Hochglanz am Motorrad ist ein Blickfang, aber nur durch Polieren zu verwirklichen. CUSTOMBIKE zeigt, wie es gemacht wird.

Die Franzosen bei EMD brachten brachten vor einigen Jahren Primärdeckel im Stil der alten Harley-Panhead-Blech-Covers auf den Markt, die den angesagten Vintage-Look für Softail-Harleys verfügbar machte. Ein Manko hat das gute Teil allerdings: Es ist nur schwarz lackiert oder mit rau sandgestrahlter Aluminium-Oberfläche erhältlich. Wer das gute Teil in Hochglanz erstrahlen lassen will, muss sich selbst helfen beziehungsweise sich vom Profi helfen lassen.

Raue Gussoberflächen glätten

Nur die wenigsten werden sich noch manuell mit Schmirgelleinen abmühen, um sich mit fortschreitend feinerer Körnung bis zum allerfeinsten Wasserschleifpapier in Richtung Glanz vorzuarbeiten. Solch altväterliche Vorgehensweisen sind zwar schonend, aber leider extrem zeitintensiv. Materialabtragende Schleifmittel für den maschinellen Einsatz eignen sich hervorragend, um raue Gussoberflächen, wie Motor-, Getriebe- oder Primärgehäuse, zu glätten. Offensichtliche Abweichungen der Oberfläche, wie Kratzer oder auch Gussnasen, die noch von der Herstellungsart zeugen, werden dabei zuerst geglättet.

EMD-Primärkastendeckel aus Aluguss, noch unbearbeitet

Dabei ist immer Vorsicht geboten, denn allzu langer und starker Druck mit mechanisch angetriebenen Schleifkörpern an der gleichen Stelle, führt zu Gräben und Dellen in der Oberfläche. Scharfe Kanten, Nuten oder erhabene Schriftzüge verlangen meist nach gesonderten, schonenderen Werkzeugen, damit sie ihre Konturen bewahren und nicht zu sehr verrunden oder gar ganz abgeschliffen werden. Erst wenn ihr mit der vorgeschliffenen Oberfläche zufrieden seid, solltet ihr zum eigentlichen Polieren übergehen. 

Teile am Motorrad auf Hochglanz polieren

Bei Lippert, einem Schleif- und Poliermittel-Hersteller, gewährte man uns freundlicherweise einen Blick auf eine Auswahl an Werkzeugen und Hilfsstoffen. Jan-Peter Metzger von Polierfuchs, der deren Vertrieb an Schleifereien und private Endverbraucher betreibt, stellt uns Produkte vor, mit denen ein ambitionierter Heimwerker durchaus vorzeigbare Ergebnisse erzielen kann. Als Antriebsmotoren kommen sowohl die in jedem Haushalt vorhandene Bohrmaschine und der Winkelschleifer wie auch professionellere Werkzeugmaschinen in Betracht. Metzger empfiehlt die problemlose Befestigung seiner Polierringe und -scheiben mittels konischen Spanndornen. Tatkräftige Unterstützung in der Demonstration des »vorher-nachher«-Effektes bekommen wir von Thorsten Geiss, dem Polierer der Firma Clean-Chrom. Wir wollen von ihm den neuen Primärdeckel auf Hochglanz bringen lassen.

Vorarbeiten: Die raue Oberfläche wird zunächst am Schleifband geglättet

Unser Alu-Deckel war mit rauer Sandstrahloberfläche geliefert worden und hatte seitdem durch Fräsen eine leichte Änderung erfahren. Diesen Deckel hält Thorsten nun schraubstockartig mit den Händen fest und drückt ihn zunächst an eine mit Schleifband bestückte Maschine, um die raue Oberfläche schon mal grob zu glätten. Wo er mit dem Schleifband nicht hinkommt, nimmt Thorsten den Winkelschleifer mit Schleifteller und schmirgelnden Papierschleifblättern. Kleine Fächerschleifer an der biegsamen Welle nimmt er an ganz verwinkelten Stellen.

Teile am Motorrad besser nicht mit dem Winkelschleifer polieren

»Das Arbeiten mit dem Winkelschleifer würde ich Anfängern nicht empfehlen, da braucht man schon viel Fingerspitzengefühl …«, gibt der Profi zu bedenken. »Schnell sind da Macken ins Material geschliffen, die nicht mehr auszuschleifen sind!« Do-it-Yourselfern empfehlen wir zum Vorglätten an ebenen Stellen einen Schwingschleifer. An unzugänglichen Stellen wird am schonendsten von Hand mit Schmirgelleinen und Wasserschleifpapier geglättet.

