Jedem Anfang wohnt ein Schrauber inne. Wer vom eigenen Custombike träumt, sollte bei der Wahl der Basis ein paar Dinge beachten.

Die alten Hasen wissen viel, aber was ist mit den Rookies, den Neugierigen, den Durchstartern? Wie geht man es an, dieses erste Umbauprojekt. Wir lassen es euch von einem erzählen, der das schon durch hat und präsentieren die etwas andere Bastelanleitung für das erste, eigene Custombike. Carsten, du hast das Wort …

Wie ein Hund vor der Metzgerei

Da stehst du nun auf einer dieser zahlreichen Veranstaltungen zum Thema Custombike, betrachtest die wahr gewordenen Träume aus Metall und Lack und fühlst dich wie der Hund vor der Metzgerei: »Wir müssen leider draußen bleiben!« Anschauen erlaubt, anfassen nur im Ausnahmefall. Aber selbst besitzen und mit so einer wunderbaren Skulptur den eigenen Hintern von A nach B zu verfrachten scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.

Wenig Hubraum, aber viel Potenzial. Selbst Customizer von Weltrang wie Fred »Krugger« Bertrand setzten in den vergangenen Jahren auf Hondas CB als Umbaubasis

Die Gründe sind vielfältig: keine Kohle, die Erwärmung für technische Zusammenhänge ist irgendwie kurz nach der Modellbauphase mit dem Lötkolben zusammen abgekühlt oder es fehlt einfach die zündende Idee und oftmals auch der Mut, ein solches Projekt anzugehen und trotz aller Widrigkeiten und Hindernisse den Traum vom eigenen Custombike in die Wachphase hinüberzuretten.

Die richtige Basis fürs Custombike bei kleinem Budget

Meine Situation vor etwa fünf Jahren war eine ganz ähnliche: Riesengroßen Bock auf ’ne eigene, individuell gestaltete Karre, aber nur ein ganz kleines Budget und außer einer Normgarage mit minimaler Werkzeugausrüstung – was man eben so braucht, um die Alltagsenduro am Schnaufen zu halten – gab es weder logistische Strukturen noch einen großen Maschinenpark.

40 Jahre hat Yamahas SR 500 auf dem Buckel, totzukriegen ist Yamahas Dauerbrenner nicht – auch wenn die Gebrauchtpreise wie bei vielen Klassikern deutlich zugelegt haben

Was aber in meiner eigenen Betriebsanleitung stand, war berufsbedingt relativ viel Freizeit und ein unbedingter Wille, zum Konzert der Bikebuilder und Customizer ein paar Takte beizusteuern – als Schlagzeuglehrer weiß ich, wovon ich hier spreche!

Wenn kein Herzblut vorhanden ist, wird’s auch nicht gut

Dieser unbedingte Wille ist meines Erachtens eine absolute Grundvoraussetzung allen kreativen Handelns! Wenn kein Herzblut vorhanden ist, wird’s auch nicht gut. Das weiß jeder, der handwerklich schon mal mehr versucht hat, als nur ’nen Nagel in die Wand zu klopfen. Ich fing also an!

Gerade in den letzten Jahren und im Zuge der Scrambler-Welle entstanden tolle Umbauten auf Basis der Suzuki DR. Wer die Verkleidung killt, findet nämlich eine perfekte Basis für nacktes Vergnügen

Um endgültig mit dem Vorurteil aufzuräumen, das Umbauen eines Motorrades sei nur etwas für Profis oder Menschen mit großem Geldbeutel, werde ich aus meiner ganz persönlichen Sicht eines Hobbyschraubers einige der Themen ansprechen, mit denen sich wohl jeder konfrontiert sieht, der sich ein altes, runtergerittenes Stahlross besorgt, um daraus für sich etwas ganz Besonderes, Eigenes und Individuelles zu erschaffen, sein Custombike!

Welche Basis für ein Custombike mit schmalem Budget?

