Vor den Tagen der großen Freude stehen die Tage des großen Frusts – ungeschriebene Schrauberregel, wie Maze und Ralph knallhart erleben mussten. Mit glücklichem Ausgang und einer Harley-Davidson Sportster, die kaum besser zu ihrem Besitzer passen könnte.

Guck mal nach dem Lenkkopflager und mach am Heck was, das ist so nix«, als der Kölner Tätowierer, Pinstriper und Tausendsassa Matthias »Maze« Wagner seinen Freund Ralph, Oldschool-Schrauber in seiner Garage Deluxe, um Hilfe bei seiner Ironhead-Sportster bittet, ist beiden noch nicht klar, was auf sie zukommen würde.

Harley-Davidson Sportster – Original und ein bisschen gammelig

Die Harley ist weitestgehend original, ein bisschen angegammelt und trägt eine wilde 80er Lackierung samt Airbrush. Letzteres sollte für Lackierer Maze das geringste Problem sein, die Farbtöpfchen stehen zur Aufhübschung bereit.

Der Mooneyes-Luftfilter passt zum Understatement der Ironhead genauso wie die wenigen Parts, die per Lasergravur aufgehübscht wurden

Und für den Umbau des Hecks hat er eine klare Vorstellung, für zwei Personen sollte die Kiste taugen, dazu komplett eintragbar und legal sein, was einen Starrrahmenumbau von vornherein ausschließt. Um den Motor müsste sich nicht groß gekümmert werden, »läuft okay«, ist Maze sich zu diesem Zeitpunkt sicher. Ihr ahnt es schon, da kommt noch was. Aber zunächst ist die Optik dran, wie geplant. 

Harley-Davidson Sportster mit Crazy-Frank-Heck

Weil der Schrauber eine Vorliebe für schmale Chopper hegt und den gewünschten Soziusbetrieb im Hinterkopf hat, fällt die Entscheidung zugunsten eines Crazy-Frank-Hecks recht leicht. King and Queen wäre die Alternative, aber da aus der Sportster kein Langgabler werden soll, sind die Stufenhecks vom verrückten Frank eine Alternative, die die gewünschte Retrooptik der Siebziger bieten.

Die Platte unterm Rücklicht ist übrigens abnehmbar, hier sollte ursprünglich mal das Kennzeichen Platz finden

Allerdings kam ein Originalheck von Crazy Frank nicht infrage, wie Ralph erklärt, »die Originalhecks sind relativ breit und wuchtig, nicht gut, wenn man eine schlanke Linie bevorzugt. Außerdem hatte ich zunächst geplant, das Nummernschild ins Heck zu integrieren. Weil deutsche Kennzeichen aber weitaus höher als amerikanische sind, hätte das mit dem Originalteil nicht gepasst, meine Version des Heckteils musste einfach höher werden. Na ja, und so entstand letztlich die Crazy-Ralph-Version des klassischen Heckteils.«

Mit Pappschablonen den Aufbau des Hecks simuliert

Als Basis fürs Heck diente ein 21-Zoll-Fender-Rohling von Zodiac, mittels Pappschablonen wurde nach und nach der Aufbau des Hecks simuliert und schließlich umgesetzt. Da das originale Sportsterrad untendrunter ziemlich verrotzt war, wurde das komplett selbst aus Felgen, Naben und Speichen neu gebaut, ebenso wie das vordere, muss ja zusammenpassen.

Eigentlich sollte nur das Heck ein bisschen schöner werden. Vorgabe dabei: Tauglich für zwei Personen und eintragungsfähig. Die Kunst dabei war es, das Stufenheck so zu gestalten, dass Originalrahmen und Federung erhalten bleiben

Und auch die Stoßdämpfer passten nicht mehr, »waren eh viel zu weich«, erinnert sich Ralph. Die von einer großen Shovelhead liefern die gewünschte Härte. Das mit dem Kennzeichen hat letztlich auch nicht funktioniert, tatsächlich wirkt es immer noch zu groß am schmalen Heck, am Ende wanderte es auf die Seite.

Harley-Davidson Sportster – Minimal-Elektrik mit der Joost-Elektronikbox

Mit dem Heck wurde auch die Sitzpfanne gebaut, unter ihr findet sich eine kleine Mulde, dort verstecken sich eine Joost-Elektronikbox, Sicherung und Relais, um die Elektrik möglichst minimal zu halten. Da passt es auch, dass der Tachogeber an der hinteren Trommelbremse versteckt ist, Platz sparen, wo es geht.

Eigentlich war alles fertig, da offenbarte die Ironhead ihre ganze Zickigkeit. Der Motor war eine Totalbaustelle, musste komplett revidiert beziehungsweise neu gemacht werden

Eigentlich waren jetzt schon mehr Arbeiten gemacht, als ursprünglich geplant – und das sollte so weiter gehen. Maze, der Gemütsmensch, hatte sich mit mehr Aufwand und damit verbundenen Mehrkosten längst abgefunden, Ralph schraubte fröhlich weiter.

