Die Umsetzung einer Idee kann ein steiniger Weg sein. Selten verläuft alles nach Plan. Doch Beharrlichkeit und Ausdauer führen immer ans Ziel. Bei Boaz’ Yamaha XS 650 hat’s »nur« vier Jahre gedauert.

Die Geschichte seiner Yamaha beginnt vor ein paar Jahren. Bei einem Freund entdeckt er auf dem Speicher eine Kiste mit Motorradteilen. Rahmen, Motor, Räder, und was man sonst noch so braucht. »So reifte der Plan, mir einen eigenen Bobber zu bauen«, erzählt Boaz. »Dabei war der Rahmen völlig unbrauchbar, doch der XS650-Motor reizte mich einfach.

Reizvolles Zweizylinder-Aggregat, unbrauchbarer Rahmen

Schließlich fand ich einen passenden Rahmen: einen echten Chopperrahmen mit Geradewegfederung. Dazu zwei passende Räder einer Yamaha SR250 mit Trommelbremsen … und schon stand ein Rolling Chassis vor mir.« Doch das Bobber-Projekt kommt nur in kleinen Schritten voran. Sein Leben als Student nimmt viel Zeit in Anspruch, zumal er es vorzieht, nicht in die Nähe der Universität in Rotterdam zu ziehen. Er kann mit dem Stadtleben nichts anfangen, bleibt lieber auf dem Land und pendelt jeden Tag.

Wer sich so lange Zeit lässt für sein Projekt, darf sich hinterher auch auf die Schulter klopfen. Boaz hat’s am Ende doch noch durchgezogen und einen feinen Umbau nicht nur auf die Räder gestellt, sondern auch auf die Straße gebracht. Schon die Beharrlichkeit verdient Respekt, das Bike sowieso

Nebenbei gönnt er sich eine siebenmonatige Auszeit für eine Weltreise, kauft ein Haus und repariert seine klapprigen Autos. Inzwischen ist das Maschinenbau-Studium längst abgeschlossen und Boaz arbeitet als Ingenieur für eine niederländische Firma, die flugtaugliche Fahrzeuge wie den PAL-V One entwickelt.

Yamaha XS 650 – Unvollendetes Langzeitprojekt

Der Bobber, den er sich in Gedanken immer wieder vorgestellt hatte, steht in der Garage, als unfertiges Projekt, und vegetiert vor sich hin. Letzten Winter wird es ihm schließlich zu bunt und er entscheidet sich für die Fertigstellung der Yamaha. Diszipliniert fährt er jeden Samstag in die Werkstatt bei seinen Eltern und bringt den Job zu Ende, wie er es nennt.

Ganz schön offenherzig, dieser Blick auf den Rotor der Lichtmaschine. Boaz räumt ein: »Noch ist nicht alles perfekt.«

Zusammen mit seinem Vater, der selbst gerne an Motorrädern schraubt, nimmt die Yamaha Gestalt an. Dabei kommen ihm seine Fertigkeiten im Umgang mit CAD-Design zugute. So entwirft er die Fußrastenanlage selbst, legt aber trotzdem Wert auf handgemachte Teile, um dem Bike Charakter zu verleihen. »Meinem Vater gehört eine Baufirma. Das machte es mir leicht, auf Teile wie Kupferrohr zurückzugreifen, aus dem ich schließlich die Benzinleitung geformt habe.«

Die Halterung des Kettenspanners war einst ein Schraubenschlüssel

Der Kettenspanner besteht aus einer Skateboard-Rolle, für die er aus einem Schraubenschlüssel die passende Halterung baut. »Die Hinterradachse habe ich aus einer alten Stange gedreht, die Halterungen für den Heckfender in einem Eisenwarenladen besorgt«, grinst Boaz. Um die Radabdeckung dicht an den Reifen zu bekommen, hat er die Halterung mit Buchsen an der Achse fixiert.

Nicht alles ist perfekt, aber doch beachtlich für ein Erstlingswerk. Auch eigene Ideen flossen in den Umbau ein, so formte Boaz zum Beispiel die Benzinleitungen aus ganz normalem Kupferrohr

Auch den Kickstarter modifiziert er. In einem Fahrradgeschäft besorgt er sich ein einzelnes linkes Pedal. Das ratlose Gesicht des Verkäufers, der nicht verstehen wollte, was man mit einem einzelnen Pedal anfangen kann, wird er auch nicht vergessen. Und der junge Holländer bleibt hartnäckig. Peanut-Tanks sind zwar oldschoolig, aber mittlerweile an fast jedem Umbau zu sehen. Boaz entscheidet sich für einen Fat-Bob-Tank von Harley-Davidson, da dieser seiner Meinung nach am besten zum Stil des Rahmens passen würde.

Yamaha XS 650 mit hausgemachtem Cellulites-Lack

Selbst die Lackierung übernehmen Vater und Sohn selbst. Ein paar YouTube-Tutorials später entsteht auf dem Dachboden der Werkstatt eine Lackierkabine mit Absaugung, Filter und allem anderen Kram. »Leider war es Winter, und somit die denkbar beschissenste Zeit für Lackierarbeiten«, erinnert sich Boaz. »Also haben wir die Heizung angeschmissen und provisorisch lackiert, was natürlich in die Hose gehen musste. Die Farbe hat sich gekräuselt und sah aus wie Cellulite. Doch nach einigem Herumexperimentieren und gefühlte eintausend Schleifvorgängen haben wir’s dann doch ganz gut hinbekommen.«

Der Bobber wird eine Baustelle bleiben, zu viel Veränderungs-potenzial sieht der Schrauber noch. Trotzdem, das nächste Projekt ist im Kopf, ein bisschen extremer soll es werden

»Irgendwann war die Kiste endlich fertig und ich konnte den Motor starten. Leider musste ich feststellen, dass etwas Grundlegendes nicht stimmte. Es stellte sich dann heraus, dass der Motor für den Moto-Cross-Betrieb konfiguriert und für den normalen Straßeneinsatz absolut untauglich war. Großer Mist. Zum Glück konnte ich einen anderen Motor für einen Schnäppchenpreis ergattern.«

Yamaha XS 650 – Der Bobber bleibt eine Baustelle

Mit Beginn des Frühlings rollt der Bobber zum ersten Mal aus der Werkstatt. »Der Paralleltwin läuft echt gut, vibriert aber ordentlich. Deshalb musste ich den Lenker gummilagern.« Trotzdem bleibt der Bobber weiterhin eine Baustelle, es gibt genügend Raum für Verbesserungen, wie Boaz einräumt. Die Leidenschaft brennt noch immer in ihm. Ständig schweben ihm neue Projekte vor. Nur will er beim nächsten Mal dann was richtig Extremes bauen.

 

 

Floris Velthuis