Es ist eine dieser wunderbaren Geschichten, wie Tom und unser Magazin sich fanden. Ein Mann und seine Harley Ironhead.

Fast hätte es schon einmal hingehauen. 2011 hatte sich Tom mit seiner Shovel für unseren jährlichen Custombike-Wettbewerb beworben. Dabei war das Motorrad, das Tom sich zugelegt hatte, nachdem er alle Reliquien aus seiner Zeit als Superbike-Rennfahrer verkauft hatte, zunächst völlig verrotzt und schrottig.

Alte Böcke sind mein Ding

Er wollte etwas Cooles in der Werkstatt haben. Stattdessen wurde er von den alten Rennkumpels für die ranzige Bude schwer ausgelacht. »Doch irgendwann kam ich drauf, dass die Shovelhead alles andere als ein Fehlkauf war«, erzählt er, »vielmehr wurde mir klar, dass diese alten Böcke komplett mein Ding sind.«

Oberflächlich betrachtet: Der improvisierte Spraydosenlack wich einem Custompainting von Dave Addis aus England

Im Internet verliebte sich Tom in die Umbaukultur, die amerikanische Buden wie Hippy Killer, Love Cycles, Noise oder Zombie Cycles vorleben. Schmale Lenker und Reifen, Sissybar und Metalflake-Lackierung. Die fertige Shovel sorgt für Aufsehen, egal wo Tom hinfährt. Evos mit Ape, 300er-Reifen, Satteltaschen, Heizgriffe – das war seinerzeit Customizing made in Austria.

Oldschool ist der bunte Hund

Die Oldschool-Harley fällt unter den ganzen Newstylern auf wie ein bunter Hund. Dann die Anmeldung zu unserem Umbau-Contest. Kurz darauf braucht Tom dringend Kohle, er verkauft die Shovel, »an einen Schnösel«, wie er sagt. Drei Tage später – Tom ist gerade mit seiner Frau essen – klingelt sein Telefon. Am anderen Ende eine Redakteurin aus Mannheim, die ihn fragt, ob sie einen Fotografen schicken kann. Sein »Silversurfer« lag so gut im Wettbewerbsrennen, dass wir den Österreicher kontaktieren mussten. Toms Abend ist gelaufen, das Bike ist ja nicht mehr verfügbar.

»So ein 40er Dell‘Orto ist einfach ein verdammt geiler Vergaser«

Und es nervt ihn die nächsten Wochen und Monate und überhaupt. Das geht so lange, bis Tom beschließt, sich wieder eine Harley zu kaufen. Das schmale Budget – Frau und vier Kinder brauchen ja auch ab und an was zu essen – lässt nur ein völlig abgefucktes Krad zu. Die Harley Ironhead Sportster ist spraydosenschwarz, trägt Ape und Satteltasche, E-Starter, eine gefederte Schwinge. »Zum Kotzen, aber der Preis war cool«, grinst Tom und kauft.

Harley Ironhead – erstmal ein Dreckshaufen

Er zerlegt den Dreckshaufen, wie er das Bike selbst nennt. Den Motor überholt Tom komplett, alle Teile befreit der gelernte Maschinenbauer vom schwarzen Lack. Das Fahrwerk wird sandgestrahlt, der Rahmen umgebaut, Tom verbaut ein starres Heck, modifiziert den original Tank, schweißt Halterungen für den selbstgefertigten Öltank an.

Vorne und hinten verzögert die Sportster mit stilechten Trommelbremsen. Die hintere Halbnabe passt perfekt zum Rigid-Heckteil, kommt dabei aber schnell an ihre Grenzen

Den schmalen Lenker und die Sissybar der Harley Ironhead baut er selbst, versucht aber aus Kostengründen auch Originalteile zu verwenden, Felgen und Bremsen zum Beispiel. Nur die Lackierung überlässt Tom einem anderen. Dave Addis aus England ist nicht nur richtig gut, sondern verglichen mit österreichischen Lackierern auch richtig günstig.

Ist das ’ne Harley

Irgendwann ist Toms Harley Ironhead fertig und »sie lässt sich geil bewegen und wenn es sein muss auch schnell.« Am liebsten fährt Tom mit dem Oldschooler frühmorgens zur Arbeit und noch lieber zum örtlichen Harley-Händler auf einen Kaffee und belächelt die, die ihn dort ansprechen: »Ist das ’ne Harley? Kann man mit dem Lenker fahren? Haste den Kotflügel verloren?«, Tom kann darüber nur lachen, »Ich hasse sie, diese Schnöseltypen, unter der Woche Zahnarzt, am Wochenende Rocker. Haben keine Ahnung, aber machen auf Biker.«, Tom schüttelt den Kopf.

»Ist das ‘ne Harley? Kann man mit dem Lenker überhaupt fahren? Haste den Kotflügel verloren?«

Ein Ende seiner Schrauberkarriere ist nicht in Sicht: »Ich stehe eigentlich fast jeden Abend in der Werkstatt, entweder, um an Mopeds zu schrauben oder um sie schneller zu machen.  Ich hab’s schon ziemlich gut.«

Harley Ironhead – Happy End im Magazin

Im Herbst letzten Jahres schreibt Tom übrigens eine Mail an uns. Wir schicken sofort einen Fotografen nach Österreich. Und so kommt Tom doch noch in unser Magazin. Die Redakteurin von damals hat diesen Text getippt. »Danke, dass ich deine Geschichte erzählen durfte, Tom.«

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.