Wo mit dem Schleifband nichts zu erreichen ist, geht der Profi ganz vorsichtig mit dem Winkelschleifer und Fächerschleifern an der Biegsamen Welle ans Werk

Die Firma Lippert empfiehlt zum Vorpolieren und Hochglanzpolieren ihre Notiflex-Tuchringe, während von den meisten Polierern, auch von Thorsten Geiss, die traditionelle Sisalscheibe benutzt wird. Nachdem die für den Durchmesser des Polierrings/der Sisalscheibe benötigte Drehzahl eingestellt ist, wird sie mit Vorpolierwachs behandelt. Hierbei wird der barrenförmige Wachsklotz kurz an das rotierende Wirrfaserflies oder Sisal gehalten, so dass Wachsteilchen daran kleben bleiben. In den Polierwachsen, die es grob und fein gibt, sind Schleifmittel gebunden und die sind maßgeblich für eine effektive Arbeit verantwortlich. Wer bei der Arbeit zwischendurch öfter das zu polierende Werkstück reinigt und ans Licht hält, tut gut daran. Denn nur so ist die erreichte Glattflächigkeit zu beurteilen und es wird sichtbar wo weiter geglättet und nachpoliert werden muss. 

»Besser weniger und dafür öfter als zu viel auf einmal«

Wachs wird während des Poliervorgangs immer wieder neu aufgetragen und hier gilt die Devise: »Besser weniger und dafür öfter als zu viel auf einmal.« Fürs detaillierte Vor- und Fertigpolieren von Vertiefungen und Rippen, Ecken oder erhabene Schriften, hat der Polierer Miniaturwerkzeuge, Filz-Polierstifte und Scheiben in mannigfaltiger Ausführung auf Lager. Wir sind mit dem bisherigen Ergebnis fast zufrieden und haben dabei auch schon erstaunlichen Glanz geschaffen. Mit Mini-Schleifern und -Werkzeugen wird im Detail nachgearbeitet, dann wechselt Thorsten den großen Vorpolierring gegen einen weicheren aus gewebtem Material aus Nessel oder Flanell.

Für glänzende Ergebnisse braucht es ordentliches Werkzeug – und davon mehr als eins

Zum Fertigpolieren kommt Hochglanzwachs, das der Fachmann auch Abklärwachs nennt, auf den Polierring. Wer schon vorher vom erzielten Glanz überrascht war, wird jetzt ein strahlendes Wunder erleben. Fleck um Fleck erhält das gute Stück die ersehnte, spiegelgleiche Oberfläche. Knapp über zwei Stunden hat die Bearbeitung gedauert. Zum Finale entfernen wir noch die letzten Wachsreste mit Wienerkalk – voilà, unser Primärdeckel ist anbaufertig oder bereit zur weiteren Behandlung in einer Verchromerei.

Noch ein paar Tipps zum Polieren der Teile am Motorrad

Dichtflächen dürfen während allen Bearbeitungsschritten keine Kratzer bekommen und ihr solltet sie tunlichst auch nicht ballig oder hohl schleifen. Mit Wachs zugesetzte Scheiben schmieren nur und polieren mit verminderter Leistung. Eine an die rotierende Polierscheibe gehaltene Drahtbürste oder eine alte Feile macht verschmierte Scheiben wieder frei. Wachsverschmierte Oberflächen an polierten Teilen reinigt ihr mit »Wienerkalk« und einem weichen Baumwolltuch. Nur zur äußersten Not lösungsmittelhaltige Reiniger verwenden.

»Beim Auftragen des Polierwachses gilt die Devise: Besser weniger und dafür öfter als zu viel auf einmal.«

Sicherheit geht vor. Deshalb eng anliegende Kleidung, Schutzbrille und Atemschutz tragen. Schutzhandschuhe sind bei Profis umstritten. Die richtige Umfangsgeschwindigkeit der Scheiben ist ausschlaggebend für den Schleif- und Poliererfolg und für die Arbeitssicherheit. Faustregel: Je härter das zu bearbeitende Material, desto niedriger die Geschwindigkeit, je weicher, desto höher. Als Höchstgeschwindigkeiten für Lamellenschleifscheiben werden maximal 40 m/Sekunde, für Polierscheiben 32 m/s und für Finishscheiben gar nur 15-20 m/s empfohlen. Schleifmittel-Hersteller geben auf ihren Produkten meist die Schnittgeschwindigkeit oder die Höchstdrehzahl an. Diese Angaben sollten zur eigenen Sicherheit berücksichtigt werden.

 

Horst Heiler
Freier Mitarbeiter bei

Jahrgang 1957, ist nach eigenen Angaben ein vom Easy-Rider-Film angestoßener Choppaholic. Er bezeichnet sich als nichtkommerziellen Customizer und Restaurator, ist Mitbegründer eines Odtimer-Clubs sowie Freund und Fahrer großer NSU-Einzylindermotorräder, gerne auch gechoppter. Als Veranstalter zeichnete er verantwortlich für das »Special Bike Meetings« (1980er Jahre) und die Ausstellung »Custom and Classic Motoräder« in St. Leon-Rot (1990er Jahre). Darüber hinaus war er Aushängeschild des Treffens »Custom and Classic Fest«, zunächst in Kirrlach, seit 2004 in Huttenheim. Horst Heiler ist freier Mitarbeiter des Huber Verlags und war schon für die Redaktion der CUSTOMBIKE tätig, als das Magazin noch »BIKERS live!« hieß. Seine bevorzugten Fachgebiete sind Technik und die Custom-Historie. Zudem ist er Buchautor von »Custom-Harley selbst gebaut«, das bei Motorbuch Stuttgart erschienen ist, und vom Szene-Standardwerk »Save The Choppers!«, aufgelegt vom Huber Verlag Mannheim.