Johnny Humphrey ist ein Freund leiser Töne, liefert aber trotzdem stets sauber ab – wie mit dieser lässigen Triumph Bonneville

Eigentlich hatte sich Johnny früh auf Harleys eingeschossen, mit zwanzig fuhr er seinen ersten V2, andere Marken hatten danach jahrelang kaum eine Chance. Auch, als er anfing, mehr und mehr umzubauen, erste Bikeshows gewann und für Kunden schraubte, änderte sich das nicht. In den Radar anderer Customizer brachten ihn seine Aktivitäten schnell, vor allem der legendäre Bill Dodge wurde zu Johnnys Förderer, lud ihn auf eigene Bikeshows ein.

»Das Bike hatte jahrelang im Shop von Indian Larry gelegen, bevor es auf Umwegen zu mir kam. Und tatsächlich empfinde ich es als Ehre, dass ich es umbauen durfte«

»Dabei bin ich ja Amateur, ich habe noch einen Hauptjob, der meine Existenz sichert«, erklärt der coole Typ, den die Aufmerksamkeit des großen Customizers gleichzeitig schockte und ehrte. Und weil auch Mentor Bill einst schon mit Triumph-Umbauten geglänzt hatte, tat Johnny es ihm nach – und fuhr mit seiner Triumph Bonneville direkt in unser Herz und vor allem vor unsere Kamera.

Schmale Räder und cleane Formen für die Triumph Bonneville

Seinen typischen Stil hat Johnny markenunbhängig gefunden. Schmale Räder, gern auch ohne Bremse im Vorderrad, cleane Formen, wenig dran – im Prinzip etwas modernere Chopperinterpretationen und tatsächlich besser fahrbar, als man auf den ersten Blick meinen könnte.

Hinten bringt bringt ein Shinko-Reifen auf einem 21 Zoll-Rad den Druck auf den Asphalt

Als sein Lackierer Hilfe beim eigenen Umbau, eben jener Triumph, brauchte, half Johnny sofort. Das Bike hatte zuvor lange in einem berühmten Shop in einer Ecke vor sich hingegammelt. Beim großen Indian Larry in New York kam es allerdings nie zum Aufbau der Engländerin. Den Job durfte nun Johnny übernehmen.

Kein Öl, keine Dämpfung

Das Vorderteil des Rahmens beließ er original, kürzte allerdings die Gabel massiv, so sehr, »dass darin auch kein Öl fließt«, eine Dämpfung gibt es daher vorn nicht. Und auch keine Bremse im großen 23-Zoll-Vorderrad mit der Enduro-Bereifung. Auf der gecleanten Gabelbrücke thront ein eigener Lenker, damit ist die Arbeit an der Front abgeschlossen.

Johnny liebt schmale Räder, zudem gerne ohne Vorderbremse

Für den Aufbau des 71er Motors holt sich Johnny Hilfe. Mittels Big-Bore-Kit erhöht der ehemalige Triumph-Flattrack-Pilot Jimmy den Hubraum des Bonneville-Aggregats auf 750 Kubikzentimeter. Den offenen Belt am Viergang-Getriebe wünscht sich der Customizer außerdem, ebenso wie ein neues Vergaser-Setting.

Triumph Bonneville als moderne Chopperinterpretation

»Ich mag die originalen Vergaser nicht so, ich wollte sie lieber weiter nach außen stehen lassen«, sagt Johnny, der sich den Wunsch mittels einer Verlängerung auf der originalen Aufnahme erfüllt. Dazu entscheidet er sich für eine doch recht auffällige Auspuffanlage. Wo andere in dezenten Röhrchen schwelgen, macht Johnny auf dicke Hose, wie gesagt, eine moderne Chopperinterpretation.

Wunderbar ausgearbeiteter Eigenbau-Kenzeichenhalter

Auch ein Hingucker ist der Kennzeichenhalter, dort montiert, wo beim Original eigentlich die Fußrasten sitzen. »Ich wollte das Kennzeichen vernünftig in den Umbau integrieren und nicht, dass es irgendwo an der Seite zu weit nach außen steht.« Als Amerikaner kann er unsere Kennzeichennöte nicht verstehen und darf diesbezüglich fast machen, was er will. Die Fußrasten baut er außerdem selbst, sie sitzen jetzt etwas weiter nach vorn gerückt.

Das starre Heckteil wurde komplett neu gestaltet

Nicht ganz so auffällig dagegen der eigens gebaute Öltank, den er komplett ins Rahmendreieck integriert. Er markiert auch die Grenze zwischen Original und Custom, das starre Heckteil ist komplett neu konstruiert und gebaut. »Ein bisschen gestretcht ist die Karre damit auch, das war nötig, um die Proportionen anzupassen«, meint der Schrauber aus Pennsylvania.

Sieht gut aus und verdeckt nicht zu viel – der Fender aus Aluminium aus der eigenen Werkstatt von Johnny

Das passende Rad ist mit einer 21-Zoll-Version schnell gefunden, »und hier gibts auch endlich ordentliche Bremsen«, grinst Johnny. Die Halter dafür hat er selbst gebaut, die auffällige Scheibe kommt von Wilwood, »das System nutze ich auch in meinen Harleys gern, und die verzögern außerdem auch richtig gut.«

Verkleidung der Tankunterseite – gut oder schlecht?

Bleibt ein Teil, das uns nicht ganz so gut gefällt. Die Metallumrandung unterm Lowbrow-Tank bleibt Geschmackssache, Johnny hatte sich dafür entschieden, damit die Lücke zwischen Tank und Rahmenrohr nicht zu auffällig ist. Ein anderer Tank wäre da vielleicht auch ein Lösung gewesen. Aber abgesehen davon hat uns die Kiste echt überzeugt, Chopper-Attitüde für alte Triumphs verliert einfach nicht an Reiz.

Die Metallumrandung unterm Tank bleibt Geschmackssache, entwickelt aber nach längerem Hinschauen einen homogenen Charakter

Info | Johnny99 Instagram



 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.