Gebaut wurde die Honda CB900F Bol d’Or für Alltag und Langstreckenrennen, eine lässige Optik stand nicht im Lastenheft. Verschenktes Potential, wie Christians Cafe-Dragster beweist.

Christian Klein ist ein Getriebener. Wenn der Niederbayer von der Arbeit nach Hause kommt, führt sein Weg meist direkt in die Garage. Vom Alltag als Maschinenbauer nicht ausgelastet, wartet in seinem privaten Maschinenpark die Erfüllung. Hier kann er seine Kreativität frei ausleben, ohne dabei auf Konstruktionspläne oder andere Vorgaben achten zu müssen. Seine Projekte entstehen während der Arbeit daran. Ein tiefenentspannter Ansatz, der Christian international bekannt gemacht hat und der ihn die Arbeit in seinem Refugium erst richtig genießen lässt. Auch auf der Suche nach einem neuen Projekt wurde Christian hier fündig. Hinter Drehbank und Standbohrmaschine setzte seine 1980er Honda CB900F Bol d’Or Staub an.

Wie eine Metall gewordene Designerskizze steht die Bol d‘Or da und verspricht einen spektakulären Ritt …

Schade eigentlich, schließlich gehört der Motor der CB 900 zu den besten Konstruktionen der Achtziger. Schnell, stabil und vor allem durchzugsstark, fand der Vierzylinder nach seiner Einführung 1978 viele Freunde. Angesichts der drögen Optik war das keine Selbstverständlichkeit. »Tolle Technik, durchschnittliche Optik. Eine ideale Basis also.« In Richtung Cafe Racer sollte es gehen.

Neue Linie für die Honda CB900F Bol d’Or

Konsequent ignorierte Christian den 900-ccm-Antrieb der Honda. Von offenen Luftfiltern und einer optischen Auffrischung abgesehen, hatte der kein Tuning nötig. Nach und nach entfernte er aber alle anderen Bauteile, die nicht mit der gewünschten Linie zu vereinbaren waren. Irgendwann standen nur noch Motor und Rahmen auf der Werkbank. Reduktion nennt man das.

Ein paar Minuten später weiß man: Sie hält ihr Versprechen, aber Entspannung bringt das nicht. Zehn Kilometer Landstraße auf der grauen Streckbank sind so anstrengend wie 24 Stunden Magny Cours

Dann musste das Heck dran glauben: Nach der für einen Cafe Racer obligatorischen Kürzung des hinteren Rahmens arbeitete Christian die Aufnahme der Federbeine um. Ein Zentralfederbein ersetzte die Stereolösung des Originals und betont die schlanke Silhouette des Bikes. Die Verwendung der Original-Schwinge war dadurch nicht mehr möglich, Ersatz lieferte eine Kawasaki ZXR. Leicht modifiziert nimmt die Superbike-Schwinge den Stoßdämpfer dezent auf.

Die Elektrik hat Christian in der Schwinge versteckt

Länger ist sie im Vergleich zum Originalteil auch noch, was den Hinterreifen versetzt. Platz für die komplette Elektrik bietet sie außerdem. Vorne bediente sich Christian ebenfalls bei einem Supersportler. Hier thront die gekürzte Gabel einer GSX-R in gerakten Gabelbrücken.

Das Motogadget-Instrument ist in die Gabelbrücke eingelassen

Ähnlich wie beim Heck wird der Vorderreifen dadurch entlang der Fahrzeugachse verschoben, auch hier wirkt die Bol d‘Or deutlich leichter. Als Reifen wählte Christian klassische Avon- und Firestone-Pneus. »Ich mag den Kontrast von Old School-Gummis und Supersport-Fahrwerk.« Die Optik gibt ihm recht.

Honda CB900F Bol d’Or – Detailliertes Understatement

Damit stand die grundsätzliche Geometrie des Umbaus, die Zeit für Details war gekommen. Der Scheinwerfer im V-Rod-Stil nimmt die gestreckte Linie der Gabel auf. Dahinter verbaute Christian an LSL-Stummeln schlichte Armaturen und rüstete auf eine hydraulische Kupplung um. »Das funktioniert einfach besser und macht gleichmäßige Hebel möglich.«

Wie schön hätte die Honda CB900F doch ab Werk sein können

Mit Lenkerendenblinkern und einem Minimal-Tacho von motogadget komplettierte er das minimalistische Cockpit. Den Tank entnahm Christian einer Suzuki GS 550 und formte einen passenden Höcker samt Sitzmulde. Ein sanft geschwungenes Profil entstand, in schlichtem Grau lackiert. »Ich wollte die CB nicht hinter schrillen Farben und Formen verstecken.«

Nach gut 300 Stunden Arbeit rollt die Bol d’Or aus der Garage

Das spiegelt sich auch im Eigenbau-Auspuff wider: Schlicht und schwarz klammert sich die 4-in-1-Anlage an den Vierzylinder. Nach gut 300 Stunden Arbeit rollte die neugeborene CB 900 aus der Garage. Lang ist sie geworden, flach, leicht und grau: eine Schönheit. Fahren tut Christian sie aber selten, obwohl er es dank Zulassung dürfte.

Honda CB900F Bol d’Or – lässig und tief

»Sitzhaltung, Reifen und der Motor sind zusammen mörderisch«, grinst der Bayer. »Aber die Optik stimmt einfach und es hat extremen Spaß gemacht, meine Ideen umzusetzen.« Dass letztlich nicht der geplante klassische Cafe Racer entstanden ist, stört Christian wenig. »Meine Motorräder wachsen, sie werden nicht geplant.« Das scheint zu funktionieren.

 

 

 

Arbeitet seit 1996 für den Mannheimer Huber Verlag, gehört seit 2005 zum festen CUSTOMBIKE-Magazin-Team und steuert seit 2013 das ansonsten männerbevölkerte CUSTOMBIKE-Schiff als Chefredakteurin. Beruflich hat sie jeden großen und kleinen Customtrend der letzten zwanzig Jahre mitgemacht, glaubt aber letztlich an den Erfolg von Bodenständigkeit und Konstanz – auch die Maxime für die Arbeit an Deutschlands ältestetem Magazin für umgebaute Motorräder. Sie selbst pflegt beste Kontakte in die Umbau- und Schrauberszene, nicht nur in Deutschland, weiß meistens genau, wer gerade an was baut, und berichtet mit Vorliebe über die Geschichten hinter den Motorrädern und über echte Petrolheads, die das Customizing von ganzem Herzen leben. Fürs private Zweiradglück genügt ihr eine Honda CB 400 Four, mit Baujahr 1977 gerade mal ein Jahr älter als die Chefin. Aktuell steht die Honda allerdings auf der heimischen Hebebühne und soll bald in neuem Glanz erstrahlen – a bikers work is never done.