Notiz an uns selbst: Die in Österreich bauen auch echte Harley-Chopper … nie wieder vergessen, immer an die weiße Shovel zurückdenken

Da machen und tun wir hier seit Jahren rum und kümmern uns bis ins Detail um den Erhalt der Chopperkultur. Und dann schickt uns der Claus einen Leserbrief in dreifacher Ausfertigung, Tenor: Ist ja alles super, was ihr da macht mit «Save the Choppers« und das alles … aber Himmelarschundzwirn, ihr habt die Österreicher vergessen. Die bauen nämlich auch schon seit drölfhundert Jahren Langgabler! Peng, das sitzt.

Harley-Chopper gibt es auch in Österreich

Amerika, Schweden, Japan, Deutschland, an alles hatten wir immer gedacht, aber Österreich? Sollte es wirklich wahr sein, dass die außer Knöderl und Nockerl auch Chopperl können? Wir jagen unseren Ösi-Außenreporter los, klare Ansage von der Chefin: »Bring kranken Scheiß mit!« Irgendwo zwischen Engerwitzdorf und Niederottensheim wird er fündig, in der »Sick Chop Garage«, wie passend. Eine Shovel also hat er da seinerzeit gebaut, der Reinhard.

Optische Höhe: Obwohl an Fahrwerk und Gabellänge nichts geändert wurde, strecken Details wie der Lenker, die Sissybar und die King-and-Queen-Sitzbank die Harley optisch gen Himmel

Auf den ersten Blick ein waschechter Chopper, aber, und das ist wichtig, fahrbar und mit guten Teilen. Denn der Zulassungsdienst in Österreich ist streng und kann mit »sick« nicht wirklich was anfangen. Weil Reinhards Kumpel und Tätowierer Mac aber nicht nur gucken, sondern auch legal fahren will, müssen sich die beiden an gewisse Regeln halten. Als Basisbike wird eine Shovelhead angeschafft. Die ist zwar optisch fast original, hat allerdings ein großes Plus.

Dieser Harley-Chopper fährt streetlegal

Kurz vorm Verkauf wurde der Motor aufwendig überholt und mit bestem Material ausgestattet. So kann sich Reinhard beim Umbau auf die Optik konzentrieren. Die mit zulassungsfähigen Mitteln zu erreichen, ist etwas tricky, aber durchaus machbar. Anstatt eine lange Gabel einzubauen, entscheidet er sich für die Verwendung einer original Sportster-Gabel, bearbeitet lediglich die Gabelbrücken. Die Länge des Frontends bestimmt dagegen der hohe, schmal gebaute Lenker. Der kommt von »Zombie Performance« aus den USA. »Es ist nicht der erste Lenker, den ich von den Jungs drüben verbaut habe. Die Qualität ist prima, die verwenden dickes Rohr, das perfekt verschweißt ist«, zeigt sich Reinhard begeistert. »Außerdem bekomme ich dort auch Lenker auf Maß und das Ganze zu einem vernünftigen Preis. Ein echter Geheimtipp.«

Der aufgesetzte Tank im Frisco-Style verstärkt den Eindruck zusätzlich

Im Heck verbaut der Mann aus Linz eine Kastenschwinge und kurze Federbeine, was untenrum einen kompakten Look gibt. Oberhalb des 16-Zoll-Rades wird allerdings hochgestapelt. Eine Sissybar ist ein Muss und die King-and-Queen-Sitzbank wollte Mac unbedingt haben. Mehrere Rohlinge für die Sitzbank fertigt Reinhard an, bevor der dritte endlich passt. »Eine solche Sitzbank ist für einen Starrrahmen tatsächlich einfacher zu bauen, bei unserer Version brauchte es da schon mehr Aufwand.« Die fertige Sitzbank geht schließlich nach Deutschland, wo Lederkünstlerin Clare einen weißen Bezug in Schlangenlederoptik vollendet.

Der Auspuff ist eine BSL-Sonderanfertigung

Passend zu den Dimensionen des Sitzes wird die Auspuffanlage als Sonderanfertigung bei BSL in Auftrag gegeben und chopperlike hochgezogen gebaut. Nach Kleinarbeiten wie der Montage von Lampen, Instrumenten und Armaturen sowie der Reduzierung der Elektrik sind die Arbeiten an Macs Chopper abgeschlossen. Bleibt noch die Lackierung, die der Tätowierer selbst übernimmt. »Als er mir sagte, dass das Bike weiß werden sollte und ihm eine Art Universumslackierung auf dem Tank vorschwebte, konnte ich mir das überhaupt nicht vorstellen«, erzählt Reinhard. »Aber das Ergebnis finde ich dann doch irgendwie ziemlich passend.«

Der Weg zum TÜV: In Österreich muss ein Gutachter sämtliche Teile einzeln abnehmen. Mit diesem Papierhaufen geht’s es dann zum Amt, um alles zugelassen zu bekommen. Das ist nicht nur langwierig, sondern auch nicht billig

Nach dem komplizierten Abnahmeverfahren bei den österreichischen Behörden ist die Shovel einsatzfähig. Doch Mac hat schon neue Ideen für sein Bike im Kopf. »Kastenschwinge raus, eine Rundschwinge rein, der Magneto soll weg, dazu noch ein paar Kleinigkeiten«, erzählt Reinhard. Da geht wirklich was in Österreich.

Info |  Sick Chop Garage

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.