Eine Rennsemmel, was Freakiges, ’ne Burnsau – der Plan zu einem außergewöhnlichen Umbau reifte schon vor einigen Jahren. Doch bis Andreas seinen Fireblade-Überfighter fertigbaut, dauert es ein halbe Ewigkeit. Dafür ist die Rau-Honda aber auch ein echter Reißer geworden.

»Rocket Sprocket Custom«, so hieß das Team, das vor einigen Jahren zu unserem privaten Build-da-Fukker-Umbauwettbewerb angetreten war. Die drei Schweizer, unter ihnen Andreas Neuhold, bauten eine in allen Belangen einmalige Kiste. Eine Honda CBR samt Turbolader, verbaut im massiven BFO-Prototyp-Gitterrohrrahmen, mehr Gerät geht nicht.

Rau-Honda – Der Rahmen war ein eBay-Schnäppchen

Dass zum Zeitpunkt der Fukker-Euphorie schon ein neues Projekt in den Startlöchern steht, wird auch Andreas erst später klar. Aber parallel zum damaligen Aufbau ersteht er bei eBay in England einen Rau-Rahmen. »Der hatte keine Papiere oder Zulassung, aber war einfach extrem günstig. Da konnte ich nicht anders«, erinnert sich der kreative Schweizer. »Und irgendwann würde ich damit schon was machen.«

»Trial and Error« lautet die Devise. Im Zuge des Umbaus legt Andreas auch Hand ans Heck. Doch wie so oft beim Customizing bleibt es nicht bei einem Versuch. Dreimal baut er das Heck um, bis es seinen Vorstellungen entspricht und zum Bike passt

Bis zu diesem Irgendwann sollten einige Jahre vergehen. Zwar hatte sich Andreas’ Freund und alter Fukker-Weggefährte Andy schon mit dem Ding beschäftigt, als Motorbasis sollte wieder eine Honda Fireblade dienen, eine Unterkonstruktion für einen Lader und das Plenum wurde gebaut, das war’s aber auch.

Zwei Custombike, nur für Rennen und Motorradmessen

Zeitsprung: Einige Jahre später, kommt Andreas anlässlich einer kleinen Werkstattparty erneut auf das angedachte Projekt zu sprechen. Mit Guido Timmerbeul, selbst Motorradschrauber und Betreiber einer Internet-Custom-Datenbank, heckt Andreas einen kühnen Plan aus: Jeder der beiden soll ein Motorrad bauen, um damit Rennen zu fahren und Motorradmessen zu besuchen.

Was nicht passt, wird passend gemacht, oder am besten gleich selbst hergestellt. So wie die Gabelbrücken, die Andreas selbst fräst und die anschließend die Stand- und Tauchrohre einer Suzuki GSX-R führen sollen

Guido wird sich eine XZ 550 bauen, Andreas endlich das Rocketeer-Projekt beginnen. Ein Spaß-Rennteam namens »Heizgenossen« ist geboren, die Ziele hochgesteckt: Swiss Custom Zürich, Built not Bought Berlin, Wheels & Stones St.Wendel, Glemseck 101, die Big-Twin-Show in Holland und als grande Finale die Custombike-Show in Bad Salzuflen. Lustig, dass die erste Veranstaltung bereits ein halbes Jahr später anstand. Jetzt war Druck da … und den wollte Andreas eins zu eins an seine Karre weitergeben.

Die Rau-Honda soll ein reines Show- und Racebike sein

Bevor es allerdings an die Aufladung des Motors geht, ist das Fahrwerk dran. Da Andreas mit seinem Bike keinerlei Straßenzulassung anstrebt, sondern ein reines Show- und Racebike bauen möchte, kann er in die Vollen gehen. Dieser Schrauberfreiheit fällt als Erstes der Heckrahmen zum Opfer. An seine Stelle soll was Superschlankes, Filigranes treten. In Kombination mit dem sexy Heck ist außerdem ein Sportstertank geplant.

Der Sportster-Tank ist ein Netzfund, der entsprechend umgearbeitet werden muss. Er wird auseinandergeschnitten und neu geformt – bis die Proportionen stimmen. Natürlich muss er auch neu getunnelt werden, denn von der Stange passt an diesem Bike nichts

Im Internet besorgt sich Andreas die Peanut-Hülle, flext das Ding in der Mitte auseinander und formt es so, bis es ihm von den Proportionen her passt. Anschließend schweißt er den Tunnel beziehungsweise die Unterseite des Tanks, die die Konturen vom Plenum und der Druckleitung zum LLK-Lader übernimmt. Und weil der Tank auch ein entsprechendes Logo braucht, baut sich unser Schrauber mal eben aus einem Bierfass einen Schmelzofen, druckt sich die Rocketeer-Logos auf dem 3-D-Drucker selbst aus und gießt sie anschließend aus Alu. Beim zweiten Versuch klappt das sogar.

Rau-Hondamit der Einarmschwinge einer Ducati Monster

Mehr Sorgen als der Tank macht das Heck. Dreimal baut Andreas es, bevor es endlich seiner Wunschvorstellung entspricht. Dazu gibt’s die Einarmschwinge einer Ducati Monster sowie die passenden Räder. Vorn verbaut der Fighterfan die Gabel einer GSX-R, die Gabelbrücken baut er selbst. Nachdem das Fahrwerk steht, ist die Technik dran. »Eine eigene Welt«, wie Andreas zugibt.

In unserem Alltag sind wir doch immer eingeschränkt. Was für eine Wohltat war es da, frei zu träumen, zu skizzieren und umzusetzen. Ich wollte kompromisslos sein und nicht auf Regeln achten«, Andreas hat sein Vorhaben bravourös in die Tat umgesetzt

Die ganze Antriebsseite vom Kompressor muss er selbst konstruieren. Dazu nimmt er den Zündungsimpulsgeber und flanscht eine Achse an, durch die das Pulley für den Riemen angetrieben werden soll. In den Krümmer schweißt er eine Breitbandlambdasonde ein, um bei der Abstimmung genaue Daten zu bekommen. Als Zündung kommt eine Ignitech zum Einsatz, um die Zündkennwerte verstellen zu können.

»Einfach einen Kompressor dranbasteln reicht nicht«

Außen muss die Welle zusätzlich mit einem Kugellager abgestützt werden, damit sie sich nicht verzieht und gleichmäßig rund läuft. Genau Letzteres wird zum Problem. »In Bezug auf Benzindruck, Vergasereinstellung und so weiter musst du an vieles denken und jede Menge rumprobieren. Einfach einen Kompressor dranbasteln, das reicht da nicht«, erklärt Andreas. Und obwohl jede Menge Freunde allerlei Tipps und gute Ratschläge parat haben, klappt am Ende nicht alles.

Die Fighter-Anleihen sind unverkennbar. Statt eines klassischen Scheinwerfers wird ein Projektions- scheinwerfer zwischen den Gabelholmen montiert

Zwar kann das Bike zunächst auf den geplanten Shows gezeigt werden, beim Sprintrennen am Glemseck muss Andreas jedoch eine persönliche Niederlage einstecken. Die Rocketeer springt beim Start nicht an. »Aber hinfallen, aufstehen, Problem lösen«, Andreas lässt sich nicht unterkriegen und schafft es mit den Tipps von Freund »Nitro« aus Berlin, die Kiste endlich zum Laufen zu bringen. Und auch ihrer Anforderung als Showbike wird die brutale Rocketeer am Ende gerecht. Es regnet Pokale für das Bike. Und Kämpfer, das sind sie wahrlich, Andreas und seine Rau-Honda.

Info | rscustoms.ch

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.