Und schon sind wir mittendrin im Thema mit der Frage, welche Basis sich für ein Custombike mit schmalem Budget am besten eignet und warum? Glücklich ist derjenige, der noch irgendwo ein altes Krad rumstehen hat oder dessen Alltagsmoped beim Betrachten Augenreizungen hervorruft und förmlich danach schreit, mit Flex und Farbe vom hässlichen Entlein in einen stolzen Schwan verwandelt zu werden.

Aus der Umbauszene nicht wegzudenken sind Yamahas XS-Modelle – sie bieten einen vernünftigen Start ins Umbauvergnügen und machen sich als Racer genauso gut wie als Chopper

Für alle anderen lohnt sich vor dem eventuellen Kauf einer alten Möhre ein genauerer Blick auf einige technische Details: Grundsätzlich ist es ratsam in ein älteres Krad zu investieren. In den 70er und 80er Jahren waren Motorräder überschaubar und selbsterklärend aufgebaut, alles war gut zugänglich und aufs Nötigste beschränkt.

Bis Baujahr 1986 gibt’s mehr Freiheiten beim Umbau

Die Änderungen in der Gesetzgebung zum Thema Beleuchtung, Abgas, Geräuschentwicklung, die in den späten 80ern beschlossen wurden, sind ein weiteres Argument für ein früheres Baujahr. Bei Erstzulassungen bis einschließlich 1986 seid ihr diesbezüglich auf der sicheren Seite und habt mehr Freiheiten beim Umbau.

Auch aus Stoppelhopsern lassen sich schöne Scrambler bauen. Und das 23-Zoll-Rad der Honda XL 500 hat es sowieso schon in viele Custombikes geschafft

Aus technischer Sicht empfehlen sich meines Erachtens vor allem luftgekühlte ein- oder gegebenenfalls auch zweizylindrige Fahrzeuge, die über althergebrachte Vergaser beatmet werden und über keinerlei Schnickschnack aus der Abteilung Elektronik verfügen. Eine kontaktlose, elektronische Zündung hingegen lassen wir uns gern gefallen, einiges an Wartungsaufwand fällt somit weg.

Ein Eintopf lässt sich auch ohne Lastkran aus dem Rahmen heben

Außerdem, mal ganz pragmatisch gedacht, besitzt ein Eintopf nur einen Vergaser, der eventuell überholt werden muss, nur einen Satz Ventile, die eingestellt werden müssen, und seine Klangentfaltung und die Drehmomentkurve vermitteln etwas Archaisches, an das kein Vierzylinder herankommt. Überdies könnt ihr ihn auch ohne Lastkran oder Schwarzeneggers Hilfe in der heimischen Garage aus dem Rahmen heben, was ja beim Aufbau eines Custombikes durchaus vorkommen soll.

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Besitzt er dann noch einen Kicker, umso besser. Keine Probleme mit leerer Batterie, leichter als der E-Starter mit entsprechender Stromversorgung ist er auch und der Startvorgang ist ein Akt der Genugtuung – vorausgesetzt der Motor ist gut eingestellt und man kämpft in der richtigen Gewichtsklasse. Ansonsten hüpfste nämlich auf dem Kicker rum wie Rumpelstilzchen ums Feuer.

So ein Eintopf als Basis für ein Custombike besitzt reichlich Vorzüge

Vorteile bietet ein »Single«-Motorrad wegen seines einfachen Aufbaus auch bei der Fehlersuche, denn nicht jeder hat das Glück und das Budget, ein einwandfrei laufendes Exemplar zu ergattern. Oftmals gibt es interessante Objekte, die gerade wegen eines nicht mehr anspringenden Motors preislich extrem attraktiv sind.

Auf Yamahas XT 500 wurden feuchte Jugendträume wahr, ein perfektes Einstiegsbike mit Umbaupotenzial und klassischer Attitüde

Wichtig ist dabei trotzdem Folgendes: Der Motor sollte sich durchdrehen lassen, über ausreichend gute Kompression verfügen und das Getriebe schaltbar sein! Damit wären bereits einige große, mechanische Fehlerquellen ausgeschlossen. Wenn’s dann bei ausgedrehter Kerze auch noch funkt, ist das schon die halbe Miete. Die andere Hälfte steuert die Gemischaufbereitung bei.

