Harley-Davidson Shovelhead – USA connected

So lange Philip zurückdenkt, so lange dreht sich das Leben seines Vaters um Motorräder, um Milwaukee Iron im Speziellen. Kein Wunder, dass die Liebe auf den Junior abfärbte und sich schnell im ersten eigenen Umbau manifestierte – einer Harley-Davidson Shovelhead FLH.

Vater Rainer ist Teilhaber von G. und L. Bikes in Tanna in Thüringen. Zeitweise war er sogar offizieller Händler der Company, aber das ist eine andere Geschichte. Wichtiger für diesen Artikel ist vielmehr Rainers Sohn Philip, der die Liebe zu den Ami-Eisen früh übernahm – genauso wie ein Projekt, das seit zwanzig Jahren in der Garage des Vaters geschlummert hatte. Bei einem Vater- und Sohn-Ausflug zur Kustom Kulture nach Herten reifte bei Philip die Idee zum eigenen Projekt. Eines, das man schon in den bevorstehenden Semesterferien beginnen könnte. Die Basis würde Rainer, der Jäger und Sammler, stiften. Eben jene komplett zerlegte und ziemlich desolate FLH, die seit Langem in seinem Besitz war.

Springergabel, schmale Räder, purer Oldschool – das kann auch ohne Starrrahmen prima funktionieren

Um die Optik musste sich der Sohn selbst kümmern, das war der Deal. Philips bevorzugter Look für die Shovel war klar. Oldschool sollte es werden, außerdem zeigten Magazine und Webseiten klar, in welche Richtung vor allem amerikanische und japanische Umbauer bei der Arbeit an Harleys Swingarm-Modellen mit Shovelmotoren so tendierten. Klar war dabei schnell: Eine Springergabel musste es sein, außerdem vorn ein 21-Zoll-Rad, hinten reichten 19 – und die Rundschwinge, die natürlich auch.

Erste Schweißsession: das Umschweißen eines alten NSU-Tanks

Und weil der 25-jährige Maschinenbau-Student nicht nur Theoretiker, sondern auch geschickter Handwerker ist, standen auch direkt erste Schweißsessions auf dem Programm, das Umschweißen eines alten NSU-Tanks, den er mal auf einem Teilemarkt in Dresden-Ottendorf erstanden hatte, zum Beispiel. Vater Rainer hatte zwar Bedenken und meinte, man könne doch erst mal an normalem Blech ein paar Übungsstunden einlegen, aber seinen Sohn reizte die »Learning by doing«-Variante weitaus mehr. Tatsächlich gestaltete sich das Erstlingswerk erfolgreich. Bis auf ein paar kleine Löcher, die später wieder geschlossen werden mussten.

Saubere Linien, klare Technik, offener Primärtrieb: Die Vorlage zu dieser Harley lieferten Vorbilder aus Japan und den USA

Und so wagte sich der Youngster weiter nach vorn, baute Öltank, Fender und Auspuff für seine Shovel. Bei Motor und Getriebe dagegen sprang der Papa gern ein. In dessen Profi-Werkstatt wurde die Antriebseinheit einer kompletten Überholung unterzogen. Handschaltung und Fußkupplung waren übrigens gesetzt, »egal wie ich später damit zurechtkommen würde«, erinnert sich Philip. Nach Wiederaufbau des Motors stand noch das Strahlen der Aluteile auf dem Programm. Auch das übernahm der Vater, der Sohn polierte aber anschließend intensiv. Zeit auch, sich schon mal Gedanken zu Lack und Finish zu machen.

Harley-Davidson Shovelhead – FLH im Schwingrahmen

Ein schönes tiefes Blau würde ihm gefallen und der Maschinenbauer wollte unbedingt seine Emblem-Idee umsetzen und ein H-D-Logo im NSU-Originaldesign auf den Tank lackieren. Wenn man bedenkt, dass dafür die Spraydose herhalten musste, super gemacht. So ging das Projekt zügig voran, schon auf der ersten Bikeshow-Präsentation der Kiste gab es einen »Best of«-Pokal. Zeit für Philip, sich eine schöpferische Pause zu nehmen. Nicht ganz freiwillig, aber ein Jahr Auslandspraktikum in Michigan in den USA stand an.

Die Optik wurde reduziert und es wurde nur verbaut, was wirklich nötig ist. Das smarte Rücklicht versteckt sich zum Beispiel neben der Bremsscheibe

Neben seiner Arbeit konnte Philip die Zeit in den Staaten nutzen und möglichst viel von dem besuchen, was dort so motorradtechnisch los ist. Es ging zum Race of Gentlemen genauso wie zur Fuel Show in Cleveland und nicht zuletzt zur Born Free Show in Kalifornien, wo ausgerechnet wir dem jungen Kerl in die Arme liefen. Philip zeigte uns ein paar Bilder seiner Shovel auf dem Handy und wir verabredeten ein Shooting, sobald er zurück in Deutschland wäre. Mit den Eindrücken aus der US-Szene im Gepäck ging es irgendwann nach Hause – viel Inspiration und Motivation hatte das Jahr gebracht.

Harley-Davidson Shovelhead mit amtlichem TÜV-Segen

Nach Philips Rückkehr gabs deshalb erst mal den TÜV-Stempel und viel Zeit auf dem Motorrad, nun als frischgebackener Ingenieur. Reichen wird das nicht auf Dauer, die Customleidenschaft hat sich tief gefressen. »Ich will das Ganze noch mal durchziehen, diesmal an einem alten Auto«, sagt Philip uns abschließend, »… einem Ami natürlich.«

 

Technische Daten
Modell Harley-Davidson Shovelhead
Baujahr 1974
Erbauer Philip Huscher

Motor
Typ V-Zweizylinder-Viertakt,
ohv-Zweiventiler
Hubraum 1207 ccm
Bohrung x Hub 82,5 x 112,7 mm
Zündung Unterbrecher, Deckel Throwback
Vergaser S&S Super E
Luftfilter BCM
Auspuff Eigenbau
Getriebe Viergang
Primärtrieb Riemen, 1,5 Zoll
Sekundärtrieb Kette
Leistung 55 PS bei 5700/min
Drehmoment 105 Nm bei 3900/min
Vmax 165 km/h
Fahrwerk
Rahmen Doppelschleifen-Rohrrahmen,
Harley-Rundschwinge
Gabel W&W Springer
Gabelbrücke Nacell
Räder vo. H-D 21 Zoll
Reifen vo. und hi. Avon
Bremsen vo. W&W Duplex-Trommel, hi. RST-Vierkolben
Zubehör
Tank NSU, mod.
Öltank Eigenbau
Lenker Easy Rider Narrow Bar
Lampe Bates-Style 4 Zoll
Rücklicht Rizoma
Instrumente Motogadget mit Minitastern
Armaturen Panhead
Fender Eigenbau
Metrie
Leergewicht 240 kg
Radstand 1520 mm

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Kommentare

Eine Antwort zu „Harley-Davidson Shovelhead – USA connected“

  1. Avatar von Marco heselbart
    Marco heselbart

    Sehr geiles bike

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