Obwohl es aussieht, als wäre sie aus losen Einzelteilen vom Schrotthändler zusammengemurkst, täuscht der erste Blick gewaltig: Jan Schulte-Meyer baute seinen Flow-Tracker auf Basis einer Kawasaki Z400 nach Plan.

Seit Jahren hängt das blaue Nummernschild seines seligen Honda-CL-450-Scramblers in der Werkstatt. Aus den Niederlanden hatte Jan von Klassik Kustoms das Schätzchen vor einigen Jahren nach Hagen geholt – damals, als die Motorradwelt noch von »höher, schneller, weiter« regiert wurde. Seither hat sich viel getan. Es scheint, als wären Generationen vergangen.

Surfbretter am Moped durch die Gegend fahren, ohne zu surfen

Die Entdeckung der Langsamkeit, Entschleunigung und »back to the roots« malen das moderne Bild des Kradisten – und natürlich Surfbretter am Moped durch die Gegend fahren, ohne zu surfen. Die CL ist schon wieder verkauft, aber die verbliebene Behördentafel soll in dieser Geschichte noch eine Rolle spielen.

Starker Auftritt für eine 440er: Ein gutes Händchen bei der Teilewahl schafft eine straffe Figur und eine stimmige Linie

Einige selbstgebaute Scrambler und Tracker auf Nippon-Basis haben die Garage in Hagen seit der Honda verlassen, doch an jedem dieser kleinen Ackerwusler hat Jan etwas auszusetzen. Entweder ist der Motor schlapp oder der Eimer sieht verschärft aus, aber das Fahrwerk ist keinen Pfifferling wert. Oder wahlweise auch genau andersrum. Bleibt letztlich nur eine Konsequenz: »Mein Flow-Tracker wird das Beste aus allen Teilen.«

Kawasaki Z400 mit 440er LTD-Twin

Nach diesem Schlachtplan entsteht also die kleine Dreckschleuder auf Basis einer Kawasaki Z400 von 1979, und große Änderungen sind vorgesehen: Der Motor wird direkt gegen den 440-Kubik-Twin der LTD aus gleichem Haus getauscht, der von größeren Vergasern und offenen Luftfiltern beatmet wird. Der herztransplantierte Rahmen bekommt Zuwendung von der Trennscheibe.

Auf dem Tank: »El Hurón« ist spanisch für Frettchen – kleine, wendige Viecher eben

Dem rotierenden Gerät fallen Teile des Heckrahmens sowie etliche unnötige Haltelaschen und Bleche zum Opfer, das spart ein paar Gramm ein. Außerdem ist ein Umbau ohne Frameworks heutzutage nicht mehr credible für Customizer. Auch die originale Tankaufnahme muss dran glauben und wird zur Anpassung des Tanks einer Yamaha DT 175 MX neu gesetzt.

Die Kawasaki Z400 bekommt eine gekürzte Honda-Gabel spendiert

Ins geöffnete Heck wird der obligatorische Rundbogen geschweißt und der komplette Hintern mittels gekürzter Dämpfer 40 mm näher an den Boden gebracht. Die Federung der Front soll die Gabel einer Honda CB 360 GS übernehmen, die zu diesem Zwecke ebenfalls um vier Zentimeter gekürzt wird. Dem Erbauer sei dank passt sie in die Kawa-Brücken. Die Duplex-Trommel einer Honda CB 450 K0 in der Front sowie die originale Nabe am Heck werden mit San-Remo-Felgen neu eingespeicht.

»Der Bauer muss den Pflug selber führen, wenn es gedeihen soll«, so lautet eine Bauernregel. Jan hält sich dran und pflügt mit dem Flow-Tracker Crossstrecken und Sprintmeilen um

Noppengummi von VeeRubber und Heidenau pflügen den Acker um. Dass die ganze Sache funktioniert sehen Jan und das Publikum im Sommer beim Wheels & Waves. Auf eigener Achse rollt der Flow-Tracker von Hagen nach Biarritz und nimmt am dortigen Rennen teil. Zwar scheitert der Tracker bereits in Runde zwei, aber mit 440 Kubik und erdachten 40 PS ist bei den Szenerennen kein Blumentopf mehr zu gewinnen.

Mit der Kawasaki Z400 beim Sprintrennen

Ein Beweis ist dennoch erbracht: Die Krabbelkisten-Kawa funktioniert wie geplant. Zwischen dem Rückweg von Frankreich und der Anreise zum Glemseck wird ordentlich auf einigen Crossstrecken der eigentlichen Bestimmung des Scramblers gefrönt. Beim 101 sind Jan und sein Flow Tracker ebenfalls für die Sprintrennen angemeldet und eine 500er-Honda latzt er zwar noch ab, aber gegen den folgenden Dreiviertelliter Hubraum geht nix mehr.

»Mopeds auf Wiese gehen gar nicht!«, lautet eine Fotografenregel in unserem Verlagshaus. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel, denn wo sonst hätte man die Kiste standesgemäß ablichten sollen?

David gegen Goliath ist eben rein biblisch und wir sehen jetzt schon nur noch turbo- und kompressorgeladene Tuningschaukeln bei den ganzen Sprints antreten. Eigenwilliges Volk. Doch genug gehatet, das Thema soll heute die sympathische Feldfräse aus Hagen sein.

Kawasaki Z 400 – XXXXXXXXXX

Jan kümmert sich auch um sich selbst, denn sein geschundener Crosser-Hintern verlangt nach bequemer Auflage. Eine SR-Sitzbank ist flugs neu gepolstert und mit Leder bezogen. Nach Montage der neuen Couch ergibt sich ein – überraschend – stimmiger Übergang von Tank, Rahmen und Sitzbank, eine der großen Hürden beim Strippen eines alten Mopeds. Der Z-Rahmen scheint im Nachhinein wie geschaffen für einen tiefgreifenden Umbau.

Ein nimmermüder Ackerpflüger ist die federleichte Kawa, aber auch ein fieses kleines Renngerät beim Achtelmeile-Sprint. Und am Ende sogar ein tourentaugliches Spaßgerät, das den Ritt vom Ruhrpott an die französische Küste gemeistert hat. Richtig gut für einen Klassiker

Aber hat das Schreibfleisch eingangs nicht etwas vom Nummernschild gefaselt? Stimmt. Das Teil wird zum Hitzeschutz am Eigenbaukrümmer umfunktioniert. Das sieht zwar aus wie Omas-Bad-Emaille, wahlweise Ofenkachel, eine geile Idee ist es trotzdem. Was bleibt zu sagen als letzte Worte? Der Flow Tracker zeigt, was Schrauberfreude einmal war. Vor der Zeit, als plötzlich alle Teile CAD-wasserschnitt-gelasert wurden und Perfektion am Rad die Welt regierte. Schön.

Info |  klassikkustoms.com

 

 

Jens Kratschmar