Diese Honda CB 400 N hat es uns auf den ersten Blick angetan. Aber wer ist ihr Erbauer, verdammt noch mal …

Ein paar Bilder eines Bikes und ein paar kryptische Angaben zum Erbauer, der unter »Ed Turner Motorcycles« firmiert. Mehr hatten wir zunächst nicht, als wir mit der Recherche zu diesem Bike begannen. Die Honda CB 400 N ist irgendwie anders, passt nirgendwo so richtig dazu, aber man spürt sofort einen Fahren-will-Impuls. Weil das Ding einfach nach jeder Menge Spaß aussieht.

Ed Turner gibt es nicht …

Aber wir kannten Ed Turner nicht. Einer von diesen jungen, wilden Amis, die zeigen wollen, was sie draufhaben vielleicht? Nun, bei unserer Recherche stießen wir natürlich auf Edward Turner, den wohl berühmtesten englischen Motorradingenieur, der zum Beispiel die Geschicke von Triumph und Ariel bestimmte. Aber er konnte kaum verantwortlich für unsere Honda sein, immerhin ist er seit bald 50 Jahren tot.

Okay, okay, das Rad kann nicht neu erfunden werden, aber diese Mischung aus Cafe Racer und Supermoto ist zumindest ziemlich nah dran

Also weitersuchen. Schließlich erhielten wir einen Tipp, aus Frankreich sollen die ungewöhnlichen Bikes stammen, genauer aus Nantes. Und tatsächlich stießen wir dort auf die kleine Bude, in der seinerzeit erst seit ein paar Monaten überhaupt ernsthaft Motorräder gebaut wurden. Als wir am Telefon nach Ed Turner fragten, gab’s am anderen Ende nur ein Lachen, »Den gibt es nicht, ich baue die Bikes«, erklärte uns Karl Renoult.

Honda CB 400 – Das Design entsteht automatisch

Er hat sich den ungewöhnlichen Namen für seine Firma ausgedacht. »Es ist ein Wortspiel des Begriffs >Headturner<, also einfach Dinge, die den Leuten den Kopf verdrehen«, erklärt Karl. Ist ihm ja hier gelungen. »Ich mag klare Linien, elegant, aber eben auch kompromisslos«, erklärt Karl seine Philosophie, die stark von den 70er- und 80er-Jahren inspiriert ist.

Minimal ausgestattet: Der Lenker ist komplett clean, einige wenige Hebelchen reichen, die Kontrolle zu behalten. Der Anlasserschalter ist noch hinter der Gabelbrücke montiert, ein Knopfdruck genügt

Vorm Bauen macht er sich trotzdem keinen exakten Plan, das Design entsteht automatisch. »Es gibt bei mir keinen >one size fits all<-Ansatz, meine Arbeit konzentriert sich auf die Ästhetik, die Harmonie der Kurven und die Liebe zum Detail. Das ist bei manchem Bike einfacher, bei anderen schwieriger, aber grundsätzlich glaube ich, dass jedes Bike Umbaupotential hat.«

Honda CB 400 – Irgendwo zwischen Supermoto und Cafe Racer

Und so entstand im Falle der Honda CB 400 N ein Hybrid, der irgendwo zwischen Supermoto und Cafe Racer schwankt. Vom ursprünglichen Fahrwerk blieb kaum was übrig. Karl beschnitt den Heckrahmen massiv, rüstete das Bike auf eine Monofederung um und verlängerte die Eigenbau-Schwinge. Der fertige Rahmen wurde mattschwarz gepulvert. Das nun hochbeinige Gerät stellte er auf 17-Zoll-Supermotorräder.

»Manche Bikes sind einfacher, andere schwieriger umzubauen. Aber grundsätzlich glaube ich, dass jedes Bike Custom-Potential hat «

Das Frontend spendierte eine Honda CBR, der Auspuff kommt von einer FZ6, »Ich habs halt mit sportlichen Motorrädern«, zuckt Karl mit den Schultern. Die scheinbar frei über dem Rahmen schwebende Sitzbank ist ein Eigenbau-Teil, das darunter blinzelnde Malteserkreuz-Rücklicht ein hübsches Detail. Die Frontlampe stammt von einem Auto. Die Elektrik hielt Karl komplett minimal, teilte dafür sogar den Kabelbaum. Nichts sollte die coole Optik stören. Viele Teile polierte er von Hand und entschied sich bei der Farbgebung – außer dem Tank gab es nichts zu lackieren – für ein Metallgrau und geflakte Streifen in Gelb, Rot und Blau.

Ed Turner Motorcycles – Nach drei Jahren war Schluß

Diese Honda war das dritte Bike, das in dem kleinen Laden in Nantes gebaut wurde. Neben ihr glänzen beispielsweise noch eine CB 350 in einem völlig reduzierten Chopperstil und eine BMW R 65, aus der Karl einen Cafe Racer auf Einarmschwinge baute. Die BMW sorgte beim Wheels and Waves schonmal für mächtig Wirbel. Leider war nach drei Jahren Schluss, aus verschiedenen Gründen zog sich der Customizer aus der Öffentlichkeit zurück. Wer mehr über Ed Turner wissen möchte, dem ist unser Artikel über ihn ans Herz zu legen.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.