Mit Wut im Bauch und Schmerz im Herzen baut Bill Dodge diese Harley-Davidson Panhead – wir erzählen euch die ganze Geschichte.

Vor ziemlich genau zehn Jahren, freuen wir uns ein Loch in den Bauch. Wir hatten Bill Dodge, den bekannten US-Customizer angefragt, ob er am European Biker Build-Off auf der CUSTOMBIKE-Show in Bad Salzuflenteilnehmen möchte. Bill sagt sofort zu, auch, weil er kurz vorher ein Projekt bekommen hat, das am Ende einer seiner persönlichsten Umbauten werden soll.

Die Harley-Davidson Panhead erbt Bill von einem Freund

Ein paar Tage vor unserem Anruf bei Bill starb nämlich dessen guter Freund John Green, der fast zwanzig Jahre lang die Events des amerikanischen Magazines Easyriders ausgerichtet hatte, nach schwerer Krankheit. Kurz vor seinem Tod schrieb Green eine Notiz an seine Frau, die besagte, dass seine 52er Harley-Davidson Panhead an Bill Dodge gehen sollte, um zu einem besonderen Custombike zu werden.

Schlichter Style: Bill Dodges Motorräder überzeugen schon lange durch Minimalismus und Stollenreifen

Als unsere Anfrage an Bill kommt, entscheidet dieser sofort, dass dieses und kein anderes Projekt sein Beitrag zum Biker Build-Off werden sollte. In den nächsten fünf Monaten arbeitet Bill mit Akribie an dem Motorrad. »Es war klar, dass ich jedes Teil für die Panhead selbst bauen wollte, sofern es mir möglich war. Eine Pflicht, wenn du ein solches Erbe von einem Freund erhältst«, erzählt er.

Stollenreifen sind bei Bills Bikes obligatorisch

Bill fertigt einen starren Doppelschleifen-Rahmen mit 32 Grad Rake an, baut auch beide Tanks, Lenker und Gabel komplett selbst. Weil er den Umbau ansonsten komplett oldschoolig halten will, soll später in Bad Salzuflen auch kaum mehr als das dazu kommen. Spiegel, Blinker, Instrumente? Fehlanzeige! »Wozu, du fährst nicht besser damit«, grinst Bill. Auch auf die vordere Bremse will er verzichten, so wird die 23-Zoll-Felge mit schmaler Bereifung noch gegensätzlicher zum hinteren deutlich kleineren Sportster-Rad wirken, rechnet sich der Customizer aus. Dass Bill Stollenreifen aufziehen will, ist obligatorisch, fast ein Markenzeichen.

Das winzige Sitzbankpolster wurde von Duane Ballard, einem alten Freund aus Westküstenzeiten punziert

Die Sitzbank baut er in Form einer kleinen Aluplatte selbst, der schmale Lederaufsatz samt Punzierung wird vom Spezialisten Duane Ballard aus Kalifornien in Handarbeit hergestellt. Die Regeln des Biker Build-Off besagen, dass der Kabelbaum live auf der Bühne gebaut werden muss. Bill nimmt das locker, die Elektrik an seinem Oldschooler ist mehr als minimal, er erwartet keine Probleme.

Klassische Magnetzündung mit transparenter Abdeckung

Das Herzstück des Bikes, den alten Panhead-Motor, pimpt der Customizer aus Florida wie in den USA oft üblich mit Andrews-Nocke, Barnett-Kupplung und S&S-Vergaser. Primär- und Sekundärtrieb laufen über Ketten, das Getriebe ist original Harley. Bei der Zündung entscheidet er sich für eine klassische Magnetzündung. Als kleines Gimmick ist deren Abdeckung transparent und bietet freien Blick auf die Kontakte, ein bisschen was muss man dem Publikum in Deutschland ja bieten.

Ein kleines Gimmick darf so ein potentielles BBO-Bike schon haben, Bill Dodge spendiert der Magnetzündung eine durchsichtige Abdeckung, die den Blick auf die Kontakte zulässt, »man muss den Leuten doch was bieten.«

Bleibt noch die Lackierung. Eigentlich soll das Motorrad hellblau werden, »die Farbe des Himmels«, erzählt Bill. Auf dem Weg zum Lackierer hat er einen Unfall, ein Vogel fliegt ihm gegen die Windschutzscheibe. Von da an steht auch der Name des Projektes fest, »Egret«, der Reiher, »ein wunderschöner Vogel für den perfekten Ritt meines Freundes in den Himmel.« Bill entscheidet sich um, die Grundfarbe wird das Cremeweiß, das eigentlich zum Anmischen mit blauer Farbe dienen sollte. »Ich fand es perfekt«, sagt Bill.

Die Harley-Davidson Panhead darf nicht ausreisen

Zwei Monate vorm geplanten Biker Build-Off hat er alle Teile zusammen. Und dann kommt alles anders. Bill Dodge ist Vollblutschrauber, kein Mensch, der Papierkram und Bürokratie bis ins Detail beherrscht. Die zollrechtlichen Bestimmungen der amerikanischen Behörden erweisen sich als unüberwindbares Hindernis. Zu kompliziert gestaltet sich die Einfuhr des Motorrades in Einzelteilen nach Deutschland, zu schwierig sind die notwendigen Papiere und Gutachten in der Kürze der Zeit zu besorgen. Klar ist der Tank dicht, aber eine »offiziellen« Drucktest kann Bill nicht mal eben aus der Hose zaubern.

Auf den ersten Blick nicht viel dran, auf den zweiten extrem detailverliebt, wie am Beispiel der Fußrasten zu erkennen

Am Ende muss Bill den Biker Build-Off vier Wochen vor unserer Veranstaltung absagen. Er ist am Boden zerstört, »die  Geschichte geht mir bis heute nach«, gesteht er. Die Teile für die Panhead bleiben einige Monate unberührt, bis Bill sich entscheidet, das Bike in nur einer Nacht zusammenzustecken. Beim Build-Off wäre der Zeitrahmen kaum länger gewesen, Bill schafft es in gerade mal sechs Stunden. »In Bad Salzuflen hätte ich danach drei Versuche gehabt, damit das Bike anspringt. Ich habe das in meiner eigenen Werkstatt genauso gehalten«, auf den dritten Kick sprang die Pan an.

Harley-Davidson Panhead als Daily-Driver

»Ich fahre das Bike seitdem beinahe jeden Tag, es ist mein persönlichstes Motorrad. Ich war auf vielen Treffen damit, wir haben viel zusammen erlebt. Danke, dass ich es euch trotz allem, was passiert ist, zeigen durfte.«

Info | instagram.com/blingscycles

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.