Zwei Motorräder mit fast identischer Basis, aber mit völlig unterschiedlichem Ergebnis in Design und Stil. Titan Motorcycle aus Österreich entwarf verschiedene Konzepte für die beiden betagten BMW Zweiventil-Boxer …

Der BMW-Bobber-Umbau »The Arkitekt« ist eines von zwei Projekten, das die österreichische Motorradmanufaktur Titan Motorcycle als Aussteller auf der »Monaco Yacht Show« präsentierte. »Die Basis ist eine BMW R 75/6, Baujahr so um 1977 rum«, klärt Michael Siebenhofer, eines der beiden Masterminds hinter Titan Motorcycle, auf. Zusammen mit Partner Thanh Ho Ngo baute der studierte Fahrzeugtechniker parallel an zwei völlig unterschiedlichen Motorrädern, die das Motto »Feuer und Erde treffen Wasser und Luft« hatten.

BMW Zweiventil-Boxer mit Buell-Perimeterbremse

»The Arkitekt« steht mit ihrem bodenständigen und doch aufregenden Design für die Elemente Feuer und Erde. Da Titan Motorcycle ein Motorrad nicht zweimal baut, wollten Michl und Ho, wie beide abgekürzt genannt werden, nach der »Bavarian« einen weiteren Bobber bauen. Ho, der Architektur und Design im Studiengang hatte, wollte ein schlankes Bike als moderne Hommage an die Industrie-Ära. Gleichzeitig sollte es ein Tribut an all die Mechaniker und Gearheads der Szene werden.

The Arkitekt, wie diese BMW getauft wurde, soll eine Hommage an das Industriezeitalter sein und gleichzeitig ein Tribut an alle Mechaniker und Gearheads

Passend zum urigen Design, das alte und neue Elemente verbindet, kam als Reminiszenz eine New-School-Girdergabel ans Frontend. Diese wirkt wie die alten Trapezgabeln, ist aber topmodern sowohl von der Fertigung als auch von ihrem Fahrverhalten. Passend dazu adaptierte Michl die gewaltige Perimeterbremse samt ihrem Sechskolbenbremssattel einer Buell XB12S an das mit Speichen bestückte 18-Zoll-Vorderrad. Stilecht bekamen die Räder Avon-Speedmaster-MK-Reifen mit der markanten Profilierung aufgezogen.

Der schwebende Sitz stützt sich an einer Blattfeder ab

Für die flache Linie sorgt ein Fehling-Lenker, der kaum über den hausgemachten Tank ragt. Der schwebende Sitz stützt sich an einer Blattfeder ab und sorgt für zusätzlichen Komfort, obwohl es der BMW dank ihrer beiden Stoßdämpfer kaum daran mangeln dürfte. Passend zur Hubraumvergrößerung bekam der Motor gleich eine neue Ölwanne. Um die eher bescheidenen Fahrleistungen des Basismodells anzuheben, wurde der Motor mit einem Sieberock-Power-Kit auf rund 1000 Kubikzentimeter Hubraum vergrößert. Das sorgt in allen Drehzahlbereichen für etwas mehr Druck und Spritzigkeit und erhöht den Fahrspaß deutlich.

Das 1000er Siebenrock-Kit verhilft dem Arkitekt zu deutlich mehr Freude am Fahren

Gleichzeitig wurde auch eine neue Ölwanne von Siebenrock installiert, die Serienluftfilter gegen offene getauscht und das Ganze mit einer Zündung von Silent Hektik ergänzt. Es ist die typische Kettenreaktion, die man in Gang setzt, wenn man in den Motor eingreift. Über die tatsächliche Leistung schweigen sich Michl und Ho grinsend aus, versprechen aber, dass sie ausreichend ist und man sie am besten selbst erfährt.

BMW Zweiventil-Boxer im Stealth-Fighter-Design

Mit der Titan »Two« entstand – ebenfalls auf Basis eines BMW Zweiventil-Boxers – ein gleichermaßen krasser wie radikaler Gegenentwurf. Vom Design her könnte der Kontrast nicht größer sein, so sehr hebt sich dieser »Stealth Fighter«, wie Michl ihn bezeichnet, von seinem Bruder ab. Auch er wird den Naturelementen gewidmet und steht für Wasser und Luft. Den Spitznamen »The Shark« dürfte er wohl den flossenartigen Metallparts verdanken, die seine Optik so außergewöhnlich machen. »Die Idee dahinter war, auf die Wurzeln von BMW Motorrad anzuspielen, die ursprünglich im Bau von Flugzeugmotoren lagen. Warum also nicht mal eine alte BMW in eine Art Streetfighter verwandeln, der über die Straße fliegt?«, so Michl.

Eckige Formen, geduckt-aggressive Haltung, ganz so, wie man das von einem Stealth-Fighter erwartet. Dazu das rohe Finish des unlackierten Titans, das dem Bike ein ganz individuelles Aussehen gibt

Das Design dazu hatte sich bei ihm im Kopf verfestigt, der Aufbau erfolgte »from Scratch«, wie die Amis gerne sagen und was nichts anderes bedeutet, als dass das Basismotorrad komplett zerlegt und neu aufgebaut wurde. Das alles ohne Konzept oder Zeichnung. Michl ist da auch so eine Art Gegenentwurf zu Ho, der lieber den Stift in die Hand nimmt und seine Ideen auf Papier bringt. 

Im Lenkkopf steckt die Upside-down-Gabel einer Ducati 696

Auch bei der »Two« finden alte und neue Teile zusammen, wird eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart geschlagen. So steckt im Lenkkopf die Upside-down-Gabel einer Ducati 696 samt radial angeschlagener Brembo-Bremssättel. Das Vorderrad ist eine Gussfelge, auf die ein Rennslick aufgezogen wurde, am Heck dreht sich ein Drahtspeichenrad, das mit einem grob profilierten Pirelli-Stollenreifen bestückt ist. Auch hier schlagen wieder die Gegensätze durch.

»Bei der Titan Two haben wir uns sicher mehr rausgenommen, wobei diese auch Tüv-tauglich und für die Straße typisierbar ist«

Viel Arbeit steckt, wie beim anderen Bike auch, im Motor: Siebenrock-Kit, offene Luftfilter, eine digitale Zündung und eine speziell gefertigte Auspuffanlage. Das absolute Highlight ist aber das für die Metallarbeiten verwendete Material, nämlich Titan. So toll die Eigenschaften auch sein mögen, sie fordern einen gewissenhaften Umgang und viel Know-how, wie Michl bestätigt. Wer nicht weiß, was er macht, hat schnell unbrauchbares Material vor sich liegen.

BMW Zweiventil-Boxer im Blechmann-Gewand

Tank und Heck fertigt übrigens kein Geringerer als Metallspezialist Bernd Naumann aka »Der Blechmann«, der auch bei »The Arkitekt« Hand angelegt hat. Auf jeden Fall hat Titan eindrucksvoll gezeigt, wie vielseitig das Customizing ist und wie unterschiedlich das Ergebnis bei gleicher Basis sein kann. Ein Interview mit den Titan-Machern gibt’s hier

Info |  titan-motorcycles.com

 

Christian Heim