Fahren soll ein Custombike ja schließlich auch

Hier gibt es aber aus meiner Sicht kaum etwas, was wirklich kaputt geht oder finanziell allzu heftig ins Kontor schlägt. Und nachdem so ein Vergaser mit neuen Verschleißteilen bestückt und einer ordentlichen Reinigung unterzogen wurde, besteht da selten Grund zur Sorge! Fahren soll ein Custombike ja schließlich auch und technische Probleme mit maladen Motoren stehen dabei nur unnötig auf der Spaßbremse.

Weiß, wovon er spricht: Carstens XL schaffte es 2015 auf den zweiten Platz unseres jährlichen CUSTOMBIKE-Wettbewerbs

Wichtiger jedoch als die technischen Daten ist für viele von uns das optische Erscheinungsbild des zukünftigen Fahrgeschäftes. Sieht es geil aus, lässt sich über so manche Unzulänglichkeit der inneren Werte hinwegsehen. Kennt ihr ja aus eurer eigenen Beziehung. Wohin also soll die Reise gehen? Dies bestimmt natürlich die Suche nach einer entsprechenden Umbaubasis. Cafe Racer, Scrambler, Chopper, Bobber oder habt ihr gar ein ganz eigenes Konzept vor Augen? Über Geschmack lässt sich bekanntermaßen vortrefflich streiten. 

Nicht wirklich geil: Carstens kleine CB-Honda vor dem Umbau

Davon mal freigemacht gibt es aber eben auch Komponenten an einem Motorrad, die, wenn sie Bestandteil unserer Basis sind, das Schrauben und Gestalten wesentlich vereinfachen können. Trommelbremsen sind oldschool pur und im Gegensatz zu Scheibenbremsen einfach und kostengünstig aufzuarbeiten. Gut eingestellt bremsen sie sogar.

Gute Basis fürs Custombike: Speichenfelgen und Trommelbremsen

Speichenräder vermitteln eine sehr schöne, filigrane Vintage- Optik und lassen sich im Gegenteil zu Alu- oder Gussfelgen mit größeren oder breiteren Felgenkränzen und Reifen bestücken, ohne die Radnaben oder Bremsaufnahmen verändern zu müssen. In Kombination mit Trommelbremsen ein absoluter Augenschmaus.

Kleine Projekte sind für den ersten Privatumbau die beste Wahl, hier Carstens Honda CB 250 nach der Custom-Kur

Rahmen und Schwingen aus Rundstahlrohren oder sogar auch Pressstahlrahmen sehen unverkleidet einfach klassischer aus als moderne Aluvierkantteile, sind leichter zu bearbeiten und führen eher zu einem schönen Ergebnis. Luftgekühlte Motoren mit Kühlrippen bieten sowohl optisch als auch klanglich eine puristische Kulisse, die nicht durch störende Wasserschläuche oder Kühler verschandelt wird. Mal angenommen, ein solchermaßen oder ähnlich bestücktes Gefährt findet den Weg in unsere Garage, dann beginnt jetzt die eigentliche Arbeit.

 

 

Carsten Bender
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1969, stammt aus Hagen, Westfalen, dem Schmelztiegel der Kulturschaffenden und Wiege des kreativen Journalismus. Seit 2018 ist Carsten Bender freier Mitarbeiter beim CUSTOMBIKE-Magazin. Sein erstes motorisiertes Zweirad war eine Honda CB 50. Seitdem gingen über neunzehn Motorräder durch seine Hände. Von Zweiventiler-BMWs über Hondas Goldwing bis hin zu leichten Einzylinder-Crossern sowie Motorrädern mit Baujahren aus den Siebzigern und Achtzigern. Seine Honda CB 250 G schaffte es im CUSTOMBIKE-Leserwettbewerb 2014 auf den zwölften Platz. Im darauffolgenden Jahr belegte er mit seinem Honda-XL 500S -Umbau den zweiten Platz und musste sich nur knapp gegen den späteren Sieger geschlagen geben.