Es gibt eine Hintertür, um in den Kreis der »Invited Builder« der Born Free Show aufzusteigen. Josh Sheehan und seine Harley-Davidson Shovelhead haben diese Chance genutzt.
Schau dir eine Gottesanbeterin genau an – mit ihren langen, geraden Beinen, den Kopf oben, die gestreckte Linie nach unten. Ein perfektes, akkurates Tier«, ein kleiner zoologischer Ausflug steht am Beginn unseres Gespräches mit Josh. Gottesanbeterin, zu englisch Mantis, ist der logische Name seines Motorrades. Und wer den Linien der Shovel folgt, wird das Insekt in ihr sehen können.
Die Basis der amerikanischen Schrauberszene
Josh ist einer dieser Hardworker, die die Basis der amerikanischen Schrauberszene ausmachen. Ein Vollzeitjob in der High-Tech-Branche, häufige Businesstrips nach Japan inklusive, verheiratet, drei Kinder, Mitglied des Death Traps MC und die Arbeit am kleinen unabhängigen Basket Case Magazine, einem der vielen amerikanischen Chopperheftchen, die nicht für das große Geld, sondern für die große Szene gemacht werden: Alles, was Josh tut, tut er mit Hingabe.
Das spüren wir in unserem Gespräch, einfach ein guter Typ. Sein Herz gehört seiner Familie – und den Choppern, die er pflegen, erhalten, dokumentieren und ja, auch selbst bauen will. Eine blaue Panhead ist sein Alltagsbike, viel gefahren, weite Strecken, zahllose Treffen. Und schließlich ergreift Josh die Möglichkeit, einmal unter all den professionellen Bikebuildern der Born Free Show aufzutrumpfen.
Hintertür »People’s Champ«-Contest
Jedes Jahr veranstalten die Redakteure des »Showclass Magazine« und die der Webseite »Chopcult« den »People’s Champ«-Contest. Jeder darf sich bewerben, ein Bild vom Rolling Chassis eines zu bauenden Bikes genügt. Eine Vorauswahl bestimmt 25 Männer, dann wird gevotet, von den Lesern der Magazine. Sechs bleiben am Ende übrig, zeigen ihre fertigen Bikes in der Nacht vor Born Free.
Jeder Gast an Cook’s Corner darf wählen, der Sieger steht am nächsten Tag im Kreise der »Invited Builder« in der Show. Für Josh dauerte der Weg zu Cook’s Corner acht Monate, in denen er abends und nachts schraubte, wenn der Job erledigt und die Kinder im Bett waren.
Harley-Davidson Shovelhead, was sonst?
Mit einem Rahmen beginnt Joshs Projekt, ein Geschenk von Mark Churchman, einem alten Chopper-Haudegen, der den frühen Wishbone-Rahmen ganze 25 Jahre besessen hatte. Er war nie dazu gekommen, ein Motorrad daraus zu bauen, Josh dagegen wollte es zu Ende bringen. Auch der Motor steht schnell fest, ein Generator-Shovel soll das Bike mit Leben füllen.
Erleichtert stellt Josh nach der Reinigung des Gehäuses fest, dass nur ein winziger Riss das Gesamtbild trübt. Oft sieht man es schlimmer. Zusätzliche Teile für den Neuaufbau besorgt er sich, wie das Vierganggetriebe oder die Andrews-Nocken, vieles davon muss zusätzlich überarbeitet werden.
Harley-Davidson Shovelhead mit Eigenbau-Auspuff
Dazu baut Josh eine Auspuffanlage im Stil von Chopper-Urvater Dick Allen – Reminiszensen an die Historie sind Josh wichtig. Es dauert Wochen, bis der Motor komplett fertig ist. Gekrönt wird er von Rockerboxen, die Joshs Vater per Hand ebenso graviert wie das Gehäuse.
Welche Räder er wählen will, weiß Josh sofort. Hinten 18 Zoll, vorn 21 mit einem ganz speziellen Gimmick. Die Nabe vorn hätte man so fertig kaufen können. Diese Spoolhub ist allerdings handgefertigt von Joshs Kumpel Ronnie, ohne Bremse versteht sich. Das alles ist schon sehr chopperlike und eine Sissybar schnell gebaut.
Harley-Davidson Shovelhead – Gabel mit 20 Inch Übermaß
Aber es fehlt dieses eine entscheidende Teil, um aus der Harley einen Sieger zu machen – und das ist die Gabel. Zwanzig Inch Übermaß, also gute fünfzig Zentimeter, weist sie, gebaut von Split Image Kustoms in Kalifornien, auf. Passt nicht ganz, muss etwas gekürzt werden und verlangt dem Lenkkopf ein Rake von 41 Grad ab. Doch das ist nicht alles.
Die starren Gabelholme stehen oben eng zusammen, um sich nach unten zu öffnen. Selten zuvor haben wir solch eine Arbeit gesehen. Nur ein ganz eng stehender Lenker passt da rauf. Und ob ihr’s glaubt oder nicht, er entsteht aus einem originalen Harleylenker, extrem umgebastelt natürlich.
Zu jedem Detail hat Josh eine Story zu erzählen
Viel zu viele Detailarbeiten wie diese schmücken das Bike, zu jeder hat Josh eine Story zu erzählen, »weil, es sind doch die ganzen einzelnen Geschichten, die das Bike dann zu einer großen machen.« Recht hat er, und wir zu wenig Platz für alles. Aber eines muss dann doch noch sein – der Blick auf den Lack.
Josh hat Großes vor, als er entscheidet, sein Bike selbst zu lackieren. Dabei ist der Rahmen das kleinste Problem, der zweiteilige Tank stellt ihn vor größere Herausforderungen. Vor allem, weil er einen Fehler macht. Nachdem er mehrere Farbschichten aufgetragen hat – es ist zwei Uhr in der Nacht –, verwechselt er im Halbdunkel zwei Dosen miteinander, mischt seinen Klarlack ohne Härter an, sprüht und geht zufrieden schlafen.
»Gummiartigen Lack zu schleifen ist ein Albtraum«
Am nächsten Morgen der Schock: Nichts ist getrocknet, auch die brennende Sonne schafft es in den nächsten Stunden nicht. Er muss den Fehler beheben, drei Tage dauert es, den kompletten Lack wieder runterzuschleifen. »Gummiartigen Lack zu schleifen ist ein Albtraum, ich schwör’s euch.« Vollendet wird die neuerliche, diesmal perfekte Lackierung von zwei Tankpanelen, wieder graviert vom Vater.
Und dann endlich der Tag, an dem Joshs Bike neben fünf anderen an einem Freitagabend in Cook’s Corner steht. Am Ende wird er als Sieger dieser Nacht gekrönt werden. Ein Jahr lang darf Josh sich nun People’s Champ nennen – er hat es mehr als verdient.
Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.