Der Weißrusse Yuri Shif ist einer der besten Customizer Europas. Mit dieser Moto Guzzi 750 hat er das einmal mehr bewiesen

Okay, dieses Motorrad noch als Moto Guzzi zu bezeichnen ist eigentlich Quatsch. Sicher, der Antrieb, der einer moderneren 750er Guzzi entstammt, ist markant. Das liegt schlicht in der Natur des 90-Grad-V2 mit längsliegender Kurbelwelle, Kardanantrieb und Einspritzung. Aber alles, was wir drumrum sehen, ist eben keineswegs Guzzi, sondern nahezu einhundert Prozent Yuri Shif.

Das Bike ist für eine junge Pilotin konzipiert worden

Trotzdem wählte der Customizer den Motor für das Projekt mit Bedacht. Das Bike ist nämlich ein Kundenauftrag und wurde für eine junge Dame konzipiert, deren Hobby das Fliegen ist. »Der Guzzi-V2 ähnelt in seinen Formen einem Flugzeugmotor, deshalb habe ich mich für ihn entschieden«, erklärt uns Yuri, der auch den Rest des Motorrades dem Thema unterordnete.

Lenker, Armaturen und Lampenverkleidung sind selbstgebaut. Von der 750er Moto Guzzi blieben am Ende nur Motor und Getriebe übrig

»Ich wollte ein Gefühl vom Fliegen erzeugen – diese Leichtigkeit eben.« Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass Yuri das Thema aufgreift. Seine »Yuri Gagarin«-Harley-Softail widmete er vor ein paar Jahren dem gleichnamigen, russischen Weltraumpionier. Und schon damals überzeugte sein Werk durch massive Metallarbeiten, noch so ein Ding, das Yuris Kreationen auszeichnet.

Moto Guzzi 750 – Demonstration moderner Handwerkskunst

Für den Guzzi-Motor bot er alles auf, was heutige CAD-Technik und Fräserei zu bieten hat. Und obwohl nicht mal so viel am Motorrad dran ist, ist es doch eine Demonstration moderner Handwerkskunst. Zunächst fertigt Yuri einen Brückenrahmen, der den Motor als tragendes Element in Szene setzt.

Das zentrale Federbein liegt gut versteckt zwischen den Zylinderköpfen

Den Kardan behält er bei, fräst allerdings die Schwinge selbst. Das einzelne Federbein ist beinahe unsichtbar zwischen den Zylindern versteckt, die dafür gebaute progressive Federung ist im ansonsten freien Rahmenheck gut zu erkennen. 

Moto Guzzi 750 – spektakuläres Frontend

Noch spektakulärer wird es am Frontend, denn auch Gabel, Brücken und Lenker sind Eigenbauten. Die Gabel folgt dabei dem klassischen Girder-Prinzip, wenn auch zurückhaltender und cleaner als die Custompioniere es in früheren Zeiten umsetzten.

Der schmale Sitzhöcker ist wie der Tank auch handgearbeitet und schwebt scheinbar frei in der Luft

Die gebürsteten Gabelholme münden in das ebenfalls eigens gefertigte Scheibenrad samt großer Perimeter-Bremse, die Bremsleitungen sind eng an die Gabel gepresst. Hinten tut es für Yuri übrigens eine einfache Duplex-Trommelbremse im bau- und größengleichen Scheibenrad.

Auf eine Lackierung wurde bewusst verzichtet

Sitzbank, Tank und Lampenmaske wirken wie aus einem Guss, natürlich, denn auch sie wurden eigens für das Motorrad angepasst und gebaut. Auf eine Lackierung verzichtet der Customizer, lediglich feine blaue Linierungen lässt er zu. »Die Metallarbeiten sollen für sich sprechen«, sagt er und blickt zufrieden auf sein Werk.

Kunstwerk: Rund um den Guzzi-V2 tat Customizer Yuri Shif das, was er am besten kann – Metall formen und Linien zur Perfektion treiben

Was übrigens als fertiges Bike luftig und leicht wirkt, war beim Aufbau ein zähes Ringen mit Formen, Materialien und Ideen. »Ein Jahr habe ich mit meinem Team insgesamt daran gearbeitet«, erzählt Yuri, »manchmal dauert es einfach, bis ich wirklich zufrieden bin.«

Info |  shifcustom.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.