Ein Taiwanese baut in Los Angeles ein bayerisches Boxer-Bike: durch die Nacht mit Samuel Ko und seiner BMW R nineT.

»Ich träume von Autobahnen«, sagt Samuel Ko, »alle träumen von Autobahnen. Autobahnen sind Straßen in Deutschland, da darf jedes Fahrzeug so schnell fahren, wie es will. Keine Limits, niemals.« Samuel Ko war noch nie in Deutschland und wir überlegen ernsthaft, ihm die Wahrheit zu sagen. Das mit den vielen Baustellen, das weiß er nicht. Und die Lkws erst und überhaupt … keine Limits?

BMW R nineT – Mit deutsche Flagge auf dem Tank

Aber Samuel, der Taiwanese, ist so zufrieden mit unseren Autobahnen, da lassen wir das mit der Wahrheit mal lieber. Stolz zeigt er uns außerdem die deutsche Flagge auf dem Tank seiner R nineT. Die deutsche? Auch dass die Flaggen von uns und unserem Nachbarland Belgien durchaus Verwechslungspotential bergen, geschenkt. Da konzentrieren wir uns lieber auf den Rest der BMW, während wir mit Samuel durch die Nacht von Los Angeles, seiner Wahlheimat, brausen.

Samuel Ko unterstützt regelmäßig Handwerker aus seiner Heimat Taiwan mit Aufträgen. So stammt der Lacksatz von »Air Runner«, das Heck ließ er nach exakten Vorgaben bei den talentierten Jungs von »Three Harmony Fabrication« fertigen

Als Customizer sieht er sich nicht, »vielmehr als Designer«, erlärt uns Sam. Der Weg zur Anerkennung war nicht einfach, wer in den USA sein Glück versucht, der muss was bieten. Chopper und Harleys bauen hier viele, da kann er kaum mithalten, das wusste Sam. Und so konzentriert er sich an Formen und Linien, demonstriert an sportlichen Motorrädern. Mit einer Sportster fing es an, erste Aufmerksamkeit und ein paar Bikeshow-Preise räumte der Cafe Racer seinerzeit ab.

Begeistert von den Umbaumöglichkeiten der BMW R nineT

Danach sieht Samuel sich um, andere Basisbikes im Fokus, etwas, womit er aus der Masse der kalifornischen Bikebuilder herausstechen kann. Als BMW die R nineT präsentiert, ist der Taiwanese sofort Feuer und Flamme. »Ich war direkt begeistert von den Möglichkeiten, die dieses Motorrad bietet«, ein Scrambler ist das Erste, was Samuel daraus baut.

Samuel Ko ist spezialisiert auf das Design von Monocoques. Für die R nineT entwickelte er eine Fiberglashülle, die den »Tank« integriert

Der »Chocolate Slider« wird sogar auf der Homepage von BMW in Deutschland präsentiert, Samuels ganzer Stolz, »weil Deutschland einfach ein Traum ist.« Und die nächste Idee hat er schon im Kopf, ein Cafe Racer auf NineT-Basis soll es werden. Mittlerweile sind die Auftragsbücher des Designers aber gut gefüllt, das Projekt muss warten – bis jetzt.

»Ich wollte, dass die Verkleidung mit dem Motorrad verschmilzt«

»BMW hat ja eine Cafe-Racer-Version der nineT im Programm, und natürlich gibt es mittlerweile extrem viele gute Umbauten auf der Basis. Da muss man sich schon was einfallen lassen«, erzählt uns Samuel beim Zwischenstopp irgendwo in Downtown LA. Sein Heil sucht er in einem Bodywork, komplett aus einem Teil gefertigt. »Ich wollte, dass die Verkleidung mit dem Motorrad verschmilzt, alles ein Teil.«

Das eigentliche Spritgefäß und der Öltank liegen unter der Verkleidung mit der schwarz-rot-goldenen Flagge. Und so erklärt sich auch der Clou seines Umbaus, denn wo andere Sitzbank und Frontmaske als einteilige Hülle erschaffen, ist bei Samuel auch der »Tank« samt seiner Knieeinschlüsse Teil der Verkleidung. Wobei das, was wir von außen sehen, im Prinzip nur eine Tankattrappe ist. Das eigentliche Spritgefäß sitzt darunter, fest mit dem Oberrohr verbunden.

»Die Verkleidung ist so einfach zu entfernen wie eine Handyhülle«

Die komplette Verkleidungshülle ist aus Fiberglas gefertigt und lässt sich an nur drei Verbindungspunkten innerhalb von Sekunden befestigen und lösen, »so einfach zu entfernen wie eine Handyhülle«, lacht Samuel. Und ihm war ein weiteres Teil sehr wichtig. »Ich wollte unbedingt einen charakteristischen BMW-Scheinwerfer an der Front.« Der stammt aus einem Auto, eigentlich etwas zu klein für das Bike. Deshalb bringt Samuel einen Aluminiumring um den Scheinwerfer an, der die Wärme ableitet und den futuristischen Look unterstützt.

Der Scheinwerfer stammt von einem BMW-Auto und ist eigentlich etwas zu klein für die nine T. Als Zubehörteil war er trotzdem gesetzt. Ein Aluminiumring um die Leuchte bietet in der Dunkelheit fast futuristische Optik

Für weitere wichtige Parts setzt Samuel auf ausgezeichnete Handwerker. Das Heckteil entsteht nach genauen Vorgaben bei »Three Harmony Fabrication« in Taiwan, den Bezug der Sitzbank in Handarbeit übernimmt »Kingsman Chushion«, die Lackierung »Air Runner«, wiederum aus Taiwan. Für den Rest setzt Samuel auf hochkarätige Aftermarket-Ware, teuer und gut. »Denn wenn du auf einer deutschen Autobahn bestehen willst, dann darfst du nur das Beste fahren.«

Info |  www.jskmoto.com

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.