Die Lithium-Ionen-Batterie wurde direkt am Eigenbau-Ölgefäß versteckt

Der Öltank der Sportster war recht bullig und eckig, gar nicht mehr passend für eine filigrane Silhouette. Auf dem Aftermarket fand Ralph nichts Passendes, also selbst bauen. Als kleiner Clou ist die Lithium-Ionen-Batterie direkt am neu entstandenen Ölgefäß versteckt. 

Der Bau des Öltanks war ein Klacks

Der Tank der Sporty passte zwar, war allerdings getunnelt. Nicht notwendig, deshalb erfolgte der Tausch gegen einen gleich aussehenden Egg-Tank, allerdings ohne Tunnel. Die Gabel blieb original, lediglich der Lenker durfte neu am Frontend Platz nehmen, samt Lenkerendenblinker für die saubere Linie.

Schlichtes Design, Hauptfarbe Gold, ein bisschen Schwarz, das war’s

Während die letzten Halterungen gebaut wurden, konnte sich Maze um die Lackierung seines eigenen Bikes kümmern. Tatsächlich erfolgte die in einem für einen Künstler, der alle Techniken beherrscht, eher schlichtem Design, Hauptfarbe Gold, ein bisschen Schwarz, das war’s. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Geschichte eigentlich mit zwei glücklichen Menschen und einem sauberen, kleinen Chopper enden können – tat sie nicht, im Gegenteil, es wurde richtig mies.

Tatsächlich wählte Maze seine Lackierung bewusst, sie verschlanken Teile und Bike optisch noch zusätzlich

Schon während der Arbeiten am Motorrad war Ralph aufgefallen, dass die Kiste doch mehr Öl verlor, als es selbst einer alten Harley zu verzeihen wäre. »Einmal kurz danach gucken, so kann ich die nicht auf die Straße schicken«, war sein Gedanke.

Harley-Davidson Sportster mit weidwundem Ironhead-V2

Tatsächlich offenbarte sich eine Übermaß-Ablassschraube, schlecht gemacht, bis zur Gehäusehälfte war das Metall bereits gerissen. Beim Ausbau des Öltanks der nächste Schock, »der Motorhalter war gebrochen, der Gewindestutzen vom Motorblock am Getriebe abgerissen«, erinnert sich der Schrauber.

»Der Ironhead ist sicher einer der anfälligsten Harley-Motoren. Es gibt da eigentlich nur eine Möglichkeit: Einmal richtig Geld in die Hand nehmen und das Ding komplett vom Spezialisten machen lassen. Im Gegenzug bekommst du ein Bike, das am Ende lange Freude macht«

In schonenden Dosen brachte er Maze telefonisch bei, dass alles nichts hilft und der Motor geöffnet werden muss, der Künstler nickte ab. »Es war eine einzige Vollkatastrophe. Kurbelwelle, Pleuel, Kolben, Ventilführung, Buchsen, alles war angerissen, rotzig oder kurz vorm Kollaps.

Einmal richtig Geld in den Ironhead stecken und ihn in der Folge gut behandeln

Ja, die Karre lief, aber der Motor wäre Maze um die Ohren geflogen.« Tatsächlich ist der Ironhead-V2 einer der Harley-Motoren, der große Probleme bereiten kann. »Allerdings«, so Ralph, »kann man das in den Griff bekommen. Einmal richtig Geld reinstecken und ihn in der Folge gut behandeln. Dann macht der auch richtig Spaß«, weiß er. 

»Pussy Trap« wollte Ralph die Kiste nennen, in Anspielung auf die absolut unbequeme und superschmale Soziaposition für Maze’ Frau. Das einzige Mal, dass sich die Freunde nicht einig waren. So blieb die Sportster namenlos, was sie nicht minder cool macht

Auch Maze schluckt diese bittere Kröte letztlich mit Galgenhumor runter, der Motor wird beim Spezialisten Jörg Nicklis von B&N Cycles komplett überholt beziehungsweise neu aufgebaut. »Seitdem läuft er wie eine Sonne«, Ralph ist am Ende ein glücklicher Schrauber.

Die erste Fahrt fiel länger aus, als geplant

Ein noch glücklicherer Besitzer komplettiert die Story. Maze’ erste Fahrt auf seiner Ironhead erfolgte mitten in der Nacht und sollte nur eine kurze Runde um den Block werden. »Er kam nicht wieder und ich hab mir schon Sorgen gemacht«, erzählt Ralph. Aber Maze hatte einfach nur so viel Spaß an seiner Kiste, dass die erste Runde eine größere wurde. Das Grinsen im Gesicht ist ihm beim Fahren bis heute geblieben.

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.