Geordnete Verwandtschaftsverhältnisse, ein unbezahlbarer Freundschaftsdienst und ’ne billige Schlampe aus dem Osten – Daniels MZ ETZ 250 ist günstige und zuverlässige Selbstdengel-Ware.

»Der Onkel von meiner Tante wusste, wo da noch was rumsteht«, so beginnen die besten Geschichten, klare Sache. Da ist auch egal, dass das Objekt der Begierde eigentlich eine rattige Leiche ist. Überhaupt, Männer auf der Jagd lassen sich nicht von Rotzigkeit, triefenden Motoren und rostigen Oberflächen beeindrucken, hinter dem größten Ranz erkennen sie Schönheiten, die sich dem Rest der Welt kaum erschließen mögen – eines dieser ungelösten Rätsel von Motorradverrückten wie Daniel aus Pforzheim.

MZ ETZ 250 – Zweirad-Relikt aus der DDR, Kultstatus inklusive

Aufgewachsen nur vierzig Kilometer vom MZ-Werk in Zschopau entfernt, musste er irgendwann eine Emme haben, dieses Zweirad-Relikt aus der DDR, Kultstatus inklusive. In seinem Nebengewerbe »Nobody Designs« hat sich Daniel auf günstige Umbauten eingeschossen, zu ihm kommen Leute, die für wenig Kohle ein bisschen Custom wollen. Obwohl Daniel den Lappen hat, seit er achtzehn ist, waren Motorräder zwischendrin lange Zeit kein Thema, das Geld fehlte einfach.

Ein Tank über allem: Über einem ehrlichen Alltagsgskrad thront die bunte Benzinschüssel. Eine Arbeit von Chiko, die Daniel als Freundschaftsdienst verbuchen konnte und bis heute dankbar feiert

2011 dann der Wiedereinstieg mit einer Honda Fireblade und das Schrauben als Ausgleich zum Job, damals noch in der Werkstatt eines Freundes mangels eigener Location. Auch seine Emme baute er dort auf. Das Bike hatte er im Originalzustand gekauft, so wird erstmal Ballast abgeworfen. Der fette Batteriekasten, diverse Abdeckungen, die massive Tachoeinheit an der Gabelbrücke – die Flex läuft heiß. Den Heckrahmen ändert Daniel in Absprache mit seinem TÜVler ab, »alles eingetragen, das ist mir wichtig«, erklärt er.

Im Tausch gegen ein paar Bier ist einiges möglich

Da Daniel im Hauptjob Elektroinstallateur ist, kann er sämtliche Elektroeinheiten an seinen Bikes selbst verändern. Dabei folgt er immer dem gleichen Schema. »Originaler Kabelbaum raus, minimieren, optimieren, so läuft das bei mir meistens«, verrät der Hobbyschrauber. Unter der Sitzbank der MZ sitzt sein »Elektrokasten«, fast sämtliche Elektronik und die Batterie sind hier versteckt, nur Kupplung, Bremse und Gas sitzen noch oben. Außerdem legt Daniel die Zündspule nach außen, da die bei der MZ doch gern mal durchbrennt, wenn es ihr zu warm wird.

Daniel wird’s egal sein, was er da gebaut hat. Wenn’s aber eine Schublade sein soll, dann nehmen wir die zwischen Bratstyle und Cafe Racer

Versteckt im Kasten wäre dieses Risiko vorhanden gewesen, »in meinem Fall wird sie da schon besser gekühlt«, erläutert Daniel. Nachdem die Elektrikarbeiten abgeschlossen sind, konzentriert sich der Wahl-Pforzheimer auf die Beschaffung von Teilen. Einen nagelneuen Satz Reifen ersteigert er von Privat bei Ebay. Die Fehlkäufe anderer können da richtig sparen helfen, normalerweise wären die Heidenaus doppelt so teuer gewesen. Kleinigkeiten findet unser Günstigschrauber in den Werkstätten von Freunden, im Tausch gegen ein paar Bier ist da einiges möglich. Die Ledertasche am Heck spendiert der Großvater. Lampen und Rücklicht beispielsweise sind günstige Aftermarket-Teile, die Dose Mattschwarz für den Rahmen gibt‘s im Baumarkt.

MZ ETZ 250 mit dem Tank einer TS 250

Zum teuersten Teil des Umbaus mutiert die Sitzbank, die lässt Daniel professionell beziehen. »Der Ledermacher« ist ein übler Pedant und erkennt bei der Erstversion der Sitzbank einen Fehler. »Eine Naht war wenige Millimeter zu kurz, das hätte ich niemals gesehen«, erzählt Daniel. Sein Polsterer lässt es nicht auf sich sitzen und macht alles nochmal, der Preis ändert sich dadurch nicht. Zum günstigsten Teil des Bikes mutiert dagegen der auffällige Tank. Den hatte Daniel von einem Bekannten seiner Familie geschenkt bekommen.

Seine Bikes sind immer günstig aufgebaut. So stammen die Federn der Emme ebenfalls aus Zschopau, günstige Gebrauchtware eben

Über seinen Vater lernte er parallel den Pforzheimer Lackierer Chiko kennen und bat diesen, dem alten MZ-Gefäß ein bisschen rote Farbe zu verpassen. Weil aber der Chiko mit »nur ein bisschen« leicht unterfordert und selten zufrieden ist, steht er ein paar Wochen später mit einem Tank vor Daniel, der dem das Wasser in die Augen treibt. »Wäre ich eine Frau, ich hätte ihm sofort einen Heiratsantrag gemacht.« Chiko verlangt kein Geld für seine Arbeit, sondern verbucht sie unter Freundschaftsdienst. In der Pforzheimer Szene wäscht eine Hand die andere, die Jungs halten fest zusammen. Daniels MZ ist da mittendrin, ein Alltagsbike mit Spaß dabei – gute Fahrt, Genosse!

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.