Neue Optik dank längerem Spritgefäß, und das mit überschaubarem Aufwand. Wir zeigen, wie ein Stretchtank etsteht.

»Form follows function«. Manchen Designern scheint gerade im Motorradbau dieser Spruch auf die Stirn getackert zu sein. Erst recht, wenn es um die Unterbringung des für die Fortbewegung unersetzlichen Kraftstoffes geht. Wohin mit der Brühe, die nicht nur beim Schnüffeln high machen, sondern den Fahrer auch so in eine Art Rausch versetzen kann? Klar, in den Tank.

Mancher Tank wirkt wie ein Fremdkörper

Geschickt zwischen den Beinen und vor dem Bauch platziert, thront das Blechgebilde meist dominant auf dem Rahmenoberzug. Wer Glück hat, je nach Marke und Hersteller, freut sich über ein schmuckes, unter Druck verformtes Stück dünnen Blechs, das zufällig mit dem Rest des Bikes harmoniert. Nicht selten aber wirkt der Behälter wie ein zufällig aufgepflanzter Fremdkörper und manchmal versaut er die Linie des Bikes.

Vorbereitung des Originaltanks: Kleine Wellen, die das Metall beim Umlegen wirft, lassen sich mit einem Karosseriehammer wieder austreiben

Abgehackt, überproportioniert, dominant, zu schlank, zu fett – alles Bezeichnungen, die sicher schon mal jedem Bike-Besitzer beim Betrachten durch die Gehirnwindungen geschossen sind. Gerade bei der seitlichen Ansicht, stellt sich oft die Frage, warum zum Henker die Linie des Tanks nicht einfach fortgeführt wird? Eine vernünftige Antwort darauf wissen noch nicht mal die Motorradhersteller.

Ein Stretchtank kann die Optik stark beeinflussen

Sie denken aber eben nicht an die Individualisten, hier muss die Masse bedient werden. Ein glücklicher Umstand für alle Schrauber, Customizer und Bike-Besitzer, die das Einzigartige lieben. Denn hier kann noch Hand angelegt und mit einfachen Mitteln sehr viel erreicht werden. Ein Tank-Stretch kann die Optik stark beeinflussen und für eine coole Linie sorgen. 

Eine Kartonschablone erleichtert das Anzeichnen der Blechform

Der Weg zur »Verlängerung« kann auf verschiedene Art und Weise beschritten werden. Eine Möglichkeit ist der Stretch mittels Glasfaserkunststoff. Wer nicht auf vorgefertigte Formen zurückgreifen kann, erreicht sein Ziel auch mit dem Laminieren und Verkleben von Glasfasermatten.

Verschiedene Techniken sind möglich

Eine andere Technik sind komplette Kunststoffteile, die über den Tank gestülpt, verklebt und verspachtelt werden. Nachteil bei beiden Methoden: Das Plastikzeug arbeitet permanent und wenn es nicht hundertprozentig sauber verarbeitet ist, schleicht sich durch feinste Risse Feuchtigkeit zwischen Metall und Kunststoff.

Die Kanten des Tanks fließen auch im Stretch fort, um eine einheitliche Optik zu gewährleisten

In der Folge gammelt der Tank darunter langsam vor sich hin, bis er irgendwann durch Undichtigkeiten seinem Besitzer klarmacht, dass endlich Handlungsbedarf besteht. Zumeist macht der Lack durch kleinen Blasenwurf darauf aufmerksam. Wer die Sache richtig anpacken will, sollte sich auf die »alte Schule« besinnen. Da ist Plaste verpöhnt und es wird noch Wert auf das Arbeiten mit Metall gelegt.

Stretchtank, aber vernünftig gemacht

CUSTOMBIKE hat sich auf den Weg gemacht und sich von einem alten Hasen erklären lassen, wie ein vernünftiger Tankstretch gemacht wird. Nicht weit hinter Heidelberg, in einem kleinen Kaff, hat Tom seine Schrauberhalle. Hier werden Bikes ohne Rücksicht auf Marke und Ansehen nach den Wünschen ihrer Besitzer umgebaut.

Der Tankstretch muss auch zum vorhandenen Sitz passen. Nach dem Übertragen der Sitzform wird das Blech ausgeschnitten

Eine Spezialität von Tom ist die Abänderung von Serien- und Custom-Tanks. Nicht nur Verbreiterungen und Volumenvergrößerung setzt Tom nach Absprache mit dem Kunden um, überwiegend stretcht er langweilige Benzinbehälter und gibt ihnen damit eine neue Linie. Für unseren Besuch hat er sich den Tank einer Honda Black Widow vorgenommen.

Der Wunsch: Klassischer Stretchtank mit angepasster Sitzbank

Ursprünglich erinnert dieser im Design an einen »Fat Bob«-Tank, ist aber längst nicht so voluminös wie das Original. Wer mal einen Japan-Tank umgedreht hat, weiß wieso. Die japanischen Designer verstecken meist Airbox, Elektrik oder andere Komponenten unter dem Tank. Entsprechend zerklüftet sind die Böden von Honda & Co. Spielt in diesem Fall aber keine Rolle, da der Witwen-Benzinbehälter nicht vergrößert, sondern nur verlängert werden soll. Der Besitzer wünscht sich einen klassischen Stretch mit angepasster Sitzbank.

