Frauenmoped, ein gern abfällig benutztes Wort. Dabei ist diese Yamaha XS 400 nicht nur ganz selbstverständlich eins, sondern lässt durchaus auch Kerle Stielaugen bekommen.
Es ist zu schön, um wahr zu sein. Da hockst du als Kerl in deiner winzigen Werkstatt im hessischen Ried und bist so angesagt, dass dir sogar die Weiber aus dem hippen Berlin die Custombude einrennen. Ist natürlich nur die halbe Wahrheit, denn Babett aus der Hauptstadt kennt Jürgen alias Freakie aus dem Ried schon eine ganze Weile.
Yamaha XS 400 im lässigen Bratstyle
Und so kommt es, dass Babett ihr erstes Bike bei dem Freund in Auftrag gibt, der lockere 600 Kilometer weit weg schraubt. Einen Führerschein hat die Berlinerin zu diesem Zeitpunkt übrigens noch nicht, sondern quält sich noch in Theoriestunden und auf Übungsplätzen beim Hütchenfahren.

Die Richtung für den Umbau kristallisiert sich relativ schnell raus. Babett favorisiert nach Durchsicht von zahlreichen Bildern im Internet einen lässigen Bratstyle – leicht, wendig, easy zu fahren. Und weil Jürgen die großen 700er- und 900er-Japan-Klötze für diese Zwecke ausschließt, bleiben beide am Schluss bei der kleinen Yamaha XS 400 als Basismotorrad hängen. Jürgen ersteht sicherheitshalber gleich zwei Stück davon, in einer ist die Schwinge schon um gute zehn Zentimeter verlängert – Babetts Basis ist gefunden.
Die alten Japan-Motoren sind dankbare Gesellen
Der erste Arbeitsschritt ist meist derselbe: Komplett zerlegen, »dann siehst du meist schon, in welche Richtung das weitergeht«, sagt Jürgen. Im Fall der XS gibt es zunächst einen neuen Vergaser und Luftfilter für den Viertakter, »dann passt das meist schon.« Es ist wahrlich nicht nur ein Gerücht, dass die alten Japan-Motoren dankbare Gesellen sind und ewig halten. Der passende Auspuff, knackig kurz und mit eingeschweißtem Interferenzrohr, macht den Motor komplett.

Den Rahmen der Yamaha befreit Jürgen von allen überflüssigen Haltern und kürzt das Heck. Cafe-Racer-like gibt es stattdessen einen Höcker, der aus einem alten Sportster-Tank neu geformt wird und gleichzeitig das Rücklicht aufnimmt. Den Bezug der Sitzbank übernimmt Theobald Leatherworks, Profi in Sachen Sattler-und Punzierarbeiten.
Yamaha XS 400 mit NSU-Tank
Das Bike nimmt Gestalt an und Babett mit ihren überschaubaren 1,60 Meter Körpergröße kommt zwischendurch vorbei, um Maß zu nehmen. Die geringe Sitzhöhe der XS, unter 80 Zentimeter von Haus aus, spielt Babett in die Karten. Die Federbeine dürfen daher original bleiben. Der Tank kommt von einer alten NSU, der Lenker wird einfach umgedreht montiert, eine Lampenmaske handgedengelt.

Und Jürgen montiert Gussräder in 18 Zoll, die er mit Shinkos bezieht. Und schon nölen wieder alle, was Stollenreifen auf einem Straßenbike zu suchen haben. Wir raten dazu, erstmal sowas zu fahren, bevor gemeckert wird. Denn so groß ist der Unterschied zu klassischen Straßenreifen dann doch nicht, dafür bringen die Stollen aber optisch satte Vorteile.
Mattschwarz drauf, abschleifen, Klarlack drüber, fertig!
War noch was? Ach ja, der Lack. Während andere sich in aufwendigen Techniken üben, um Vintage-Look zu erzeugen, sprüht Jürgen einfach fröhlich mit Mattschwarz durch die Gegend. Abschleifen, Klarlack drüber, fertig ist ein lässiges Finish. Pünktlich zur Fertigstellung des Bikes hat Babett auch ihren Lappen in der Tasche. Soll noch einer sagen, die Männer vom Land wissen nicht, wie man die Großstadtmädels glücklich macht.
Info | Freakie-Motorcycles
Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.