In einer ehemaligen Scheune frönt Rico seinem großen Hobby, und zieht die ganze Familie mit – Willkommen in der Last Garage

Groß-Särchen ist nicht das Ende der Welt, auch wenn man das dem Kaff in der Oberlausitz angesichts von gerade mal 1200 Einwohnern durchaus zutrauen würde. Arbeitsplätze sind knappes Gut, die Infrastruktur so na ja. Rico hat immerhin einen Job, »volle Pulle im Schichtbetrieb, 40 Kilometer von meinem Dorf weg«, wie er erzählt.

Mit der AWO begann quasi jede Schraubergeschichte

Den Ausgleich, das Runterkommen vom Stress in der Werkstatt, findet Rico früh, der heute 40-Jährige ist in diesem Punkt ein echtes DDR-Kind. »AWOs, umgebaut mit dem, was halt da war«, so begann quasi jede Schraubergeschichte im Osten. Später kommen englische Motorräder hinzu, »oder auch mal was Japanisches für zwischendurch, wenn ich gerade keine Flo-cken hatte«, erzählt Rico. Den ersten AWO-Umbau behält er trotzdem. »Es ist mein Ururumbau«, spricht er über das Motorrad, das sich den umgebauten Scheunenkomplex mit Harley Ironhead, einer Triumph Thunderbird, mit BSA Goldstar und dem Cafe Racer von Ricos Frau teilt.

Seine Harley-Davidson Sportster setzt Rico auch im Alltag ein. Das Kettcar hingegen chauffierte einst den Sohn über das weitläufige Anwesen

Die Arbeiten an seinen Moppeds erledigt Rico komplett selbst, auch die Lackierungen. »Ich habe im Laufe der Jahre unheimlich viel Lehrgeld bezahlt. Nur einmal, da holte ich mir Hilfe beim Aufbau eines Motors«, erzählt der Schrauber. Eine ehemalige Fleischerei bewohnt Ricos Familie, zu der auch zwei Söhne, vier und sieben Jahre alt gehören. »Die nehme ich schon immer mit, wenn wir auf Treffen fahren, die sollen geprägt werden. Und meine Frau unterstützt mich eh, zieht voll mit, oft gehen wir zusammen Mopped fahren. Ohne sie, meine Familie und die Freunde würde das alles eh nicht so laufen. Da bin ich echt dankbar für, die lassen mich machen.«

Die Last Garage – groß, schön, authentisch

Ricos Werkstatt in der alten Scheune ist groß, schön, authentisch. Moppeds und Teile stapeln sich, und beim Blick über das Sammelsurium ist klar, auf was Rico steht, alte Schule, immer umgebaut. »Wobei, auf diese ganze Poserkacke stehe ich nicht. Ich bin wie ich bin und folge keinem Trend. Ich tue das, was mir Freude macht, schon immer. Und das ist neben dem Schrauben an den Karren noch etwas anderes.«

Rico schraubt nicht nur an seinen Bikes, er bemalt und pinstriped auch Möbel und alles andere, was ihm so unter die Finger kommt

So ist Ricos Garage gleichzeitig ein Atelier, die vielen bemalten Schränke, Werkzeugwagen und Accessoires deuten es an. Aus all dem, was ihm auf Schrottplätzen oder in alten Abrisshäusern in die Hände fällt, kreiert Rico seine eigene Kunst. Aus Zahnrädern, Auspuffanlagen, alten Getrieben und Motoren, aus Werkzeugen, Holzbalken, aus Tür- und Fensterrahmen entstehen so Skulpturen oder Möbel wie Tische und Stühle. Dazu malt der Sachse, pinstriped, viel für Freunde und Familie.

Der gute Ort, fast am Ende der Welt

Aber durchaus auch als kleiner Nebenerwerb zum Verkauf an Leute, die Bock auf handgefertigte Einzelstücke haben. Last Garage nennt Rico dieses, sein Projekt, es ist auch der Name seiner Werkstatt. Schon früher hatte Rico in einem Garagenkomplex zusammen mit seinem Kumpel zwei Abteile eingerichtet. »Wenn Leute uns fragten, welches unsere Buden seien, so sagten wir immer: die zwei letzten, da ganz hinten«, der Name »Last Garage« blieb. Ein guter Ort, fast am Ende der Welt.

Info | last-garage.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.