Wird mit Metall gearbeitet, kommt das Schweißgerät kaum zum Verschnaufen

Bevor Tom loslegt, markiert er den hinteren Halter und setzt die Flex an. »Mit gekürztem Halter kommt der Tank etwas weiter herunter. Gibt einfach eine bessere, weil fallende Linie«, klärt uns Tom auf. Ein kurzes Kreischen, begleitet von einem Funkenregen, und der Halter ist Geschichte.

Der Halter wird wieder angeschweißt

Mit dem Tank unter dem Arm geht es zurück zur Black Widow. »Der Halter wird natürlich wieder angeschweißt. Aber das Ausrichten ist am Bike wesentlich einfacher und ich kann mir gleich einen Überblick verschaffen, wie die Linie in etwa verlaufen wird.«

Auch die Flex wird ständig malträtiert und muss immer wieder Material abtragen

Dann geht es dem Tank ans Metall. Zunächst biegt Tom die Kanten etwas um. Die original gepressten Spritbehälter glänzen nicht gerade durch feinste Verarbeitung. Massenware halt. Durch das Umlegen entstehen Wellen, die mit einem Karosseriehammer und einem Eisen ausgedengelt werden. Einmal noch mit der Stahlbürste drüber, fertig.

Hilfreich: Ein Fundus an Schablonen

Aus einem Fundus von Schablonen pickt sich Tom eine heraus und zeichnet auf einer Blechtafel die Form nach. »Ich habe mir mal die Arbeit gemacht und verschiedene Schablonen abgemessen und ausgeschnitten. Spart nicht nur Zeit, auch bleiben so die Tankverlängerungen immer identisch«, grinst Tom. Alles Routine oder besser gesagt: Produktion in Kleinstserie. Macht nix, individuell bleibt ein Stretch in jedem Fall.

Ständige Kontrolle auf dem Bike: Tank und Sitz passen schon mal zusammen

Die ausgeschnittene Form legt er anschließend auf den vorher ausgemessenen Tank und richtet das Blech aus. Mit Walzen wird es so lange in Form gedrückt, bis sich die Rundungen denen des Tanks angepasst haben. Mit wenigen Schweißpunkten wird der Stretch fixiert und abschließend durchgeschweißt.

Wichtig ist ein einheitliches Bild

Knifflig wird es bei der Aussparung für den Sitz, aber geübte Hände schnippeln mit der Blechschere, wie unsereins mit Papier. Zur Verstärkung schweißt Tom noch etwas Rundmaterial ein und verlängert die Kanten des Tanks bis in den Stretch, um ein einheitliches Bild zu erreichen. Zwischendrin muss der Tank immer wieder auf der Witwe Platz nehmen, um Linie und Proportion zu kontrollieren. Die Flex steht inzwischen auch auf Dauerbetrieb und schrubbt weg, was nach dem Schweißen als dicker Wulst auf dem Blech zurückgeblieben ist. 

Glätten nach »alter Schule«: Ein Holzspatel hilft beim Verteilen des heißen Zinns

Einer der letzten Arbeitsschritte ist richtig »oldschoolig«, aber sehr wichtig. »Das Verzinnen der Schweißnähte, gerade am Übergang zwischen Tank und Stretch, bietet eigentlich nur Vorteile«, erklärt uns Tom. »Im Gegensatz zur Glasfaserspachtelmasse, sackt das Zinn mit der Zeit nicht nach. Außerdem verhindert es zuverlässig das Eindringen von Feuchtigkeit. Ist halt einfach eine saubere Sache und das Verarbeiten macht mehr Spaß.«

Das Verzinnen der Schweißnähte bietet Vorteile

Bevor er aber zu Zinnstange und Flamme greift, bereitet Tom die Flächen mit Flussmittel vor, das er anschließend erhitzt und abreibt. »Ohne Flussmittel kann das Zinn keine Verbindung mit dem Metall eingehen. Es würde einfach nicht anhaften und abtropfen.« Das Verzinnen selbst ist relativ schnell erledigt.

Der Blick aufs komplette Bike zeigt die neue, organische Linie

Mit einer Gasflamme wird eine Zinnstange erhitzt und mit einem Holzspatel angedrückt und verteilt. Nach dem Abkühlen greift Tom zur Raspel und hobelt überstehendes Material so lange herunter, bis alle Übergänge sauber geglättet sind. Die Form des fast fertigen Tankstretches lässt sich jetzt schon gut betrachten. Spaßeshalber legen wir den neu gestylten Spritbehälter auf die Witwe.

Den Rest übernimmt der Lackierer

Es ist schon beeindruckend, wie sich das Gesamtbild der Honda mit so wenigen Mitteln verändern lässt. Was bleibt noch zu tun? »Na, der ganze Rest«, lacht Tom, »der Lackierer will ja auch noch was zu tun haben. Er wird den Feinschliff übernehmen und die gewünschte Farbe aufbringen. Ach ja, in der Regel verpasse ich den Tanks bei der Gelegenheit gleich eine Innenbeschichtung. Damit wäre der Umbau dann tatsächlich komplett.« Aber das ist ein anderes Thema …

 

 

Christian Heim