Magnesiumanteil, den ich hinzugebe, damit die Teile etwas härter werden, braucht es auch mehr Temperatur.«
Viele Schritte laufen parallel, da die Dauer der einzelnen Arbeitsschritte ein gleichzeitiges Arbeiten zulässt. Also wird die Form für den Aluguss vorbereitet. Es ist ein zweiteiliger Kasten, groß genug für mehrere Gussvorlagen, den Marcel nun mit ölgebundenem Formsand füllt und diesen anschließend verdichtet. Die Zeit verfliegt und die Fräse macht sich bemerkbar.
Aluguss – Patina ab Werk
Die Vorlage ist fertig und Marcel bearbeitet das Holz nach. Kunststoff ginge auch, wie er mir versichert, aber in diesem Fall lackiert er das Holz anschließend und bringt etwas Material in die Farbe ein. Noch so ein Kniff, denn die raue Struktur verleiht dem Gussteil anschließend eine unebenmäßige Oberfläche. Patina ab Werk quasi.
Damit der Schriftzug nach dem Lackieren schön dreidimensional bleibt, muss Marcel nochmal mit dem Cutter ran und etwas Farbe wegkratzen. Ein Aufwand, der sich lohnt, wie ich später sehen werde.
Die beiden Formen sitzen fest aufeinander
Jetzt beginnt die heiße Phase. Der Tiegel ist bereit, doch zuvor presst Marcel die Vorlage in den Formsand und kerbt noch die Gusskanäle ein. Die beiden Formen sitzen jetzt fest aufeinander, ein letzter prüfender Blick in den Tiegel auf das rot glühende Aluminium, gleich kann es losgehen.
Zuvor schmeißt Marcel noch etwas Spezialgranulat in den Schmelzofen und treibt damit Verunreinigungen aus dem Alu, die er kurz darauf als Schlacke abschöpfen kann. Der Aluguss selbst ist unspektakulär, nichts zischt, brodelt oder knallt.
Das Ganze ähnelt zunächst einem Metallbaum
Das flüssige Aluminium läuft in null Komma nichts in die Form. Lediglich das im Formsand gebundene Öl verdampft und wabert als tief hängender Nebel durch die Werkstatt. Nach der Abkühlungsphase nimmt Marcel die gegossenen Pointcover aus der Form. Das Ganze ähnelt jetzt mehr einem Metallbaum, schließlich sind die Gusskanäle ebenfalls gefüllt worden und inzwischen abgekühlt.
Mit einer Säge werden die Cover befreit und grob nachgeschliffen. Anschließend folgt noch ein Feinschliff, dann werden die Bohrungen gesetzt. Im letzten Arbeitsgang poliert Marcel die neuen Save-The-Choppers!-Pointcover und macht die Passprobe am Motorrad.
Die CNC-Fräse erspart möglichen Ärger – und Zeit
Und wie er angekündigt hat, sitzen die Dinger dermaßen genau an ihrem Platz, dass ich nun verstehe, warum er für die Vorlagen in der Regel auf die CNC-Fräse setzt. Das spart vor allem am Ende Zeit und möglicherweise Ärger mit genervten Kunden.
Unterm Strich ist auch das Gussverfahren kein Hexenwerk. Es folgt definierten Abläufen und wer weiß, was er tut und über die entsprechenden Maschinen verfügt, kann sich ja mal selbst an diesem alten Handwerk versuchen.